Mittelschwaebische Nachrichten
„Wir kämpfen und beißen uns durch“
Geschenke König gehört zu den letzten Geschäften im Zentrum von Jettingen. Warum die Inhaber einen Umbau gewagt haben
Jettingen Scheppach Für die Königs war es ein Schock: Die beiden Traditionsgeschäfte Rauner in Thannhausen und Hofmeister in Krumbach, wie die Königs selbst im Geschenk-Artikel-Segment tätig, mussten nacheinander wegen mangelnden Kundenzulaufs schließen (wir berichteten). Auch das Ehepaar König, das neben einer Glaserei seit Jahrzehnten einen Laden in der Jettinger Hauptstraße betreibt, spielte nach dem schlechten Weihnachtsgeschäft mit dem Gedanken, einen Schlussstrich zu ziehen. Doch Marion König wollte nicht hinschmeißen, was sie mühevoll aufgebaut hatte. Stattdessen krempelten sie und ihr Mann die Ärmel hoch, bauten um und wagen jetzt mit einem neuen Sortiment einen Neuanfang.
Der Name König ist in JettingenScheppach kein unbekannter. Seit 88 Jahren betreibt die Familie eine Glaserei – Diethard König, 50, ist mittlerweile in dritter Generation tätig. Vor 68 Jahren kam ein Glasund Porzellan-Laden in der Hauptstraße hinzu. Marion König baute ihn zu Beginn der 2000er-Jahre um. Sie sortierte die Haushaltswaren aus und konzentriert sich seitdem auf Wohn- und Dekoaccessoires. Eine komfortable Stammkundschaft hat sie sich aufgebaut, trotzdem brechen ihr seit einigen Jahren immer mehr Kunden weg. Eine Teilzeitkraft musste sie deshalb schon im vergangenen Jahr entlassen. Auf ihre Verkäuferin und „DekoQueen“Carola Pauler wollte König aber nicht verzichten. Die 45-Jährige gibt zu: „Ohne unseren Handwerksbetrieb würde sich der Laden nicht tragen.“
Nicht nur das Internet setzt ihr massiv zu, sondern vor allem das Aussterben der Einzelhändler im Ortskern Jettingens. Immer mehr Geschäfte geben auf, seitdem das Modehaus Walburger schräg gegenüber von den Königs im Jahr 2015 geschlossen hat, fehle ihr erst recht die Laufkundschaft. Wie Marion König sagt, gehöre sie neben einem Blumenladen-, Trachtenmodenund Elektrogeschäft zu den letzten Einzelhandelsvertretern im Ort. An Marktsonntagen sei ihr Geschäft sogar das einzige, das geöffnet habe. Die kürzlich getroffene Aussage von Bürgermeister Hans Reichhart, dass Jettingen tot sei, kann Marion König nur unterstreichen. „Welcher Einzelhändler will denn noch hierherkommen und investieren?“
Erst recht nicht mehr, seit 2014 im Scheppacher Gewerbegebiet ein Outlet nach dem anderen öffnet und jetzt auch noch der Bauantrag für sechs weitere Geschäfte den Bauausschuss passierte. Die Outlets könne und wolle sie nicht aufhalten, aber wer dort einkaufe, mache keinen Abstecher mehr ins Ortszentrum, bedauert König. „Wer das Gegenteil sagt, betreibt Schönfärberei.“
Weil die Kunden fehlten, schloss Ende vergangenen Jahres schon das Geschäft Rauner in Thannhausen. Erst seit Beginn dieses Monats läuft der Räumungsverkauf beim Porzellan-, Haushaltswaren- und Geschenkartikelgeschäft Hofmeister in Krumbach – nach 124 Jahren kam das Aus. Bei Marion König brach das Weihnachtsgeschäft ebenfalls so ein, dass sie sich vor dem Ende wähnte. „Wer rote Zahlen schreibt, braucht nicht weitermachen“, erzählt ihr Ehemann Diethard. „Wir hatten innerlich schon abgeschlossen.“Ihren Lieferanten teilten die Königs mit, dass es keine Frühjahrsbestellung mehr gebe.
Was hat dann die plötzliche Wende gebracht? Ein Geschäftsmann sei „schuld“gewesen. Er habe die 45-jährige Familienmutter gerade heraus gefragt, ob sie wirklich gedacht habe, mit diesem Laden bis zu ihrer Rente weiterzumachen. Ein Satz, der Marion König direkt ins Herz traf, aber auch ihren Ehrgeiz weckte. Sie habe darüber geschlafen und gemerkt, dass es so wie in der Vergangenheit nicht weitergehen könne. Entweder sie verändere den Laden oder sie müsse ihn schließen. Am nächsten Tag beschloss sie: „Wir kämpfen und beißen uns durch.“Ein alteingesessenes Geschäft dürfe sie nicht einfach aufgeben. Zumal sie und ihr Mann erst 2014 das gesamte Gebäude, das ihnen selbst gehört, für viel Geld von Grund auf saniert hatten.
Jetzt nahm das Paar wieder Geld in die Hand, holte sich auf einer
Das Weihnachtsgeschäft brach massiv ein Viel Geld in die Sanierung des Gebäudes gesteckt
Messe Anregungen, modernisierte weitgehend in Eigenarbeit den Laden und erweiterte das Sortiment. Neben Geschenke- und Dekorationsartikeln finden Kunden jetzt auch hochwertige Weine, Kaffee, Bio-Schokolade, Öle und Kräutermischungen. Marion König zufolge handelt es sich ausschließlich um Produkte, die es in keinem Supermarkt zu kaufen gibt. „Nur mit Besonderheiten können wir uns abheben.“Der Umbau hat sich den Königs zufolge schon positiv bemerkbar gemacht. Nicht nur beim ersten Marktsonntag in diesem Jahr sei der Zulauf sehr groß gewesen. Marion König sieht sich bestätigt: „Nur wer mal etwas Neues ausprobiert, kann gewinnen.“Sie wolle damit anderen Mut machen, sie aufrütteln.