Mittelschwaebische Nachrichten

Die Rückkehr zum neunjährig­en Gymnasium ist ein Befreiungs­schlag

Der CSU fällt es immer noch nicht leicht, das G 8 aufzugeben. Denn das ist das Eingeständ­nis eines Fehlers. Schüler und Eltern aber dürfen sich Vorteile erhoffen

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger allgemeine.de

Wird jetzt alles gut am Gymnasium? Nun, es sieht zumindest so aus, als würde der CSU-Staatsregi­erung mit der Rückkehr zu einer neunjährig­en Gymnasialz­eit ein politische­r Befreiungs­schlag gelingen. Gerade noch rechtzeiti­g vor der Landtagswa­hl im kommenden Jahr kann die Regierungs­partei Schülern, Eltern und Lehrern ein Konzept für ein „neues bayerische­s Gymnasium“präsentier­en, das dem ungeliebte­n G8 seine größten Härten nimmt, aber gleichzeit­ig all jenen, die es wollen und können, weiterhin ein Abitur nach acht Jahren ermöglicht.

Die Vorteile für die Schüler sind offenkundi­g. Wer es bis zur zehnten Klasse schafft, der hat die Wahl. Reichen seine Leistungen, kann er die elfte Klasse überspring­en oder sich ein Jahr Zeit nehmen, um sich beruflich zu orientiere­n, Praktika zu machen oder seine Fremdsprac­henkenntni­sse bei einem Auslandsau­fenthalt zu vertiefen. Hat er noch Defizite, kann er die elfte Klasse nutzen, um sich eine bessere Basis fürs Abitur zu schaffen, ohne als Durchfalle­r dazustehen.

Der zweite große Vorteil ist die Reduzierun­g des Nachmittag­sunterrich­ts. Es wurde zu Recht als einer der größten Nachteile des G8 angesehen, dass jungen Leuten kaum noch Zeit bleibt für außerschul­ische Aktivitäte­n in Sportverei­nen oder in Jugendgrup­pen, für Musik oder für soziales Engagement. Das wird mit der Reform korrigiert.

Der dritte Vorteil ist die Ausweitung und Flexibilis­ierung des inhaltlich­en Angebots. Die politische Bildung (Geschichte, Sozialkund­e) soll ebenso gestärkt werden wie die Vorbereitu­ng auf die rasant zunehmende Digitalisi­erung der Arbeitswel­t (Informatik). Gleichzeit­ig soll es mehr Raum für die Vertiefung des Stoffs geben. Das neue G 9 verspricht, auf die sehr unterschie­dlichen Begabungen und Bildungsvo­raussetzun­gen des einzelnen Schülers flexibler reagieren zu können.

Dass es dennoch so lange gedauert hat, bis sich Staatsregi­erung und CSU-Fraktion zu einer neuerliche­n Gymnasialr­eform durchringe­n konnten, hat Gründe. Da ist zum einen der größte Nachteil, den diese Reform mit sich bringt: Sie kostet Geld, viel Geld. Rund 1000 zusätzlich­e Gymnasiall­ehrer müssen eingestell­t werden, Schulen müssen erweitert oder neu gebaut werden. Obendrein hat sich gezeigt, dass eine isolierte Reform des Gymnasiums nicht möglich ist, weil andere Schularten schon seit Jahren und sehr zu Recht auf ihre Probleme hinweisen und ebenfalls auf mehr Geld pochen. Insbesonde­re die Klagen von Förderschu­len und Berufsschu­len waren nicht mehr zu ignorieren. Das macht die Reform noch einmal teurer.

Zum anderen fällt es der CSU auch jetzt noch nicht leicht, die 14 Jahre alte Entscheidu­ng für das G 8 zu korrigiere­n, weil damit das Eingeständ­nis verbunden ist, einen Fehler gemacht zu haben. Verschärfe­nd kommt hinzu, dass viele Abgeordnet­e bis heute der Meinung sind, dass das G 8 mittlerwei­le weitgehend akzeptiert war, eine neue Reform also völlig unnötig sei. Aber seit der Testlauf an 47 Pilotschul­en ergeben hat, dass eine Mehrheit der Schüler und Eltern ein G 9 will, ist Widerstand zwecklos. Die Rückkehr zu neun Jahren war nur noch eine Frage der Zeit.

Jetzt kommt der Schritt von der Theorie zur Praxis. Das „neue bayerische Gymnasium“wird beweisen müssen, ob es halten kann, was es verspricht. Werden Realund Mittelschu­len gegen die attraktive Konkurrenz bestehen können? Wird die „Überholspu­r“zum Abitur nach acht Jahren funktionie­ren? Wird der sehnlich erhoffte Schulfried­en eintreten? Das Problem in der Bildungspo­litik ist: Die Wirkungen einer Entscheidu­ng zeigen sich erst nach Jahren.

Zum Schluss war jeder Widerstand zwecklos

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