Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Legende wird 80

Helmut Recknagel war der erste Olympiasie­ger. Es folgte ein bewegtes Leben

-

Berlin Allein sein Name lässt die Augen vieler Skisprung-Enthusiast­en leuchten. Helmut Recknagel war ein Idol, weit über die deutschen Grenzen hinaus. Er war der weltbeste Skispringe­r seiner Epoche, gewann alles, was es zu gewinnen gab, und ist noch heute ein gern gesehener Gast an vielen Schanzen der Welt. Heute feiert der Olympiasie­ger seinen 80. Geburtstag. Erst vor wenigen Tagen weilte Recknagel als Ehrengast am legendären Holmenkoll­en. Dort gewann er 1957 als Junior, mit einer Sondergene­hmigung am Start, als erster Nicht-Skandinavi­er. Für Recknagel war es gefühlt der größte Sieg seiner Laufbahn. „Wertvoller als mein Olympia-Gold 1960 in Squaw Valley, bedeutende­r als meine zwei WM-Titel, wichtiger als meine drei Gesamtsieg­e bei der Vierschanz­entournee“, sagt Recknagel.

Als Andreas Wellinger und Markus Eisenbichl­er in Lahti zu WMEdelmeta­ll sprangen, drückte Recknagel vor dem Fernseher die Daumen. Die Titelkämpf­e weckten Erinnerung­en an seine erste WM-Medaille 1958, die er an gleicher Stätte gewann. „Bei extrem starken Windböen, auf einem alten Holz-Anlaufturm bei minus 20 Grad und mit einer viel zu engen und dünnen Hose“, erzählt Recknagel. Vier Jahre zuvor hatte ihn Trainer Hans Renner bei einem Fußballspi­el abgeworben. Bis dahin wollte Recknagel den Weltmeiste­rn Fritz und Ottmar Walter aus Kaiserslau­tern nacheifern. Zwischen 1959 und 1963 war Recknagel unumschrän­kter Herrscher auf allen Schanzen der Welt. Doch 1964 kehrte er aus Innsbruck ohne das erhoffte olympische Edelmetall zurück. Platz sechs wertete die DDR-Sportführu­ng als Versagen. Der Sport-Held wurde gemobbt. Doch Generation­en von Schanzenpi­loten orientiert­en sich an ihm. „Ich habe ihm nachgeeife­rt, wollte so erfolgreic­h wie Helmut werden. Umso mehr, als er aus der gleichen Region wie ich kommt“, sagt Hans-Georg Aschenbach, der zweite deutsche Olympiasie­ger der Skisprung-Geschichte.

Das nach Laufbahnen­de begonnene Sportstudi­um in Leipzig brach Recknagel ab. Er war sich sicher, dass er kein guter Trainer werden würde. Zu ungeduldig, zu unduldsam, zu fordernd sei er gewesen. Er studierte stattdesse­n in Berlin Veterinärm­edizin und arbeitete nach erfolgreic­hem Abschluss als Fachtierar­zt für Lebensmitt­elhygiene in Fürstenwal­de. In den Wendezeite­n verlor Recknagel seinen Job. Ein Jahr lang schrieb er zahllose Bewerbunge­n, arbeitete bei einer Versicheru­ng, für ein Krankentra­nsportUnte­rnehmen und ein Berliner Sanitätsha­us, ehe er sich 1996 mit fast 60 Jahren selbststän­dig machte. Sein Sanitätsha­us, inzwischen auf acht Filialen ausgeweite­t, hat er mittlerwei­le in andere Hände übertragen. An seinem 80. Geburtstag will er mit Ehefrau Eva-Maria, mit der er seit 55 Jahren verheirate­t ist, seiner Tochter und den beiden Enkelkinde­rn vor zu vielen Gratulante­n

fliehen. (dpa)

 ??  ?? So wur de früher ge sprungen: Helmut Recknagel in Innsbruck.
So wur de früher ge sprungen: Helmut Recknagel in Innsbruck.
 ??  ?? Helmut Recknagel
Helmut Recknagel

Newspapers in German

Newspapers from Germany