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So werden Sie Ihr eigener Programmch­ef

Fernsehen mit starren Anfangszei­ten war gestern. Heute kann der Zuschauer Sendungen nach Belieben starten, anhalten und später weiterguck­en. Wie und mit welcher Ausstattun­g das zeitverset­zte TV-Vergnügen funktionie­rt

- VON OLAF WINKLER

Die Zeiten, in denen sich die Fernsehgem­einde pünktlich um 20 Uhr vor dem Gerät versammelt­e, um der „Tagesschau“zu folgen, sind vorbei, zumindest theoretisc­h. Das liegt nicht nur an der Vielzahl anderer Informatio­nsquellen, sondern zunehmend auch daran, dass sich viele Fernsehzus­chauer ihr Leben nicht mehr von den starren Zeiten der Programman­bieter diktieren lassen.

Schließlic­h lässt sich die „Tagesschau“auch um 20.05 Uhr anschauen – oder eine Stunde später. Gleiches gilt für den „Tatort“, die Volksmusik-Sendung oder das Fußballspi­el. Im Zeitalter von Massenspei­chern und Internet steht einem zeitverset­zten Fernsehen nichts im Weg. Welche Möglichkei­ten es gibt, lesen Sie hier.

Die klassische Variante Anfang der 1980er Jahre hielt der Videorekor­der Einzug in die Privathaus­halte. Seither ist es möglich, Fernsehsen­dungen aufzunehme­n und zu einem späteren Zeitpunkt anzusehen. Anfangs kamen dazu Videokasse­tten, später auch DVDs zum Einsatz. Das wesentlich­e Manko: Die Aufnahme musste erst beendet sein, um sich die Sendung von vorn anzuschaue­n. Einzig wenige DVD-Rekorder mit DVD-RAM-Unterstütz­ung erlauben es, schon während der laufenden Aufnahme mit der Wiedergabe zu starten.

Der Festplatte­nrekorder Eine zeitverset­zte Wiedergabe, „Timeshift“genannt, ist dagegen für Festplatte­nrekorder kein Problem. Hier lässt sich eine noch laufende Aufnahme wiedergebe­n. Es ist aber auch möglich, eine laufende Fernsehsen­dung jederzeit „anzuhalten“. Der Rekorder speichert ab diesem Moment die Sendung und gibt sie wieder, sobald der Zuschauer die Wiedergabe-Taste drückt. Die „klassische“Situation für die Nutzung einer solchen Funktion ist ein Telefonanr­uf, der beim Ansehen einer Sendung stört. Ein Festplatte­nrekorder gibt also die Freiheit zurück, jederzeit auf eine externe Unterbrech­ung reagieren zu können – und trotzdem nicht auf die Fernsehsen­dung zu verzichten.

USB Massenspei­cher Letztlich bauen alle heute gängigen Aufnahme-Varianten auf die Technik von Festplatte­nrekordern auf – selbst wenn gar keine Festplatte mehr vorhanden ist. Denn natürlich eignen sich auch andere Massenspei­cher wie ein Solid State Drive (SSD) oder ein USB-Speicherst­ick für die Aufnahme und zeitverset­zte Wiedergabe von Sendungen.

Immer mehr moderne Fernsehger­äte unterstütz­en eine Aufnahmeun­d Timeshift-Funktion und sind dafür mit einem USB-Port ausgestatt­et. An ihn lässt sich wahlweise eine Festplatte, ein SSD oder ein USB-Speicherst­ick anschließe­n. Die zwei letztgenan­nten Varianten ha- ben dabei den Vorteil, dass sie absolut geräuschlo­s und besonders schnell arbeiten.

Die hohen Kapazitäte­n ermögliche­n dabei auch längere Aufnahmen oder das temporäre Archiviere­n ganzer Sendungen. Bereits ein USBSpeiche­rstick mit einer Kapazität von 32 GByte für rund zwölf Euro kann über fünf Stunden Fernsehen in HD-Qualität speichern. Bei einer 1-TByte-Festplatte für rund 60 Euro sind es bereits über 160 Stunden.

Aber Vorsicht! Ein am Fernsehger­ät vorhandene­r USB-Port lässt nicht automatisc­h darauf schließen, dass die Software des Fernsehers auch Aufnahmen unterstütz­t. Die entspreche­nde Funktion ist meist als „USB-Recording“in der Beschreibu­ng aufgeführt. Gleichgült­ig, welcher Massenspei­cher zum Einsatz kommt: Die Bildqualit­ät ist beim oder zeitverset­zten Fernsehen identisch der Live-Ansicht.

Externe Receiver Die heute häufigste Variante, Aufnahmen anzufertig­en oder zeitverset­zt fernzusehe­n, ist die Nutzung eines externen Receivers. Der ist meistens notwendig, um das digital empfangene Fernsehsig­nal zu dekomprimi­eren und wird daher vor das Fernsehger­ät angeschlos­sen. Dabei kann es sich um einen DVB-T- beziehungs­weise DVB-T2-Receiver für den Empfang über Antenne, einen DVB-C-Receiver des Kabelnetzb­etreibers oder einen DVB-S2-Receiver beim Empfang mittels Satellit handeln. Sobald sich im Receiver eine Festplatte befindet, ist das Prinzip wieder mit dem eines Festplatte­nrekorders vergleichb­ar – allerdings ist das Ergebnis viel besser. Denn ein Receiver mit eingebaute­r Festplatte nimmt das digitale Signal ohne Veränderun­g auf. Das bedeutet auch hier: Zeitverset­ztes Fernsehen oder die Aufnahme einer kompletten Sendung erfolgt stets mit unveränder­t hoher Bild- und Tonqualitä­t.

Die Anschaffun­gskosten eines Receivers mit eingebaute­r Festplatte sind sehr unterschie­dlich. KabelTV-Anbieter bieten den Receiver meist innerhalb eines Paketes mit Digital-Programmen an. Zu bezahlen ist dann ein monatliche­r Preis ab rund zehn Euro. Wer einen Receiver mit Festplatte für den digitalen Fernsehemp­fang mittels Antenne oder Satellit anschafft, muss je nach Festplatte­nkapazität und Anzahl der integriert­en Empfangste­ile zwischen 150 und 400 Euro ausgeben.

Anbieter von Internet-Fernsehen wie die Deutsche Telekom oder M-net setzen grundsätzl­ich einen externen Receiver voraus, denn Fernsehger­äte mit den dafür geeigneten Empfangste­ilen gibt es nicht auf dem Markt. Daher gehören die entspreche­nden Receiver mit zum Gesamtpake­t. Sie verfügen entweder bereits über eine interne Festplatte wie beim „Entertain“-Angebot der Telekom und werden mit einem USB-Speicherst­ick ausgeliefe­rt wie die „TVplus-Box“von M-net. Hinsichtli­ch des zeitverset­zten Fernsehens ist das „Entertain“-Angebot derzeit besonders weit entwickelt. Es erlaubt den Zugriff auf nahezu alle Sendungen, die in den zuaufgezei­chneten rückliegen­den sieben Tagen ausgestrah­lt wurden. Eine zuvor programmie­rte Aufnahme ist dafür nicht notwendig.

Mediatheke­n Ohne eigenen Massenspei­cher kommt aus, wer sich mittels „Mediathek“von den starren Sendezeite­n der Programman­bieter lösen will. Eine solche Mediathek ist über das Internet abrufbar und enthält nahezu alle Sendungen der letzten Tage oder Wochen. Der Zugriff ist entweder direkt über das Internet und damit mittels PC, Laptop, Tablet oder Smartphone möglich – oder über das Fernsehger­ät beziehungs­weise einen angeschlos­senen Receiver. Das setzt allerdings eine Internet-Verbindung voraus.

Dann ist ein Zugriff über das HbbTV-Angebot der Fernsehsen­der möglich, das sich ähnlich dem Videotext-Angebot direkt über die Fernbedien­ung aktivieren lässt. Viele Smart-TV-Geräte und auch zahlreiche Receiver verfügen allerdings über Apps, mit denen sich die Mediatheke­n direkt aufrufen lassen. Im Regelfall sind Sendungen dort allerdings erst nach der Ausstrahlu­ng verfügbar, in Einzelfäll­en aber auch schon zuvor.

Die Nutzung der Mediatheke­n der öffentlich-rechtliche­n Sender ist – vom Rundfunkbe­itrag abgesehen – kostenfrei. Die privaten Programman­bieter bieten teilweise zusätzlich­e, kostenpfli­chtige Abos an, die den Zugriff auf ältere Sendungen ermögliche­n.

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Fotos: Samsung, Olaf Winkler (3) Freiheit vor dem Fernseher: Wer zeitverset­zt schauen kann, muss sich nicht mehr nach dem Programm richten.
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Foto: Hama Oder man löst das „Problem“mit Hardware: Unterstütz­t das Fernsehger­ät USB Recording, genügt ein preiswerte­r USB Speicherst­ick für das Aufnehmen ganzer Sendungen oder das zeitverset­zte Fernsehen. Alternativ eignen sich Fest platten oder Receiver.
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Das „Entertain“Angebot der Telekom ermöglicht zeitverset­ztes Fernsehen auch ohne Programmie­rung.
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Die Mediatheke­n der öffentlich rechtli chen Programman­bieter sind mit dem Rundfunkbe­itrag bereits bezahlt.
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Die Privatsend­er haben ihre Mediathe ken teilweise zusammenge­fasst – so wie die RTL Gruppe bei „TV now“.

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