Mittelschwaebische Nachrichten
Heilmeyers Vergangenheit schlägt Wellen
Vorstandsvorsitzender der Bezirkskliniken distanziert sich vom Gründungsrektor der Uni Ulm
Günzburg Die Nähe Ludwig Heilmeyers zum nationalsozialistischen Regime schlägt Wellen. Der 1969 am Gardasee gestorbene Mediziner hat, wie berichtet, eine Verbindung zu Günzburg, weil er als Gründungsrektor der Universität Ulm die Reisensburg kaufte. Das Schloss nutzt die Uni noch heute für wissenschaftliche Tagungen. Mit zwei Ehrenbürgerschaften (Günzburg und Reisensburg) wurden die Verdienste des Mannes in den 60er-Jahren gewürdigt. Seit 32 Jahren trägt zudem die Straße, die unter anderem zum Bezirkskrankenhaus (BKH) führt, seinen Namen – beschlossen vom Stadtrat auf Vorschlag des Bezirks. Der Vorstandsvorsitzende der Bezirkskliniken in Schwaben, Thomas Düll, spricht von „schwer wiegenden Vorwürfen, die man ernst nehmen und abwägen muss“.
Sollte der Internist „in überdurchschnittlicher Weise in dem Unrechtssystem involviert gewesen sein“möchte Düll nicht, dass Heilmeyers Name „mit unserer Klinik in Dauerverbindung steht“. Neben zwei Krankenhäusern befindet sich auch ein Kindergarten, ein Ärztehaus und die Georg-Simnacher-Stiftung in der Ludwig-HeilmeyerStraße. Auch für den Zeitgeschichtler Manfred Büchele „reicht – sofern es belegt ist – das, was er getan hat, um die Straßenbenennung zurückzunehmen. Das sind wir den Toten des Bezirkskrankenhauses schuldig“, spielt der 77 Jahre alte Vorsitzende des Historischen Vereins Günzburg auf die Nazizeit an, als das BKH noch Heil- und Pflegeanstalt hieß. Damals mussten beispielsweise psychisch kranke Menschen ster- ben, weil das NSRegime sie für „lebensunwert“hielt. Heilmeyer hatte damit nichts zu tun. Aber später als Teil einer Gutachter-Kommission stufte er die Menschenversuche des KZ-Arztes Wilhelm Beiglböck nicht als Verbrechen ein. Beiglböck ließ 1944 in Dachau Sinti und Roma Meerwasser trinken, um zu sehen, wie lange man sich damit ernähren konnte.
Bei der Art der Auswahl der Versuchspersonen und deren Gewinnung sowie bei der Wahl des Versuchsortes, seien Fehler begangen worden, urteilte Heilmeyer. Damit trug er maßgeblich dazu bei, das Beiglböck bald wieder praktizieren konnte. Bei den Nürnberger Ärzteprozessen wurde er 1947 zu 15 Jahren Haft verurteilt. Die Strafe wurde später auf zehn Jahre herabgesetzt. Tatsächlich wurde er im Dezember 1951 aus dem Landsberger Gefängnis entlassen – und machte wieder Karriere. Heilmeyer holte ihn als Oberarzt nach Freiburg und verhalf ihm ein Jahr später zum Chefarztposten in Buxtehude.
Das und viele weitere Details von Heilmeyers Wirken in München, Jena, Freiburg und Ulm untersucht Professor Florian Steger, der seit Juli 2016 Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Universität Ulm ist. Er sei „mitten im Bewertungsprozess“. Eine mit Historikern, Politologen, Soziologen und Archivaren besetzte Expertenkommission in Freiburg ist schon weiter. Das Gremium empfahl, mit elf anderen Straßennamen den Heilmeyer-Weg zu streichen. Das Stadtparlament stimmte grundsätzlich zu. Mit jedem einzelnen Namen befassen sich Räte ab Sommer.