Mittelschwaebische Nachrichten
Ist das Seniorenheim eine „Sterbefabrik“?
Schüler informieren sich darüber, ob das Image der Altenpflege gerechtfertigt ist
Günzburg Altenheime sind schmuddelige „Sterbefabriken“mit strengem Geruch, das Personal ist unfreundlich und wird schlecht bezahlt. Es gibt genug Vorurteile über solche Einrichtungen und die dort angestellten Pfleger, die der Eigenbetrieb Seniorenheime des Landkreises Günzburg auch so benennt. Um zu zeigen, dass sie ungerechtfertigt seien, organisierten Pflegedienstleiter der Heime in Trägerschaft des Landkreises gestern einen Aktionstag. Schüler und andere Interessierte konnten sich dabei im Wahl-Linderschen-Altenheim in Günzburg über die verschiedenen Arbeitsfelder schlau machen.
Für Werkleiter Martin Neumeier gibt es mehrere Gründe, so ein Projekt auf die Beine zu stellen. Zum einen habe man auch in Günzburg Mühe, das benötigte Personal für das Altenheim zu bekommen. Zum anderen leiden Seniorenheime und die dazugehörigen Berufe unter einem schlechten Image. Ein Zweck der Veranstaltung sei es deswegen gewesen, diesen negativen Bildern in den Köpfen der Besucher etwas entgegenzusetzen. Sie sollten über die verschiedenen Berufe, Möglichkeiten und das Gehalt genauer informiert werden. Viele wüssten gar nicht, dass die Arbeit als Pfleger gut bezahlt sei. Und sie denken auch nicht daran, sagte Neumeier, dass man als Pfleger Aufstiegs- und Entwicklungschancen habe, in einer netten Gemeinschaft mit interessanten Menschen zusammenarbeiten könne und dass das Wohl der Senioren im Vordergrund stehe. „Image und Realität liegen weit auseinander. Und in diesem Fall ist die Realität besser.“
Mehrere Wochen lang haben die Pflegedienstleiter der Altenheime, die der Landkreis betreibt, mit ihren Kollegen Flyer entworfen, unterschiedliche Stationen vorbereitet und sich Präsentationen überlegt. Es hat sich gelohnt: Ungefähr 250 Schüler kamen mit ihren Lehrkräften ins Wahl-Lindersche-Altenheim. Nach einer kurzen Führung durchs Haus konnten sie selbst entscheiden, an welchen Stationen sie sich noch länger aufhalten wollten. Insbesondere wurde auf die Arbeitsfelder Pflege, Haustechnik, Betreuung, Großküche, Hauswirtschaft und Verwaltung eingegangen.
Tommy Bauer, Einrichtungsleiter in Jettingen-Scheppach, übernahm die Führung der Gruppen und stellte danach fest: „Viele Schüler sagen, dass sie es sich nicht so vorgestellt haben.“Auch Neumeier fiel auf, dass die meisten noch sehr wenig Ahnung von den Berufsfeldern hatten. Besonders die Frage, wie man mit dem Sterben und dem Tod umgeht, habe die Besucher interessiert. Bernhard Fleiner von der Pflegedienstleitung in Burgau freute sich darüber, dass sich viele Menschen das Angebot angenommen und vorbeigeschaut haben. Schön sei auch, dass die Schüler eigene Einblicke in den Arbeitsalltag gewinnen konnten. Beispielsweise putzten sie sich gegenseitig die Zähne und fütterten sich mit Essen, sie probierten einen Rollstuhl und einen Lifter aus. „Das macht Schülern Spaß und sie strahlen einen an, wenn sie was Besonderes austesten dürfen“, erklärte Fleiner. Außerdem könne man Schüler dabei darauf aufmerksam machen, auf was man als Pfleger alles achten muss. Das bestätigte Praxisanleiterin Heike Loschan. Wer zum Beispiel andere füttert, sollte aufpassen, dass er das nicht zu schnell tut. Und es sei wichtig darauf zu achten, ob die gefütterte Person zwischen den einzelnen Bissen etwas trinken möchte. Vielen sei gar nicht bewusst, sagte Loschan, auf was es ankommt.
Alle hoffen darauf, dass sich in Zukunft mehrere Interessenten um eine Stelle bewerben. Es gebe einige Voraussetzungen für die Arbeit mit älteren Menschen, aber man bekomme viel von ihnen zurück. Eva Schmied, Leiterin im Wahl-Linderschen-Altenheim, weiß aus Erfahrung, dass jeder Tag eine Herausforderung ist. „Man muss sich wohlfühlen, um Fuß fassen zu können“, sagte sie. „Man sollte verantwortungsvoll und mit Herz und Seele dabei sein.“Sie freute sich, dass die Schüler auch viele Fragen stellten – mit so vielen habe keiner gerechnet. Natürlich interessiere sich nicht jeder für einen solchen Aktionstag, aber generell habe es positive Rückmeldungen gegeben. Werkleiter Martin Neumeier hat deswegen auch die Absicht, solche Projekte in den nächsten Jahren weiterhin zu organisieren. Aktionstage seien eine langfristige Möglichkeit, um Besuchern ein positives Bild der Berufe im Seniorenheim zu vermitteln.