Mittelschwaebische Nachrichten

Die Küste der Eroberer

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Nach ewigem Hin und Her beschloss der Emir Abd ar-Rahman III. im Jahr 927, die Stadt Melilla zu erobern. Bald danach griff er weiter im Westen nach der Stadt, die den lateinisch­en Namen „Sieben Brüder“trug, also „septem fratres“. Sie hieß so, weil sie, an Rom erinnernd, von sieben Hügeln umgeben war (und ist). Die Araber verzichtet­en auf die „Brüder“, verkürzten den Ortsnamen auf die „Sieben“und verwandelt­en das rö- mische „septem“in Sabta. Soweit die Sprachkund­e. Entscheide­nd für den Emir war, dass er die gesamte Nordküste Marokkos in seiner Gewalt hatte. Aber nichts dauert ewig. Das arabische Sabta trägt längst den spanischen Namen Ceuta.

Die unruhige Küste hatte Phönizier, Griechen, Römer und zwischendu­rch auch ein paar Vandalen angelockt. Jetzt war Rahman dran. Er nutzte den Katzenspru­ng über die Meerenge von Gibraltar, um in Spanien das moslemisch­e Kalifat von Cordoba zu gründen. Es hielt ein paar Jahrhunder­te. Dann schob die Reconquist­a die Moslems wieder raus aus Spanien und zurück nach Afrika. Ja, die katholisch­en Majestäten Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon wagten den Hüpfer über das Mittelmeer nun in umgekehrte­r Richtung und ließen sich an der Nordküste Westafrika­s nieder. Ceuta und Melilla wurden zu Festungen gegen die Moslems ausgebaut. Bis heute sind sie europäisch­e Exklaven, umgeben vom Königreich Marokko, in dem sich Araber und Berber zusammenge­funden haben.

Spanier und Nordafrika­ner leben seither in den beiden Städten auf engem Raum beieinande­r. Allerdings mit kleinen Unterschie­den: Spanier genießen eher die Schönheite­n von Ceuta und Melilla. In den Problemzon­en wird mehr Arabisch gesprochen. In besseren Zeiten waren beide Städte verbindend­e Drehtüren zwischen Europa und Afrika. Heute sind sie wieder Bollwerke gegen afrikanisc­he Flüchtling­e, die auf ein besseres Leben in Europa hoffen. Für die marokkanis­che Regierung sind Ceuta und Melilla spanische Fremdkörpe­r, unwillkomm­en wie ein Pfahl im Fleisch. Die politische und historisch­e Ironie aber will es, dass Spanien selber auch einen schmerzhaf­ten Pfahl im Fleisch verspürt: Der britische Fels von Gibraltar tut den Spaniern genauso weh wie Ceuta den Marokkaner­n. Und keiner, weder Briten noch Spanier, denkt daran, den Schmerz der anderen zu lindern.

Vor 1090 Jahren

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Am Hof von Emir Abd ar Rahman III
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