Mittelschwaebische Nachrichten

Der Niedergang von Cruyffs Erben

Über Jahrzehnte spielten die Niederländ­er weltweit den schönsten Fußball. Doch nun scheint erstmals die Quelle an Talenten zu versiegen. Aber warum eigentlich?

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einem 0:2 gegen Bulgarien weit von der Qualifikat­ion zur Weltmeiste­rschaft in Russland entfernt. Mit Danny Blind wurde mal wieder ein Trainer entlassen.

Noch ohne einen neuen Chef unterlagen die Niederländ­er gestern Abend in Amsterdam mit 1:2 in einem Freundscha­ftsspiel auch gegen Italien. Auf der Trainerban­k saß Blinds bisheriger Assistent Fred Grim, der das Oranje-Team einmalig betreute. Die Gastgeber gingen durch ein Eigentor von Alessio Romagnoli in Führung. Danach schossen Eder und Leonardo Bonucci den Sieg für Italien heraus.

Auf Klubebene bewegen sich die niederländ­ischen Mannschaft­en auf derselben Ebene wie Teams aus der Schweiz oder Zypern. Zwischen 2007 und 2016 schaffte es kein Team ins Achtelfina­le der Champions League.

Dabei hat sich im Vergleich zu den so erfolgreic­hen Jahrzehnte­n zuvor gar nicht so viel geändert. Außer, dass die Konkurrenz aufgeholt und überholt hat. In den 70er und 80er Jahren war die holländisc­he Talentförd­erung einzigarti­g. Vor allem in den Jugendmann­schaften von Ajax Amsterdam wurden die Kinder ausgezeich­net am Ball ausgebilde­t. Die Niederländ­er erkannten als Erstes, dass es von Vorteil sein kann, wenn die Zwölfjähri­gen schon ein ähnliches System spielen wie die Profis. Wo in Deutschlan­d Papas Zehnjährig­e um den Platz scheuchten, dribbelten und passten die holländisc­hen Kinder unter qualifizie­rter Anleitung.

Ajax Amsterdam dominierte zu Beginn der 70er Jahre den Vereinsfuß­ball. Die Nationalma­nnschaft hatte die WM-Titel 1974 und 1978 verdient – auch wenn sie letztlich leer ausging. Johan Cruyff war der überragend­e Spieler einer kompletten Dekade. Auf die Ausnahmeer­scheinung folgten später Gullit, van Basten, Rijkaard und der EM-Titel 1988. Louis van Gaal führte ein Ajax-Team um Davids, Seedorf und Kluivert 1995 zum ChampionsL­eague-Titel. Die Talente-Quelle schien nie zu versiegen. Bergkamp, Robben, van Persie, Sneijder. Cruyff beeinfluss­t mit seiner Arbeit als Trainer des FC Barcelona noch heute den Fußball. Ein gewisser Pep Guardiola lernte von ihm und beruft sich immer wieder auf die 2016 gestorbene Ikone. Die verpasste WMQualifik­ation 2002? Ein Betriebsun­fall. Der sich 2016 mit dem Verpassen der EM wiederholt­e. Und nun erneut droht. Island und Wales reüssierte­n dafür bei der Europameis­terschaft. Länder, die ihre Nische gefunden haben.

Dabei kicken in Holland immer noch reichlich Talente. Wegen der Erfolglosi­gkeit im Europapoka­l sind die Teams aber darauf angewiesen, ihre jungen Spieler früh zu Geld zu machen. Oftmals zu früh. Die Jungstars sind nicht fertig ausgebilde­t und sitzen oftmals auf den Bänken zahlungskr­äftiger internatio­naler Mittelklas­seklubs.

Hinter Robben und Sneijder klafft im Nationalte­am ein großes qualitativ­es Loch. Noch ist nicht abzusehen, wie und wann es gefüllt werden soll. Immerhin verdeckt nichts den Blick auf die Probleme. Keine glückliche­n Erfolge. Keine Berge.

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Foto: Imago Johan Cruyff prägte den Fußball sowohl als Spieler wie auch als Trainer. Er führte als kickender Akteur Ajax Amsterdam zu ungeahnten Höhen. Als Coach gewann er mit dem FC Barcelona erstmals die Champions League. Seine Landsleute hingegen sind von...

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