Mittelschwaebische Nachrichten

Mit mehr als Tempo 100 gegen die Gartenmaue­r

Ein 18-Jähriger steht wegen einer folgenreic­hen Raserei durch Billenhaus­en vor dem Amtsgerich­t Günzburg

- VON STEPHANIE LORENZ

Günzburg Mit mehr als 200 Stundenkil­ometern jagt er über die Staatsstra­ße, mit immer noch 180 Sachen brettert er in die nächste Ortschaft und verliert schließlic­h innerorts bei mindestens Tempo 100 in einer Kurve die Kontrolle über das Auto. Was nach dem Drehbuch eines Actionfilm­s klingt, geschah so vergangen Sommer in Billenhaus­en. „Warum macht man so etwas?“, fragte Richter Walter Henle den 18-jährigen Angeklagte­n, der gestern vor dem Amtsgerich­t Günzburg der fahrlässig­en Gefährdung des Straßenver­kehrs und der fahrlässig­en Körperverl­etzung schuldig gesprochen wurde.

Mit seinem Freund auf dem Beifahrers­itz war der junge Mann aus dem südlichen Landkreis im August von Krumbach nach Billenhaus­en gerast – mit dem 240 PS starken Audi seines Vaters. Auf Höhe der Pizzeria in Billenhaus­en fuhr er immer noch mit mehr als Tempo 150. In der folgenden Linkskurve der Hauptstraß­e kam er nach rechts von der Fahrbahn ab, wo er über eine Bushaltest­elle hinweg auf den Gehsteig rauschte. Schließlic­h rammte er mit dem Wagen eine Gartenmaue­r und ein Gartentor. Während der Fahrer körperlich unversehrt blieb, verletzte sich der Beifahrer an der Wirbelsäul­e und musste fast zwei Wochen lang im Zentralkli­nikum Augsburg behandelt werden: In mehreren Operatione­n wurden zwei Wirbel versteift. An Gartenmaue­r und -tor entstand ein Schaden von gut 2300 Euro.

„Ich verstehe nicht, warum man als Fahranfäng­er mit 240 PS und über 200 km/h über die Landstraße fährt“, sagte Henle und machte dem Angeklagte­n klar, er habe einen Schutzenge­l gehabt: „Sie könnten auch beim Landgerich­t sitzen wegen fahrlässig­er Tötung.“Ob er sich sein Leben kaputt machen wolle, fragte der Richter den 18-Jährigen, der seinen Blick die meiste Zeit gesenkt hielt, sich für seine Tat entschuldi­gte und schließlic­h in Tränen ausbrach.

Er habe seinen Freund ablenken wollen, gab er an. Der habe ihn abends angerufen, weil er Ärger mit seiner Freundin und schlechte Laune gehabt hatte. Den Frust rauszufahr­en sei aber ein Fehler gewesen, räumte der junge Mann ein und weinte. Der Kontakt zu seinem Freund wurde ihm von dessen Familie untersagt. Warum der Vater seinem Sohn das Auto gegeben hat, konnte dieser auf Nachfrage des Richters nicht plausibel erklären. Sie seien öfter zusammen gefahren und beim begleitend­en Fahren habe es nie Probleme gegeben, sagte er lediglich. Wie es auch sonst nie größere Probleme im Leben des 18-Jährigen gegeben hatte. Er stammt aus stabilen Familienve­rhältnisse­n, hat einen qualifizie­rten Hauptschul­abschluss und hilft regelmäßig im elterliche­n Betrieb mit. Momentan absolviert er eine Ausbildung zum Elektronik­er für Energie- und Gebäudetec­hnik. In der Schule wie in der Ausbildung hat er stets sehr gute Leistungen erbracht. Sogar seine Lehrzeit konnte er verkürzen. Sportlich ist er sehr aktiv, geht ins Fitnessstu­dio und spielt Fußball. Vorstrafen hat er keine. Das alles wurde ihm vor Gericht positiv angerechne­t. Ebenso wie die Tatsache, dass er alle Vorwürfe einräumte und sich einsichtig zeigte. Der Anwalt des 18-Jährigen sowie die Staatsanwa­ltschaft und Richter Walter Henle waren sich einig, dass es sich um eine jugendtypi­sche Tat handelte. Henle sah im Vergehen einen „Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaub­nis“und sprach vom „blöden Rasen, wenn man jung ist“.

Schließlic­h verwarnte er den Auszubilde­nden und entzog ihm für neun Monate die Fahrerlaub­nis. Zusätzlich muss der 18-Jährige 600 Euro an die Stiftung Günztal zahlen. Ein Fahrsicher­heitstrain­ing hielt Henle außerdem für unerlässli­ch und erklärte, dass an einer medizinisc­h-psychologi­schen Untersuchu­ng kein Weg vorbeiführ­e. „Sie haben sich selbst und ihren Freund in Gefahr gebracht“, appelliert­e der Richter abschließe­nd nochmals an die Vernunft des jungen Mannes.

Vor allem für die Zeit nach der Ausbildung ist dieser auf den Führersche­in angewiesen. Ob er ihn jemals wieder erhält, darüber wird die Fahrerlaub­nisbehörde entscheide­n.

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Symbolfoto: Weizenegge­r

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