Mittelschwaebische Nachrichten
Kimmich leidet unter dem Gesundheitstrend
Aus dem Überflieger des FC Bayern wurde ein Bankdrücker – aber seine Perspektive ist gut
Augsburg Es hat 90 Minuten gedauert, ehe die heile Bayern-Welt einen zarten Riss erhielt. Carlo Ancelotti hatte gegen die Frankfurter Eintracht erstmals in dieser Saison keinen Langzeitverletzten zu beklagen – nach dem Spiel aber einen Akteur, der seinen Unmut nicht gänzlich verstecken wollte. Joshua Kimmich ist unzufrieden. Der 22-Jährige leidet am meisten unter dem Gesundheitstrend der Münchner. In der vergangenen Saison war Kimmich noch die große Überraschung im Kader, derzeit kommt er selten über einen Platz auf der Bank hinaus. „Das ist nicht mein Anspruch, ich möchte das ändern“, sagte er nach dem 3:0 gegen Frankfurt.
Wahrscheinlich wird sich an seiner Situation auch etwas ändern – unwahrscheinlich ist allerdings, dass Kimmich etwas dafür kann. Denn Carlo Ancelotti hat seine Stammformation gefunden und keinen Grund, sie zu modifizieren. Zu gut sind die Ergebnisse der Vorwochen. Allerdings wird der Italiener wohl verstärkt rotieren lassen. „Zu viel Wasser tötet die Bäume“, dichtete Ancelotti und spielte damit auf die kommenden Belastungen an. Kimmich also wird seine Einsatzzeiten bekommen. Allerdings eher in der Liga gegen Darmstadt statt in der Champions League.
Unter Pep Guardiola war Kimmich noch der Aufsteiger der Saison. Überraschend schnell setzte sich der Neuzugang aus Leipzig durch. Guardiola schenkte ihm das Vertrauen, Kimmich rechtfertigte es. In dem ihm eigenen Überschwang nahm der Coach seinen Spieler beinahe in die Familie auf: „Joshua Kimmich ist fast mein Sohn.“
Dass der Katalane den Defensivmann allerdings derart gehäuft einsetzte, hatte auch mit den Verletzungsproblemen der Münchner zu tun. Sowohl Javi Martinez wie auch Holger Badstuber und Medhi Benatia fielen lange Zeit verletzt aus. Die Planstelle in der Innenverteidigung übernahm der 1,76 Meter große Neuzugang. In den wirklich wichtigen HalbfinalPartien gegen Atlético Madrid ließ jedoch auch Guardiola Kimmich komplett auf der Bank. Weil aber der 22-Jährige bei der EM als Rechtsverteidiger überzeugte und phänotypisch Philipp Lahm ähnelt, wurde er schon als Nachfolger des Bayern-Kapitäns gesehen. Bei der Nationalmannschaft nimmt er schon dessen Rolle ein, in München spielt er selten in der Abwehr. Das hat auch damit zu tun, dass Carlo Ancelotti mit Rafinha einen weiteren Spieler bei Laune halten muss, der sein Spezialgebiet auf der rechten Defensivseite verortet. Ob sich Kimmich bei den Bayern auf Dauer durchsetzt, wird die kommende Spielzeit zeigen. Sowohl Lahm als auch Xabi Alonso beenden ihre Karrieren. Frei werden just jene Positionen, auf denen der 22-Jährige am liebsten spielt. Kimmich trägt sich daher noch nicht mit Abwanderungsgedanken.
Seine Ausgangsposition ist gut und Karl-Heinz Rummenigge macht ihm zusätzlich Mut. „Wir haben Großes vor mit ihm in der Zukunft. Er wird, das ist ziemlich klar, bei uns Nachfolger von Philipp Lahm. Ab der nächsten Saison hat er dann gesicherte Einsatzminuten. So jedenfalls plant es Carlo Ancelotti“, sagte der Vorstandschef gegenüber Sky. Kimmich wird die Worte gerne hören. Wahrscheinlich noch lieber als die Adoptionsavancen seines ehemaligen Trainers.
Sollte er ab der kommenden Saison tatsächlich regelmäßig zum Einsatz kommen, hätte Ancelotti einen zufriedenen Spieler mehr. Dann findet sich sicherlich ein anderer, der mit seiner Rolle nicht einverstanden ist.
Tiere bereichern das Dasein des Menschen ungemein. Sie dienen als Wächter, Zugtier oder Jagdhelfer. Seit der Industrialisierung erfüllen zusehends Maschinen die Aufgaben von Tieren, ihr Nutzen konzentriert sich verstärkt auf das geistige Wohlbefinden, auf emotionale Bindung. Bello nimmt einem Greis das Gefühl der Einsamkeit, Flecki gibt einen Lebenssinn, weil er Leckerli und Streicheleinheiten braucht. Dass nicht jeder Mensch zu jedem Lebewesen ein inniges Verhältnis pflegt, verrät das Steak auf dem Teller.
Die Mensch-Tier-Verbindung drückt sich im Sport auf mannigfache Weise aus. Die einen zerren einen Geißbock ins Stadion, andere nennen ihre Mannschaft Panther oder Eisbären. Einige Sportler haben eine Pferdelunge, schlagen Hasenhaken oder beweisen fliegerisches Können einer Schwalbe. Formvollendet war die Metamorphose bei Skispringer Eddie Edwards als Eagle (Adler), Fußballer Willi Lippens als Ente oder dem afrikanischen Schwimmer Moussambiani, bei Olympia 2000 gefeiert als „Eric, der Aal“.
Emotionale Nähe schaffen nicht nur lebendige Wesen, Marketinggurus setzen längst auf tierische Maskottchen. Aus Verbundenheit zu einem Profiteam baumeln Stoffhaie an Autospiegeln oder lümmeln Steiffbären in Trikots auf Sofas. Studenten machen sich als Löwen, Zebras, Wölfe, ja sogar Dinosaurier vor Fanblöcken zum Affen.
Österreichs Ligen sind seit jeher schmerzfrei, wenn es um Sponsoring geht. Die Alpenland-Athleten wandeln als Litfaßsäulen über Spielfelder, selbst Hosenhinterteile dienen der Werbung. Die Macher des Zweitligisten Wiener Neustadt verlosten jüngst ihren Stadionnamen. Einsatz 500 Euro. Gewinner: ein Spielzeughersteller. Bis zum Saisonende werden Gegenspieler daher im „Teddybären- und Plüschstadion“geherzt. Wie viel Geld die Aktion einbrachte, ist unbekannt.
Der Name reiht sich ein in eine lustige Liste. Vorreiter Greuther Fürth tobte sich einst im PlaymobilStadion aus; Drittligist Duisburg beherbergt Gäste in der Schauinslandreisen-Arena; in den Niederlanden gehen Fußballfans ins BrainWash-Stadion von Den Bosch oder in den Adlerhorst von Deventer. Selbst gegen Misserfolg scheint das Wiener Marketing gefeit: Das Team spielt danach auf dem Friedhof der Kuscheltiere.