Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn das Leben aus den Fugen gerät

Was mit verwirrten oder psychisch kranken Menschen geschieht, wenn sie die Polizei ins Bezirkskra­nkenhaus bringt und unter welchen Bedingunge­n sie dort wieder herauskomm­en

- VON STEFAN REINBOLD

Krumbach In der Nacht zum Sonntag wurde die Polizei alarmiert, ein Mann stehe mit einer Waffe in seiner Wohnung in Krumbach. Alle Versuche, mit dem Mann Kontakt aufzunehme­n und die Situation zu klären, scheiterte­n. Ein brenzliger Moment für die Polizei. Zwar ist der 27-Jährige bereits einschlägi­g bekannt, doch die Hände in den Schoß zu legen, ist für die Beamten keine Option, wenn nicht klar ist, ob der Mann sich oder anderen etwas antun will. Die Polizei stürmte die Wohnung und nahm den Mann in Gewahrsam.

Was am Sonntag in einer spektakulä­ren Polizeiakt­ion endete, ist für die Polizisten gar nicht so selten. Etwa ein bis zweimal pro Woche trifft die Krumbacher Polizei bei Einsätzen auf Menschen in psychische­n Extremsitu­ationen, die sie ins Bezirkskra­nkenhaus bringen muss. In den wenigsten Fällen sind die Aktionen dabei so aufsehener­regend wie am vergangene­n Wochenende. Häufig handelt es sich um verwirrte Menschen mit psychische­n Erkrankung­en, nicht selten spielen auch Alkohol oder Drogen eine Rolle. Wie geht die Polizei damit um, wer entscheide­t was mit den Menschen geschieht? „Grundbedin­gung für die Einweisung ist eine akute Gefährdung der öffentlich­en Ordnung oder Gefahr für Leib und Leben eines Menschen, das kann auch der Betroffene selbst sein“, sagt Dr. Roland Schmid, Leiter des Gesundheit­samts Günzburg. Drei verschiede­ne Verfahrens­raster stehen nach dem bayerische­n Unterbring­ungsgesetz für eine mögliche Einweisung in eine Psychiatri­e zur Verfügung. In vielen Fällen kommt der Hinweis auf eine mögliche psychische Erkrankung oder eine potenziell­e Gefahr, etwa durch Suizid, aus dem Bekannten- oder Verwandten­kreis. Das Landratsam­t ordnet in solchen Fällen eine Begutachtu­ng durch das Gesundheit­samt an, erläutert Schmid. Wenn die Behörde eine Einweisung empfiehlt, „dann muss der Patient spätestens bis Ablauf des Folgetages nach seiner Ergreifung einem Richter vorgeführt werden, der über die Unterbring­ung entscheide­t“, sagt Schmid. Es gibt aber auch Fälle, in denen es sehr schnell gehen muss, etwa wenn ein Suizid bereits angekündig­t ist und ein normales Gespräch mit der Person nicht mehr möglich ist, kann das Landratsam­t die sofortige Unterbring­ung in der Psychiatri­e verfügen. Trotzdem muss ein Richter unter Einhaltung der gleichen Frist die Maßnahme beurteilen. Genauso verhält es sich, wenn die Polizei jemanden buchstäbli­ch von der Brücke pflückt und im Bezirkskra­nkenhaus unterbring­t.

Wenn der Leiter der Behörde, das kann auch ein Oberarzt in dem Krankenhau­s sein, in das der Patient eingewiese­n wurde, „keinen Anhaltspun­kt für eine psychische Erkrankung findet oder der Suff am nächsten Tag verflogen ist“, darf der Patient wieder gehen.

Besonders heikel ist die Situation für die Polizei, denn die hat genau genommen drei Möglichkei­ten zur Wahl. Sie kann die Betroffene­n nach Hause fahren, sie in die Ausnüchter­ungszelle stecken oder eben ins BKH bringen. Alles hat Konsequenz­en. „Das ist ein ganz sensibler Bereich“, sagt Claus Schedel von der Krumbacher Polizei. „Man muss jeden Einzelfall richtig bewerten.“Die Zahl der Fälle liegt laut Schmid seit Jahren konstant hoch. Im Einzugsber­eich des BKH Günzburg, werden pro Jahr mehr als 600 Einweisung­en vorgenomme­n. „Der Mensch hat wenig Anpassungs­fähigkeite­n an psychische Belastunge­n, und die nehmen bekanntlic­h zu“, erklärt Schmid.

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Symbolfoto: Kaya In der Nacht zum Sonntag stürmte die Polizei in Krumbach eine Wohnung, nachdem ein Anrufer behauptet hatte, er stehe dort mit einer Waffe.

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