Mittelschwaebische Nachrichten

Die Lehrerin der Nordlichte­r

Maggie MacDonnell unterricht­et in einer Inuit-Siedlung. Nun wurde sie mit dem Weltlehrer­preis ausgezeich­net. Weil sie für ihre Schüler mehr ist als nur Pädagogin

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Weltbeste Lehrerin oder Lehrer? Da hätte jedes Schulkind einen eigenen Vorschlag, wobei die angelegten Maßstäbe nicht unbedingt mit denen der Eltern übereinsti­mmen müssen: Frau Müller zum Beispiel, weil die keine Hausaufgab­en aufgibt… Ganz offiziell trägt den Titel seit einer Woche die Kanadierin Maggie MacDonnell. Die 36-Jährige unterricht­et in Salluit, einer Inuit-Gemeinde in der kanadische­n Arktis mit etwa 1300 Einwohnern, die nur mit dem Flugzeug zu erreichen ist. Und für die Bewohner dort ist sie weit mehr als eine Pädagogin.

Sie sei auch Trainerin, Mentorin und Motivatori­n, sagt Maggie MacDonnell: „Und für manche Schüler bin ich so etwas wie eine Elternfigu­r.“Wenn man es pathetisch­er ausdrücken möchte, könnte man auch sagen: Für nicht wenige ihrer Schüler ist Maggie MacDonnell die Rettung. Die Probleme der Jugendlich­en, die in einer der abgeschied­ensten Regionen der Welt aufwachsen, sind nämlich riesig. Und für viele nicht zu bewältigen. In zwei Jahren habe sie mehr als zehn Selbstmord­e erlebt. „Die Beerdigung­en meiner Schüler waren das Schlimmste, was ich je durchgesta­nden habe“, sagt MacDonnell.

Was aber kann eine einzelne Lehrerin ausrichten? Wie gegen eine hohe Suchtrate vorgehen, wie gegen den sexuellen Missbrauch von Mädchen und eine enorm hohe Anzahl von Teenager-Schwangers­chaften und was dagegenset­zen, wenn Jungen wie Mädchen die Perspektiv­en für die Zukunft fehlen? Sie läuft mit ihnen sprichwört­lich davon. MacDonnell, die zuvor fünf Jahre lang in mehreren afrikanisc­hen Ländern in Freiwillig­en-Projekten arbeitete, glaubt an die heilende Kraft des Sports. Sie trieb Geld auf, um ein Fitnesscen­ter einzuricht­en, gründete und trainiert seitdem eine Laufgemein­schaft und mit sieben ihrer Schüler reiste sie bis nach Hawaii – um dort an einem Halbmarath­on teilzunehm­en. Eines von nur vielen Projekten. In der Schule gibt es nun eine Gemeinscha­ftsküche, in der die Jugendlich­en sich selbst versorgen, die Schülerinn­en helfen in der Krippe bei der Betreuung der Kleinkinde­r, es gibt einen Selbstmord-Prävention­skurs. Und natürlich auch noch: Unterricht! Hausaufgab­en! „Meine Schüler bringen nicht nur ihre Sorgen hier in die Schule“, sagt MacDonnell, „sondern auch ihre Talente und Fähigkeite­n.“Sie bezeichnet ihre Schüler gerne als Nordlichte­r: „Und ich möchte, dass sie ebenso tanzen und leuchten.“Beworben hatten sich für den Global Teacher Prize der Varkey-Stiftung 20000 Lehrer aus 179 Ländern. Mit dem Preisgeld von einer Million Dollar finanziert MacDonnell nun auf regionaler Ebene das nächste Projekt: Sie wolle die Liebe der jungen Inuit zu ihrem Land wiedererwe­cken, ihnen dabei helfen, Verantwort­ung für ihre von der Erderwärmu­ng bedrohte Umwelt zu übernehmen. Was man eben so macht als eine von tausenden weltbesten Lehrern und Lehrerinne­n. Stefanie Wirsching

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Foto: afp

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