Mittelschwaebische Nachrichten
Boxer, Cowboy und Eishockeytrainer
Augsburgs Coach Mike Stewart hat einige ungewöhnliche Talente. In Nordamerika bekam er den Spitznamen: Die große weiße Hoffnung
Wer die Augen schließt und Mike Stewart nur zuhört, glaubt, Arnold Schwarzenegger spricht. „Arnie“wanderte einst aus seiner steirischen Heimat nach Hollywood aus, machte als „Mister Universum“Karriere und brachte es in der Politik zum Gouverneur von Kalifornien. Mike Stewart ging den umgekehrten Weg. Im kanadischen Calgary geboren, versuchte Stewart erst sein Glück als Profi im Mutterland des Eishockeys.
Seine Fähigkeiten im Umgang mit Schläger und Scheibe reichten zwar nicht, um an die Fleischtöpfe der Profiliga NHL zu gelangen. Doch Stewart war ein kompromissloser Verteidiger, der unkonventionelle Wege ging. Der junge Mike meldete sich als Eishockey-Profi in einer Boxschule an. „Ich war der einzige Weiße im Klub. Sie nannten mich die große weiße Hoffnung.“ Stewart boxte sich durch und bestritt über 100 Kämpfe – auf dem Eis. So erarbeitete er sich den Spitznamen „Iron Mike“. Vermutlich gewann er mehr Boxeinlagen, als er verlor, denn er kann heute sagen: „Ich habe noch alle Zähne.“Dass er über 100 Stiche im Gesicht trägt, ist nur aus der Nähe zu sehen.
Im Jahr 2000 wechselte der Verteidiger zuerst nach Frankfurt und dann für zwölf Jahre nach Villach. In Österreich startete er seine Trainerkarriere. Anschließend zog es Stewart mit Frau Tara, Sohn Mack und den Töchtern Avery und Bryn nach Bremerhaven, wo er den Zweitliga-Titel holte. Im Sommer 2015 wechselte er in die Deutsche Eis- hockey-Liga nach Augsburg. Panther-Boss Lothar Sigl hatte einen ehrgeizigen Coach mit guten Kontakten in Nordamerika gesucht. Stewart entpuppte sich als Glücksgriff. Wie in Augsburg üblich muss der Trainer mit wenig Geld einen schlagkräftigen Kader zusammenstellen. Im ersten Jahr unter seiner Regie verpassten die AEVProfis noch knapp die K.-o.Runde. Doch in seiner zweiten Saison zog die Mannschaft überraschend ins Viertelfinale ein und liefert Nürnberg eine begeisternde Serie. Augsburg liegt 1:2 hinten und empfängt die Franken heute Abend zum vierten Duell. Die Führungsqualitäten des Austro-Kanadiers sind im CurtFrenzel-Stadion wieder gefragt. In einer Umkleide mit 20 Männern kann es keine Demokratie geben, sagt Mike Stewart und fügt an: „Der Chef bin ich. “
Der 44-Jährige gilt dennoch als kommunikativer Typ. „Ich kann auch laut werden. Aber wenn du jedes Mal in der Kabine herumbrüllst, dann nutzt sich das schnell ab.“Nach der Saison geht es mit der Familie nach Kanada. Dort hilft Mike Stewart in der Ranch seines Onkels nahe den Rocky Mountains. Der eiserne Mike wird zum Cowboy, steigt in den Sattel oder drückt Kälbern das Brandzeichen ins Fell.
Noch ist offen, ob der Bandenchef zur neuen Saison nach Augsburg zurückkehrt. 17 Profis haben ihre Zusage bereits gegeben, die Unterschrift von Stewart fehlt noch. Doch Klub-Chef Sigl ist zuversichtlich, dass auch „die große weiße Hoffnung“bleibt. Milan Sako