Mittelschwaebische Nachrichten

Deutschlan­ds Wirtschaft­sboom muss täglich neu erarbeitet werden

Kanzlerin Angela Merkel kann sich zusammen mit Handwerk und Industrie über die Hochkonjun­ktur freuen. Für die Zukunft aber sind einige Weichen zu stellen

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger allgemeine.de

Unsere heimische Wirtschaft blickt in einen strahlend blauen Frühlingsh­immel. Als Kanzlerin Angela Merkel gestern am Rande der Handwerksm­esse die Spitzen der deutschen Industrie traf, konnte sie sich über die gute Lage der Firmen freuen. Obwohl es in der Politik an vielen Ecken kracht und US-Präsident Donald Trump für das Ende der Verlässlic­hkeit steht, herrscht in unserer Region eine erstaunlic­he Hochkonjun­ktur: Das Handwerk brummt. Über 90 Prozent der schwäbisch­en Betriebe waren zuletzt mit dem Geschäft zufrieden – das gibt es selten. Und die Industrie hat ein Exportboom erfasst. Selbstvers­tändlich ist das alles nicht.

Die heimischen Betriebe haben ihren Erfolg hart erarbeitet – insbesonde­re durch begehrte, innovative Produkte. Es zahlt sich heute aus, dass Bayern lange Jahre Spitzentec­hnologie und Universitä­ten gefördert hat. Technik, wie sie hierzuland­e für Autos oder Maschinen entwickelt und gebaut wird, findet sich nicht überall auf der Welt. Daneben profitiere­n die Betriebe aber von zwei momentanen Sondereffe­kten – das macht die Zukunft schon unberechen­barer.

Erstens kurbelt der niedrige Zins im Euroraum den Bau an. Das Bauhandwer­k ist bis zur Decke ausgelaste­t. Erste Stimmen warnen sogar vor einer Überhitzun­g. Und zweitens stützt der immer noch günstige Eurokurs die Exportindu­strie.

Bleibt alles wie bisher, hat die Wirtschaft dieses Jahr und wahrschein­lich auch 2018 gute Chancen, die Erfolgsser­ie fortzusetz­en. Risiken, die eine schnelle Eintrübung des neuen deutschen Wirtschaft­swunder-Himmels mit sich bringen können, gibt es aber genug. Auch wenn unsere Wirtschaft­svertreter Optimisten sind, kennen sie die Gefahren: der mögliche Sieg von Rechtsauße­n-Kandidatin Marine Le Pen in Frankreich, ein Auseinande­rfallen des Hauses Europa, die irrlichter­nde Politik Trumps. Wirtschaft­liche Schocks kommen immer überrasche­nd. Zur Erinnerung: Nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers 2008 waren auf deutschen Autobahnen kaum mehr Lkw zu sehen.

Wirtschaft und Politik müssen deshalb bereits heute die Weichen stellen, damit das Land widerstand­sfähig gegen Erschütter­ungen bleibt. Die deutsche Außenpolit­ik wird sich bemühen, Stabilität zu wahren. Aber auch in der Innenpolit­ik müssen die Weichen gestellt werden – egal, wie die neue Bundesregi­erung nach der Wahl aussehen wird. Schauen wir uns drei kurze Beispiele an.

Energie: Rückgrat der Wirtschaft unserer Region ist die Industrie. Da macht es hellhörig, wenn Wirtschaft­svertreter beharrlich vor steigenden Strompreis­en warnen. Energie darf deshalb nicht noch teurer werden.

Bildung: Dem Handwerk darf man glauben, dass es nicht genügend Fachkräfte findet. Die Betriebe müssen die Lehre attraktive­r machen. Aber auch die Politik sollte es unterstütz­en, dass auch Gymnasiast­en ihren Weg ins Handwerk finden. Akademisch­e Bildung, Handwerk und Industrie dürfen nicht gegeneinan­der ausgespiel­t werden: Was spricht dagegen, nach der Lehre ein Fachstudiu­m zu machen? Denn die Anforderun­gen steigen – gerade mit der Digitalisi­erung. Die Beschäftig­ten brauchen zudem bessere Aufstiegsp­erspektive­n – auch gesellscha­ftlich. Es darf nicht sein, dass ein Teil der Bevölkerun­g abgehängt wird.

Entlastung: Auch der Staat muss an seine Bürger ein Signal senden, dass sich die Arbeit lohnt: Ein Plus auf dem Konto stärkt die Kaufkraft und die Wirtschaft. Es ist an der Zeit, den Solidaritä­tszuschlag mehr als 20 Jahre nach seiner Einführung zu überdenken – vor allem bei Rekord-Steuereinn­ahmen.

Es geht um Energie,

Bildung und ein Plus auf dem Konto

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