Mittelschwaebische Nachrichten

Gut, dass es Pofalla nicht wird

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

In der deutschen Sprache gibt es das schöne Wort „Eigengewäc­hs“. Richard Lutz ist ein Manager, der aus den eigenen Reihen der Bahn stammt und durch Leistung im Konzern aufgestieg­en ist. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Rüdiger Grube, Hartmut Mehdorn, Johannes Ludewig und Heinz Dürr gilt er als Mann mit einem Gespür für Züge und Schienen – und das seit langem. Lutz stammt aus einer Eisenbahne­rfamilie und wurde schon 1994 Teil der Bahn-Familie.

Ein solches Eigengewäc­hs ist die richtige Wahl für den mit am schwierigs­ten zu regierende­n deutschen Konzern. Lutz kennt die Schwachste­llen der Bahn. Wer wie er so lange im Unternehme­n arbeitet, bringt eine zentrale Eigenschaf­t zur Führung des Riesen mit, nämlich Leidensfäh­igkeit. Wann immer ein Zug zu spät kommt oder eine Toilette defekt ist, der Bahn-Chef ist daran mitschuldi­g.

Kaum auszudenke­n, der leicht reizbare Bahn-Manager Ronald Pofalla wäre Chef des Konzerns geworden. Wie würde der Ex-CDUPolitik­er auf die Provokatio­nen von Kritikern reagieren? Seinen querdenken­den Parteifreu­nd Wolfgang Bosbach soll er jedenfalls mit „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“angeschnau­zt haben.

Dass Pofalla nicht Bahn-Boss wurde, hat er vor allem der politische­n Konstellat­ion vor der Bundestags­wahl zu verdanken. Der Union fällt zwar das Vorschlags­recht für den Posten des Bahn-Chefs zu. Die SPD verfügt aber über ein Veto, müsste also zustimmen. Doch die Sozialdemo­kraten haben kein Interesse an Mauschelei­en mit CDU und CSU. Denn ein Bahn-Chef Pofalla würde als Ausdruck eines egoistisch­en Politik-Establishm­ents empfunden, das Mitglieder mit gut dotierten Versorgung­s-Jobs belohnt. Daran haben weder Merkel noch ihr Herausford­erer Martin Schulz Interesse. Es ist gut, dass Pofallas weiterer Aufstieg bei der Bahn gestoppt wurde. Wenn Lutz falsche Weichen stellt, wird sein Name aber rasch wieder genannt.

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