Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn das Leben aus den Fugen gerät
Was mit verwirrten oder psychisch kranken Menschen geschieht, wenn sie die Polizei ins Bezirkskrankenhaus bringt und unter welchen Bedingungen sie dort wieder herauskommen
Krumbach In der Nacht zum Sonntag wurde die Polizei alarmiert, ein Mann stehe mit einer Waffe in seiner Wohnung in Krumbach. Alle Versuche, mit dem Mann Kontakt aufzunehmen und die Situation zu klären, scheiterten. Ein brenzliger Moment für die Polizei. Zwar ist der 27-Jährige bereits einschlägig bekannt, doch die Hände in den Schoß zu legen, ist für die Beamten keine Option, wenn nicht klar ist, ob der Mann sich oder anderen etwas antun will. Die Polizei stürmte die Wohnung und nahm den Mann in Gewahrsam.
Was am Sonntag in einer spektakulären Polizeiaktion endete, ist für die Polizisten gar nicht so selten. Etwa ein bis zweimal pro Woche trifft die Krumbacher Polizei bei Einsätzen auf Menschen in psychischen Extremsituationen, die sie ins Bezirkskrankenhaus bringen muss. In den wenigsten Fällen sind die Aktionen dabei so aufsehenerregend wie am vergangenen Wochenende. Häufig handelt es sich um verwirrte Menschen mit psychischen Erkrankungen, nicht selten spielen auch Alkohol oder Drogen eine Rolle. Wie geht die Polizei damit um, wer entscheidet was mit den Menschen geschieht? „Grundbedingung für die Einweisung ist eine akute Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Gefahr für Leib und Leben eines Menschen, das kann auch der Betroffene selbst sein“, sagt Dr. Roland Schmid, Leiter des Gesundheitsamts Günzburg. Drei verschiedene Verfahrensraster stehen nach dem bayerischen Unterbringungsgesetz für eine mögliche Einweisung in eine Psychiatrie zur Verfügung. In vielen Fällen kommt der Hinweis auf eine mögliche psychische Erkrankung oder eine potenzielle Gefahr, etwa durch Suizid, aus dem Bekannten- oder Verwandtenkreis. Das Landratsamt ordnet in solchen Fällen eine Begutachtung durch das Gesundheitsamt an, erläutert Schmid. Wenn die Behörde eine Einweisung empfiehlt, „dann muss der Patient spätestens bis Ablauf des Folgetages nach seiner Ergreifung einem Richter vorgeführt werden, der über die Unterbringung entscheidet“, sagt Schmid. Es gibt aber auch Fälle, in denen es sehr schnell gehen muss, etwa wenn ein Suizid bereits angekündigt ist und ein normales Gespräch mit der Person nicht mehr möglich ist, kann das Landratsamt die sofortige Unterbringung in der Psychiatrie verfügen. Trotzdem muss ein Richter unter Einhaltung der gleichen Frist die Maßnahme beurteilen. Genauso verhält es sich, wenn die Polizei jemanden buchstäblich von der Brücke pflückt und im Bezirkskrankenhaus unterbringt.
Wenn der Leiter der Behörde, das kann auch ein Oberarzt in dem Krankenhaus sein, in das der Patient eingewiesen wurde, „keinen Anhaltspunkt für eine psychische Erkrankung findet oder der Suff am nächsten Tag verflogen ist“, darf der Patient wieder gehen.
Besonders heikel ist die Situation für die Polizei, denn die hat genau genommen drei Möglichkeiten zur Wahl. Sie kann die Betroffenen nach Hause fahren, sie in die Ausnüchterungszelle stecken oder eben ins BKH bringen. Alles hat Konsequenzen. „Das ist ein ganz sensibler Bereich“, sagt Claus Schedel von der Krumbacher Polizei. „Man muss jeden Einzelfall richtig bewerten.“Die Zahl der Fälle liegt laut Schmid seit Jahren konstant hoch. Im Einzugsbereich des BKH Günzburg, werden pro Jahr mehr als 600 Einweisungen vorgenommen. „Der Mensch hat wenig Anpassungsfähigkeiten an psychische Belastungen, und die nehmen bekanntlich zu“, erklärt Schmid.