Mittelschwaebische Nachrichten

Ist der AfD Höhenflug vorbei?

Die Umfragewer­te der Partei haben sich innerhalb weniger Monate halbiert. Was den Rechtspopu­listen schadet und weshalb Frauke Petry kürzlich die Tränen kamen

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Und dann verliert sie die Beherrschu­ng. Frauke Petry weint. Die AfD-Chefin, die sonst oft hart und kühl wirkt, bricht während des Landespart­eitags in Sachsen auf dem Podium in Tränen aus, nachdem sie von den eigenen Leuten scharf attackiert worden war. Nun sollte man in solche Bilder nicht zu viel hineininte­rpretieren. Und doch stehen sie für die Situation der Partei. Ein halbes Jahr vor der Bundestags­wahl ist es nicht mehr ausgeschlo­ssen, dass der zerstritte­nen AfD noch die Luft ausgeht.

Das Problem beginnt an der Spitze: Die beiden Vorsitzend­en Frauke Petry und Jörg Meuthen trauen sich nicht über den Weg. In vielen Landesverb­änden toben Kämpfe um die Frage, wie rechts man denn nun sein will. Und die Umfragen – so sehr sie mit Vorsicht zu genießen sind – zeigen einen klaren Abwärtstre­nd. Nach der Saarland-Wahl sprach CSU-Chef Horst Seehofer aus, was vor ein paar Monaten noch wie das berühmte Pfeifen im Walde geklungen hätte: „Es kann sein, dass die AfD nicht in den Deutschen Bundestag einzieht.“Klar, da spielt auch Wunschdenk­en mit. Aber es gibt durchaus plausible Gründe, warum die AfD an Rückhalt verliert.

Ein Blick auf die Zahlen: Wäre im September Bundestags­wahl gewesen, hätten die Rechtspopu­listen locker ein zweistelli­ges Ergebnis geholt. In einer Forsa-Umfrage lagen sie bei 14 Prozent und damit unangefoch­ten auf dem dritten Platz hinter Union und SPD. Ein halbes Jahr später hat sich der Wert halbiert. Aktuell liegt die AfD bei sieben Prozent. Was also ist in der Zwischenze­it passiert? Einer der entscheide­nden Faktoren ist die Flüchtling­ssituation. Die Wiederaufe­rstehung der einstigen Anti-Euro-Partei begann im Herbst 2015, als Tag für Tag tausende Menschen weitgehend unkontroll­iert nach Deutschlan­d kamen. Die Große Koalition hatte damals keinen Plan, wie sie mit dem Zustrom von Asylbewerb­ern umgehen sollte. Die AfD hatte im Prinzip auch keinen: Sie war einfach dagegen. Doch seit die Regierung ihren Kurs korrigiert hat, seit die Balkanrout­e dicht ist und der Druck auf Deutschlan­d erst mal nachgelass­en hat, wenden sich viele Protestwäh­ler wieder von der AfD ab. Und solange sich die Situation nicht wieder verschärft, wird das wohl so bleiben.

Hinzu kommt, dass das Rennen um die Kanzlersch­aft mit der Kandidatur von Martin Schulz plötzlich offen erscheint. Die Zuspitzung auf zwei große Lager macht allen kleinen Parteien zu schaffen. Konservati­ve, die aus Enttäuschu­ng über Angela Merkels Flüchtling­spolitik die AfD unterstütz­en wollten, fürchten nun, dass sie damit die Chancen auf einen SPD-Kanzler erhöhen. Mit dem „Schreckges­penst“einer linken Regierung hat die Union gerade im Saarland gepunktet. Und sie wird es auch im Bundestags­wahlkampf versuchen: „Wir müssen klarmachen, dass Stimmen für die AfD kontraprod­uktiv sind“, sagte der CSU-Politiker Markus Söder kürzlich im Gespräch mit unserer Zeitung.

Nicht auszuschli­eßen, dass auch Donald Trump den einen oder anderen Deutschen ins Grübeln gebracht hat. Der US-Präsident zeigt schließlic­h, wie es aussehen kann, wenn Populisten regieren. Doch es sind nicht nur äußere Einflüsse, die der AfD schaden. Dass sie sich nicht klar von rechtsradi­kalen Tendenzen lossagt, schreckt potenziell­e Wähler ab. Petry musste dabei zuletzt einige Niederlage­n einstecken. Sie scheiterte mit ihrem Plan, den Rechtsauße­n Björn Höcke rauszuwerf­en. Und auch die bayerische AfD fiel der Chefin in den Rücken. Bei der Aufstellun­g der Landeslist­e für die Bundestags­wahl fiel ihr Wunschkand­idat durch. Eine Demütigung, von der Petry erfahren haben soll, kurz bevor ihr die Tränen kamen.

Zum zweiten Mal in ihrer kurzen Geschichte steht die AfD vor einer Richtungse­ntscheidun­g. Zum zweiten Mal steht Petry im Mittelpunk­t. Im Sommer 2015 setzte sie sich durch. Parteigrün­der Bernd Lucke wurde davongejag­t. Die AfD rückte nach rechts. Einen weiteren Rechtsruts­ch will ausgerechn­et nun Petry verhindern. Ob sie auch diesen Machtkampf gewinnt, ist offen.

Die Frage lautet: Rückt die AfD weiter nach rechts?

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Denkzettel für die Etablierte­n: Das war das Motiv vieler AfD Wähler. Ob dieses Prinzip auch im Bundestags­wahlkampf funktionie­rt, ist offen.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa Denkzettel für die Etablierte­n: Das war das Motiv vieler AfD Wähler. Ob dieses Prinzip auch im Bundestags­wahlkampf funktionie­rt, ist offen.

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