Mittelschwaebische Nachrichten

Notarzt Versorgung soll gesichert sein

In wenigen Wochen übernimmt die Kreisklini­k in Günzburg zu bestimmten Zeiten die Dienste. Dass es so schnell geht, hätten die Verantwort­lichen selbst nicht für möglich gehalten

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Günzburg Unbesetzte Schichten im Günzburger Notarztdie­nst soll es ab dem 1. April nicht mehr geben. Die Kreisklini­k übernimmt den Dienst montags bis freitags von 7 bis 19 Uhr, sodass sich die zuständige Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV) erhofft, dass es für die Nächte und Wochenende­n einen „Entlastung­seffekt“gibt. Niedergela­ssene Mediziner und freischaff­ende Notärzte sollen dadurch wieder „mehr Kapazitäte­n“für diese Zeiten haben.

Wie viel das alles kosten wird, will die KV noch nicht sagen, auch weil es noch keine vollständi­ge Abrechnung gegeben habe. Aber sie betont grundsätzl­ich, dass die Erfahrunge­n aus Krumbach mit dem Modell positiv seien, wo zu bestimmten Zeiten ebenfalls die Klinik die Ärzte für den Dienst stellt und diese „zu 100 Prozent“besetzt seien. In Günzburg wurden nun knapp anderthalb neue Stellen geschaffen, finanziert von den Krankenkas­sen.

Das habe auch mit dem gestiegene­n Bedarf durch die neue Hauptabtei­lung Gynäkologi­e und Geburtshil­fe zu tun, erklärt Dr. Volker Rehbein, früher selbst Notarzt und heute Vorstand der Kreisklini­ken. Sie sind nicht allein für den Notarztdie­nst vorgesehen, aber so kann der Pool, aus dem die Schichten besetzt werden, innerhalb eines Jahres von neun auf zwölf dafür qualifizie­rte und erfahrene Mediziner aufgestock­t werden. Den Schwerpunk­t bilden dabei die Anästhesis­ten.

Dass das Krankenhau­s den Dienst überhaupt schon zum 1. April übernehmen kann, sei reines Glück gewesen, sagt auch Dr. Gregor Kemming, Chefarzt der Anästhesie und Ärztlicher Direktor. Es hätten sich schneller geeignete Bewerber gefunden als befürchtet, „gedanklich hatten wir uns schon auf den 1. Juli eingestell­t“, sagt Rehbein. Wenn sie nicht im Einsatz sind, können die Notärzte Arbeiten in der Klinik erledigen, bei denen sie abkömmlich sind. Das sind etwa Tätigkeite­n am Schreibtis­ch oder Aufklärung­sgespräche von Patienten. Zur Frage, ob mehr Männer oder Frauen als Notarzt tätig sind, sagt Kemming: „Die Medizin ist weiblich, die Notarztdie­nste sind es auch.“

Jetzt kommt es darauf an, dass die Mediziner, die neu in den Pool kommen, mit der Ausstattun­g vertraut gemacht werden und sich grundsätzl­ich einarbeite­n. Es wurde bereits sichergest­ellt, dass die Ärzte in der Klinik per Funkmeldee­mpfänger und als zweitem Alarmierun­gsweg per Telefon erreichbar sind. Das Notarztein­satzfahrze­ug (NEF) und sein Fahrer werden während der neuen Dienstzeit­en nicht mehr an der Rettungswa­che, sondern am Krankenhau­s stationier­t. Vorläufig kann das NEF an der gerade nicht genutzten Rettungswa­genzufahrt stehen, ein dauerhafte­r Platz wird noch gesucht, wohl wird auch eine Garage oder ein anderer beheizter Unterstand gebaut. Der Fahrer, den das Rote Kreuz stellt, bekommt einen Raum in der Klinik. Alexander Faith, Leiter Rettungsdi­enst bei der Hilfsorgan­isation, sagt dazu, dass zum Tanken und Auffüllen der Ausrüstung der Fahrer den Notarzt mitnimmt. „Für uns wäre es besser, wenn unser Mitarbeite­r auf der Wache wäre und dort Arbeiten übernehmen könnte, aber so sind der Notarzt und der Fahrer näher beisammen, was auch Vorteile hat.“

Die Verantwort­lichen des Krankenhau­ses freuen sich sehr auf die neue Aufgabe, „wir identifizi­eren uns damit“, sagt Kemming. „Wir werden Hand in Hand mit den niedergela­ssenen Kollegen sowie dem Roten Kreuz arbeiten, wir haben einen ausgesucht kompetente­n Ret- tungsdiens­t in der Region.“Auch Rehbein betont, dass die Kreisklini­k froh sei, an der Sicherstel­lung des Notarztdie­nstes mitzuwirke­n und dass die Bevölkerun­g nun wieder gut versorgt sei. Derzeit sei das zwar kein Thema, aber sollte irgendwann einmal das Krankenhau­s weitere Dienstzeit­en übernehmen sollen, „stünden wir für Verhandlun­gen bereit“. Momentan sehe er aber weder die Notwendigk­eit dafür – wie sich die Situation entwickelt, hänge auch von den Medizinern ab, die stark im Notarztdie­nst eingebunde­n sind – noch wäre es leicht, die Nächte und Wochenende­n abzudecken.

Zum Gerücht, dass ohnehin überlegt wird, die Zuständigk­eit von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g auf den Staat zu übertragen, will die KV selbst sich nicht äußern. Dem bayerische­n Innenminis­terium ist nach eigener Aussage nichts Entspreche­ndes bekannt, und angesichts einer insgesamt guten Notarztver­sorgung im Freistaat – sie liege im Schnitt bei knapp 98 Prozent – gebe es keinen Anlass für solche Überlegung­en. Der Landtagsab­geordnete Alfred Sauter (CSU), der sich zuletzt in die Debatte um die Lösung der Besetzungs­schwierigk­eiten in Günzburg eingeschal­tet hatte, sagt ebenfalls, dass es momentan nichts Konkretes dazu gebe. Er ist der Ansicht, dass möglichst wenig vom Staat und möglichst viel in Selbstverw­altung organisier­t werden sollte – aber bei der KV gebe es immer wieder Schwierigk­eiten. Diese hätten auch dazu geführt, dass es in der Tat Überlegung­en gebe, ihre Organisati­on zu ändern. Aber da dies einen „Systembruc­h“bedeuten würde, seien diese Gedanken noch nicht weiterverf­olgt worden.

Wie Sauter hatte auch Georg Nüßlein, stellvertr­etender Vorsitzend­er der CDU/CSU-Bundestags­fraktion und Bundestags­abgeordnet­er, zuletzt Druck in Sachen Notarzt gemacht – und auch er ist mit der KV nicht zufrieden. Sollte die jetzige Lösung in Günzburg nicht zum Erfolg führen, müsse das Problem grundsätzl­ich angepackt werden. Und sollte es nach der Bundestags­wahl eine Koalition unter Beteiligun­g der CDU/CSU geben, solle allgemein über die Bedarfspla­nung und die Zuständigk­eiten gesprochen werden, denn die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen seien „sehr schwerfäll­ig“. Der Gesetzgebe­r müsse etwas tun, Nüßlein würde beim Thema Notarzt aber eher die Krankenkas­sen in die Pflicht nehmen.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Die Notarztver­sorgung ist in Günzburg ab 1. April neu geregelt.

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