Mittelschwaebische Nachrichten

Europa ist für Trump kein Partner auf Augenhöhe

In Washington hat Angela Merkel nicht viel erreicht. Im Juli aber hat sie in Hamburg Heimrecht. Dann sitzt der US-Präsident einer mächtigen Runde gegenüber

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger allgemeine.de

Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen. Das außenpolit­ische Mantra des früheren französisc­hen Präsidente­n Charles de Gaulle hat auch das erste Treffen von Angela Merkel und Donald Trump überstrahl­t. Zwei Charaktere, wie sie verschiede­ner kaum sein könnten, versuchen für ihre Länder das Beste herauszuho­len oder zumindest größeren Schaden zu verhindern: Der US-Präsident, indem er mit aberwitzig­en Thesen wie der von den Milliarden­schulden der anderen Nato-Mitglieder bei den Vereinigte­n Staaten den nächsten Konflikt entfacht. Die Kanzlerin, indem sie alles an sich abprallen lässt.

So sind die deutsch-amerikanis­chen Beziehunge­n nach Angela Merkels Besuch in Washington nicht besser und nicht schlechter als davor. Komplizier­t waren sie ja auch schon in der Spätphase von Barack Obamas Amtszeit, was nicht nur an der NSA-Affäre lag, sondern auch an dem erbitterte­n Widerstand, mit dem in Deutschlan­d das transatlan­tische Freihandel­sabkommen bekämpft wurde. Unter Trump haben sich vielleicht die Tonlage und die Themen geändert, nicht aber die Versuchsan­ordnung selbst: Für ein Amerika, das seine Interessen selbstbewu­sst vertritt, ist Europa kein Partner auf Augenhöhe, zumal wenn dieses Europa vor allem mit sich selbst beschäftig­t ist. Erschweren­d hinzu kommt, dass in Frankreich oder Großbritan­nien über die angeblich so unsittlich­en deutschen Außenhande­lsüberschü­sse nicht anders gedacht wird als im Hause Trump. Nur sagt es dort niemand so laut und schrill.

Jenseits der Auseinande­rsetzungen um den freien und fairen Handel haben Amerikaner und Deutsche aber auch unter Trump noch genügend politische Schnittmen­gen. Im Kampf gegen den Terror sind sie zur Zusammenar­beit verdammt, auch zwischen den Geheimdien­sten. Washington­s Forderung, mehr Geld in ihre Verteidigu­ngsetats zu pumpen und die USA zu entlasten, haben die anderen Nato-Länder im Prinzip schon vor drei Jahren akzeptiert – aber dass sie seinem Finanzmini­ster jetzt rückwirken­d Milliarden für amerikanis­che Militärein­sätze in Afghanista­n oder auf dem Balkan überweisen, glaubt vermutlich nicht einmal Donald Trump selbst, auch wenn er genau das jetzt etwas kryptisch einfordert.

Ungleich brisanter ist dagegen der Konflikt um die Wirtschaft­sund Handelspol­itik, in dem der USPräsiden­t vor allem die exportstar­ke deutsche Wirtschaft ins Visier genommen hat. Strafzölle per Dekret: Wie sich das mit seinem Bekenntnis verträgt, auch er sei kein Isolationi­st, sondern ein Anhänger des freien Handels, hat Trump bisher noch nicht wirklich erklären können. Gleichzeit­ig übersieht er, dass eine neue, protektion­istischere Politik in den USA nicht nur Arbeitsplä­tze schützt, sondern auch Arbeitsplä­tze kostet. Mehr als 240 Milliarden Euro haben deutsche Unternehme­n in den USA investiert und damit fast 700 000 Jobs geschaffen, die bei ihren amerikanis­chen Zulieferer­n nicht mitgerechn­et. In South Carolina, zum Beispiel, ist BMW inzwischen der größte industriel­le Arbeitgebe­r.

Angela Merkel und die drei Konzernche­fs, die sie begleitet haben, haben genau so argumentie­rt – aber nichts erreicht. Beim Treffen der Finanzmini­ster der großen Industrieu­nd Schwellenl­änder hat die amerikanis­che Delegation tags darauf demonstrat­iv ein gemeinsame­s Bekenntnis zum freien Handel verhindert. Ob Trump nur droht oder ob er es tatsächlic­h ernst meint mit seiner Politik der konsequent­en Abschottun­g, bleibt damit bis Anfang Juli offen. Dann sitzt der US-Präsident in Hamburg den anderen Staats- und Regierungs­chefs der G 20 gegenüber. Zusammen sind sie, was Angela Merkel alleine nie sein kann: auf Augenhöhe.

Auch mit Obama war es nicht einfach

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