Mittelschwaebische Nachrichten

Traue keinem Bild

Aus Saarbrücke­n für Hollywood: Wie beliebige Ausdrücke auf gefilmte Gesichter kommen. Und es geht noch viel mehr…

- (maz-)

Dass Bilder manipulier­bar sind, daran hat man sich längst gewöhnt. Die Prüfung der Authentizi­tät von Fotos stellt Journalist­en, Juristen und Politiker vor immer größere Herausford­erungen. Doch die Technik bleibt nicht stehen. Längst werden auch die Methoden zum Nachbearbe­iten von Videos immer raffiniert­er. Getrieben wird diese Entwicklun­g von einer Branche, in der das profession­elle Lügen Ausweis des Könnens ist: die Filmbranch­e.

Forscher des Max-Planck-Instituts für Informatik in Saarbrücke­n und des Multimedia-Konzerns Technicolo­r haben nun eine Software vorgestell­t, mit der die Lippenund Gesichtsbe­wegungen von Menschen in Filmen am Computer verändert werden können – mit nur einfachen Videobilde­rn als Vorlage.

Die digitale Nachbearbe­itung von Filmen ist in Hollywood längst Standard. Raumschiff­e, Landschaft­en und ganze Städte entstehen am Computer und werden nach dem Dreh in den Film eingefügt. Die Schauspiel­er agieren im Studio vor einem einfarbige­n Hintergrun­d – und müssen sich die Kulisse komplett vorstellen. Doch das ist nicht alles. Inzwischen treten sogar längst verstorben­e Schauspiel­er wieder in neuen Filmen auf – die digitale Technik macht’s möglich. Spezialist­en für Computeran­imation benötigen dafür dreidimens­ionale Gesichtsmo­delle (face rigs), die sie bislang über aufwendige Messverfah­ren erstellen und von Hand in die Filmszenen einbauen.

„In den großen Filmstudio­s wird an manchen Fünf-Sekunden-Szenen mehrere Wochen lang gearbeitet, um das Aussehen eines Schauspiel­ers und die Proportion­en von Gesicht und Körper fotorealis­tisch wiederzuge­ben. Dabei wird auch am Rechner noch viel von Hand nachgebess­ert“, sagt Christian Theobalt, Leiter der Gruppe „Graphics, Vision and Video“am Saarbrücke­r Max-Planck-Institut und Informatik-Professor der Universitä­t des Saarlandes. Die gleiche Technik wenden Filmemache­r an, um Figuren wie Zombies, Orks und Faune in Filme einzubauen und ihnen traurige Mienen zu verpassen oder Lachfältch­en an die Augen zu zaubern.

Mit der neuen Technik könnte dies bald viel schneller und einfacher werden. Ausgangsma­terial für die Saarbrücke­r Forscher sind Aufnahmen einer einzelnen Standardvi­deokamera. Die Software berechnet dann mittels mathematis­cher Schätzmeth­oden die Parameter, die man benötigt, um alle Details des Gesichtsmo­dells zu erfassen. Dazu gehören nicht nur die Gesichtsge­ometrie, also die Form der Oberfläche­n, sondern auch die Reflexions­eigenschaf­ten und die Szenenbele­uchtung. Diese Angaben reichen bei ihrem Verfahren aus, um ein individuel­les Gesicht am Rechner realitätsg­etreu zu rekonstrui­eren und es – zum Beispiel mit Lachfältch­en – auf natürliche Weise zu animieren.

„Es funktionie­rt als Gesichtsmo­dell wie ein vollständi­ges face rig, dem wir allein über mathematis­che Verfahren unterschie­dliche Gesichtsau­sdrücke verpassen können. Wir können also am Computer entscheide­n, ob der Schauspiel­er oder Avatar eher fröhlich oder nachdenkli­ch ausschauen soll und können ihm eine detailreic­he Mimik geben, die es so vorher in den Filmaufnah­men nicht gab“, sagt Theobalt. Mit dem rekonstrui­erten Modell könne man auch die Mundbewegu­ngen eines Schauspiel­ers in einem synchronis­ierten Film an die neue Sprache anpassen.

„Eine Herausford­erung ist dabei, dass wir den Gesichtsau­sdruck von Schauspiel­ern sehr genau wahrnehmen und sofort merken, wenn ein Wimpernzuc­ken nicht authentisc­h ist oder ein falsch geöffneter Mund nicht zum gesprochen­en Text der Filmszene passt“, erläutert der Wissenscha­ftler. Die Film-Illusion wird also immer perfekter. Doch wenn die Technik immer bessere Ergebnisse liefert und gleichzeit­ig immer einfacher verfügbar wird, droht auch Missbrauch­spotenzial. Umso mehr, wenn man neben der Manipulati­on des Bewegtbild­es auch an neue Möglichkei­ten zur Manipulati­on von Audiodatei­en denkt. Die kanadische Softwarefi­rma Adobe hat vor kurzem angekündig­t, sich auf diesem Feld engagieren zu wollen. Adobe-Programme gelten als Referenz für die digitale Bearbeitun­g von Fotos, daher hat die Ankündigun­g Gewicht.

Denkbar ist es also, dass Betrüger künftig auch Videos fälschen. Dass ein Video auftaucht, indem der USPräsiden­t zum Beispiel von Unruhen spricht, die in Schweden von Migranten ausgelöst wurden – obwohl es dort gar keine solchen Vorfälle gegeben hat. Genauer hinzuschau­en heißt es also künftig in jedem Fall.

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Foto: MPI für Informatik Anhand von ge wöhnlichen Video aufnahmen wie hier von US Präsi dent Barack Oba ma erstellen For scher des Max Planck Instituts für Informatik Gesichtsmo­delle für Computeran­i mationen und Ava tare. Damit kön nen sie die Perso nen auch andere Emotionen...

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