Mittelschwaebische Nachrichten
Mit mehr als Tempo 100 gegen die Gartenmauer
Ein 18-Jähriger steht wegen einer folgenreichen Raserei durch Billenhausen vor dem Amtsgericht Günzburg
Günzburg Mit mehr als 200 Stundenkilometern jagt er über die Staatsstraße, mit immer noch 180 Sachen brettert er in die nächste Ortschaft und verliert schließlich innerorts bei mindestens Tempo 100 in einer Kurve die Kontrolle über das Auto. Was nach dem Drehbuch eines Actionfilms klingt, geschah so vergangen Sommer in Billenhausen. „Warum macht man so etwas?“, fragte Richter Walter Henle den 18-jährigen Angeklagten, der gestern vor dem Amtsgericht Günzburg der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs und der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gesprochen wurde.
Mit seinem Freund auf dem Beifahrersitz war der junge Mann aus dem südlichen Landkreis im August von Krumbach nach Billenhausen gerast – mit dem 240 PS starken Audi seines Vaters. Auf Höhe der Pizzeria in Billenhausen fuhr er immer noch mit mehr als Tempo 150. In der folgenden Linkskurve der Hauptstraße kam er nach rechts von der Fahrbahn ab, wo er über eine Bushaltestelle hinweg auf den Gehsteig rauschte. Schließlich rammte er mit dem Wagen eine Gartenmauer und ein Gartentor. Während der Fahrer körperlich unversehrt blieb, verletzte sich der Beifahrer an der Wirbelsäule und musste fast zwei Wochen lang im Zentralklinikum Augsburg behandelt werden: In mehreren Operationen wurden zwei Wirbel versteift. An Gartenmauer und -tor entstand ein Schaden von gut 2300 Euro.
„Ich verstehe nicht, warum man als Fahranfänger mit 240 PS und über 200 km/h über die Landstraße fährt“, sagte Henle und machte dem Angeklagten klar, er habe einen Schutzengel gehabt: „Sie könnten auch beim Landgericht sitzen wegen fahrlässiger Tötung.“Ob er sich sein Leben kaputt machen wolle, fragte der Richter den 18-Jährigen, der seinen Blick die meiste Zeit gesenkt hielt, sich für seine Tat entschuldigte und schließlich in Tränen ausbrach.
Er habe seinen Freund ablenken wollen, gab er an. Der habe ihn abends angerufen, weil er Ärger mit seiner Freundin und schlechte Laune gehabt hatte. Den Frust rauszufahren sei aber ein Fehler gewesen, räumte der junge Mann ein und weinte. Der Kontakt zu seinem Freund wurde ihm von dessen Familie untersagt. Warum der Vater seinem Sohn das Auto gegeben hat, konnte dieser auf Nachfrage des Richters nicht plausibel erklären. Sie seien öfter zusammen gefahren und beim begleitenden Fahren habe es nie Probleme gegeben, sagte er lediglich. Wie es auch sonst nie größere Probleme im Leben des 18-Jährigen gegeben hatte. Er stammt aus stabilen Familienverhältnissen, hat einen qualifizierten Hauptschulabschluss und hilft regelmäßig im elterlichen Betrieb mit. Momentan absolviert er eine Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. In der Schule wie in der Ausbildung hat er stets sehr gute Leistungen erbracht. Sogar seine Lehrzeit konnte er verkürzen. Sportlich ist er sehr aktiv, geht ins Fitnessstudio und spielt Fußball. Vorstrafen hat er keine. Das alles wurde ihm vor Gericht positiv angerechnet. Ebenso wie die Tatsache, dass er alle Vorwürfe einräumte und sich einsichtig zeigte. Der Anwalt des 18-Jährigen sowie die Staatsanwaltschaft und Richter Walter Henle waren sich einig, dass es sich um eine jugendtypische Tat handelte. Henle sah im Vergehen einen „Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis“und sprach vom „blöden Rasen, wenn man jung ist“.
Schließlich verwarnte er den Auszubildenden und entzog ihm für neun Monate die Fahrerlaubnis. Zusätzlich muss der 18-Jährige 600 Euro an die Stiftung Günztal zahlen. Ein Fahrsicherheitstraining hielt Henle außerdem für unerlässlich und erklärte, dass an einer medizinisch-psychologischen Untersuchung kein Weg vorbeiführe. „Sie haben sich selbst und ihren Freund in Gefahr gebracht“, appellierte der Richter abschließend nochmals an die Vernunft des jungen Mannes.
Vor allem für die Zeit nach der Ausbildung ist dieser auf den Führerschein angewiesen. Ob er ihn jemals wieder erhält, darüber wird die Fahrerlaubnisbehörde entscheiden.