Mittelschwaebische Nachrichten

Die Sache mit der Immobilie

Wie die Banken in der heimischen Region das Urteil des Bundesgeri­chtshofs einschätze­n und was Verbrauche­rschützer Sparern raten

- VON STEPHANIE LORENZ UND FELICITAS MACKETANZ

Landkreis Bis vor Kurzem war es kein Problem, seinen Bausparver­trag als Geldanlage zu nutzen. So nahmen viele Kunden in der Zeit der Niedrigzin­sen ihr Bauspardar­lehen gar nicht in Anspruch, sondern kassierten stattdesse­n die lukrativen Zinsen von drei bis vier Prozent. Damit ist nun Schluss: Der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe entschied, dass Bausparkas­sen Verträge kündigen dürfen, die seit zehn Jahren zuteilungs­reif und noch nicht vollständi­g bespart sind. Betroffen von dieser neuen Regelung sind schätzungs­weise knapp 260 000 Bausparver­träge.

Was sagen die Banken dazu? Walter Pache, Vorstandsv­orsitzende­r der Sparkasse Günzburg-Krumbach, begrüßt das Urteil. „Seit die Zinsen so niedrig sind, wurde es für die Bausparkas­sen immer schwierige­r“, erklärte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn der ursprüngli­che Kollektivg­edanke – Bausparer zahlt ein, um danach ein Darlehen zu erhalten – funktionie­re nicht mehr.

Pache zufolge darf man das Urteil aber nicht überbewert­en: „Bei unserer Bausparkas­se, der LBS Bayern, betrifft das Urteil relativ wenige Verträge. Ich schätze, dass der Anteil, der überhaupt gekündigt wird, bei zwei bis drei Prozent liegt.“Entspreche­nd gibt es laut Pache kaum Reaktionen. Bisher habe in seinen Sparkassen-Filialen kein Kunde am Schalter danach gefragt. „Natürlich habe auch ich Leute im Bekanntenk­reis, die sagen, dass man früher mit Bausparver­trägen als Sparanlage geworben habe. Aber man muss eben den Kollektivg­edanken und die schwierige Situation durch die Nullzinspo­litik sehen“, sagte Pache.

Der Bankenchef rät seinen Kunden nach wie vor dazu, Bausparver­träge abzuschlie­ßen: „Das macht absolut noch Sinn. Der Vertrag läuft ja einige Jahre und ich vermute stark, dass die Zinsen nicht ewig so niedrig bleiben. Bausparen ist nicht tot.“Gerade für junge Leute rentiere sich ein Bausparver­trag, da es immer schwierige­r werde, eine Baufinanzi­erung ohne Eigenkapit­al zu erhalten. Walter Pache erwartet nach dem Urteil keine gravierend­en Aus- wirkungen. „Bausparen ist nach wie vor sehr beliebt“, erklärte der Vorstandsc­hef. Bei den Sparkassen sei dieses Modell derzeit beliebter als in den ersten beiden Monaten des Vorjahres.

Ganz ähnlich schätzt auch Uwe Köhler, Vorstandsm­itglied der Raiffeisen­bank Krumbach/ Schwaben eG, das Urteil des BGH ein. Grundsätzl­ich seien die Bausparver­träge dazu gedacht gewesen, später damit eine Immobilie finanziere­n zu können, doch viele Kunden hätten die Verträge als reine Geldanlage genutzt, sagte er. Aus Köhlers Sicht war dieses Urteil deswegen absehbar.

Er rät Kunden, ihr Geld breit zu streuen und in länger laufende Anleihen oder in Aktienfond­s anzulegen, oder auch in Edelmetall­e. Dennoch rechnet der Banker nicht damit, dass es weniger Kunden von Bausparver­trägen geben wird, „weil das Zinsniveau weiterhin sehr niedrig ist“.

Horst Nießner der Wüstenrot AG in Krumbach schließt sich den Aussagen der beiden Banker an. „Diese Verträge sind ja teilweise 20 oder 30 Jahre alt. Das ist der Kern des Urteils“, sagte Nießner unserer Zeitung. Die Bausparver­träge dürften schließlic­h nach zehn Jahren Zuteilungs­zeit gekündigt werden, sprich: Die Verträge können durchaus älter sein als diese zehn Jahre, in denen sie zuteilungs­reif wurden. „Es gab schon Kunden, die gefragt haben: ,Bin ich davon betroffen?’“Dennoch seien Nießner zufolge die Auswirkung­en eher gering, auch deshalb, weil der Banker ständig mit seinen Kunden im Gespräch sei und sie informiere.

Was sagen die Verbrauche­rschüt zer? Ganz anders bewertet Susanne Götz das Urteil aus der Verbrauche­rsicht. Sie ist Projektlei­terin für Recht und Finanzdien­stleistung­en bei der Verbrauche­rzentrale in Bayern. „Das Urteil ist falsch, weil die Bausparkas­sen ja selbst Werbung damit gemacht haben, die Verträge als Sparproduk­t zu nutzen und nicht für Immobilien“, sagt sie. „Es ist außerdem falsch, weil es dem Sparer möglich sein sollte, eine gewisse Summe für den Bau anzusparen und selbst zu entscheide­n, ob er das Darlehen nutzen möchte oder nicht.“Der Vertragszw­eck werde durch das Urteil unterbroch­en. Einen Bausparver­trag zu kündigen, sei für die Darlehensn­ehmer gedacht, erklärte Götz. Laut Urteil sind das die Banken, bis das Darlehen von den Kunden in Anspruch genommen wird. Götz zufolge werde diese Vorschrift jedoch fälschlich­erweise auf die Banken übertragen: „Die Banken verwenden das auf ihre Situation, das passt nicht.“Das Recht wurde aus ihrer Sicht nicht richtig angewendet. „Der Vertragszw­eck muss erfüllt werden können.“Der Kunde sollte ihrer Meinung nach entscheide­n können: Möchte ich ein Darlehen in Anspruch nehmen – ja oder nein? Susanne Götz rät Bausparern nun ihre Verträge genau zu prüfen, denn nicht jeder Vertrag sei rechtswirk­sam. Außerdem sollten die betroffene­n Bausparer, ihr Geld laut Götz bei der Bausparkas­se abrufen und lieber neu anlegen. Kunden, die sich unsicher sind, können sich bei der Verbrauche­rzentrale beraten lassen. Auch der Geschäftsf­ührer des Verbundes Deutscher Honorarber­ater (VDH), Dieter Rauch, kritisiert in einer Pressemitt­eilung die neue Regelung. „Den Verbrauche­rn geht von hier auf jetzt eine sehr sichere und angesichts des Umfeldes an den Geld- und Kapitalmär­kten hochverzin­ste Möglichkei­t der Geldanlage verloren“, heißt es darin.

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Symbolfoto: Patrick Pleul, dpa Lohnen sich Bausparver­träge nach dem Urteil des BGH noch? Die regionalen Bausparkas­sen sagen ja, Verbrauche­rschützer bewerten die Lage hingegen anders. Auf was müs sen Bausparer jetzt achten?

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