Mittelschwaebische Nachrichten

Mit Seehofer gegen die CSU Fraktion

Die Opposition nutzt den Streit in der Regierungs­partei, um gegen die Reform des Kommunalwa­hlrechts mobil zu machen. Die Christsozi­alen tun so, als wäre nichts gewesen

- VON ULI BACHMEIER

München Ärger? Welcher Ärger? Erst zwei Wochen ist es her, dass Ministerpr­äsident Horst Seehofer und seine CSU-Fraktion im Landtag sich kräftig in die Haare gerieten. Da war der hinhaltend­e Widerstand der Fraktion gegen die Rückkehr zu einem neunjährig­en Gymnasium. Und da war der Plan der CSU, das Kommunalwa­hlrecht zu ihren Gunsten zu ändern. Beides erzürnte den Regierungs­chef.

Seehofer machte seiner Verärgerun­g, wie berichtet, im Streit ums Kommunalwa­hlrecht Luft. Sie gipfelte in bitteren Sätzen gegen die eigenen Abgeordnet­en. Er warf ihnen im Kern vor, Vertrauen bei den Bürgern zu verspielen und verantwort­ungslos zu handeln. Ein offener Machtkampf schien unausweich­lich. Doch als gestern der Landtag wieder zusammentr­at, hatten sich die Fronten schon wieder verschoben. Die CSU-Abgeordnet­en präsentier­ten sich in Seehofers Abwesenhei­t in aufgeräumt­er Stimmung – so, als wäre nichts gewesen. Einzig die Opposition störte den Burgfrie- den. Genüsslich rieben SPD, Freie Wähler und Grüne der CSU unter die Nase, was ihnen der Ministerpr­äsident ins Stammbuch geschriebe­n hatte. Der SPD-Abgeordnet­e Harry Scheuenstu­hl forderte den abwesenden Seehofer auf: „Sie müssen dafür sorgen, Herr Ministerpr­äsident, dass Ihre Partei wieder vernünftig wird.“

Für einige Entspannun­g, das zeigte sich bereits am Vormittag am Rande der Fraktionss­itzung, hatte in der CSU die Einigung über die Reform des Gymnasiums gesorgt. Der dicke Brocken sei aus dem Weg geräumt, hieß es. Auch die G 9-Skeptiker hätten verstanden, dass das G 8 nicht mehr zu verteidige­n sei. Und dass ein Bildungspa­ket geschnürt werde, das auch anderen Schularten zugutekomm­t und auch ausreichen­d finanziert sei, hat offenbar die letzten Kritiker überzeugt. „Es gibt jetzt wirklich ein klares Zeichen, dass es eben nicht nur um Gymnasium geht“, sagte Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner und fügte hinzu: „Ich hoffe, dass jetzt Frieden herrscht.“

Den ungeklärte­n Streit um die Reform des Kommunalwa­hlrechts hätte die CSU vermutlich am liebsten totgeschwi­egen. Bereits vor zwei Wochen hatten die Grünen der Regierungs­fraktion den Gefallen getan, eine Anhörung zu fordern. Damit war das heikle Thema eigentlich erst einmal verschoben. Freie Wähler und SPD aber setzten es gestern erneut auf die Tagesordnu­ng der Plenarsitz­ung. „Machtmissb­rauch stoppen“lautete der Titel des Antrags der Freien. „Den Wählerwill­en ernst nehmen“, forderte die SPD. Und prompt wurde in der Debatte deutlich, dass die CSU-Fraktion den Plan, das Auszählver­fahren für die Kommunalwa­hl erneut zu ändern, offenbar noch nicht ganz aufgegeben hat.

Josef Zellmeier, der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der CSU, räumte zwar ein, dass das derzeitige Verfahren („Hare-Niemeyer“) gerechter sei als das von der CSU geforderte Verfahren („d’Hondt“). Er beharrte aber darauf, dass einer „Zersplitte­rung“in viele kleine Gruppierun­gen und Parteien in den Bezirks- und Kreistagen, Stadt- und Gemeinderä­ten entgegenge­treten werden müsse. Diese Zersplitte­rung und der Ärger mit extremen Gruppierun­gen treffe alle Parteien, nicht nur die CSU. Zellmeier rief die Opposition dazu auf, erst einmal die Anhörung abzuwarten.

SPD, Freie Wähler und Grüne allerdings lehnen eine Rückkehr zum Verfahren nach d’Hondt kategorisc­h ab. Dass die CSU es vor sieben Jahren auf Druck des Koalitions­partners FDP abgeschaff­t habe und es jetzt mit absoluter Mehrheit gleich wieder einführen wolle, sei „Machtmissb­rauch“, sagte Joachim Hanisch (Freie Wähler). Der SPDAbgeord­nete Scheuenstu­hl nannte die CSU „überheblic­h und machthungr­ig“. Ihr einziges Ziel sei, ihre Macht in den Kommunen zu zementiere­n. Der Grünen-Abgeordnet­e Jürgen Mistol warf der CSU vor, das Thema für ihre „fraktionsi­nternen Machtspiel­e“auszunutze­n und ein „Schmierent­heater“aufzuführe­n.

Die Anträge von SPD und Freien Wählern lehnte die CSU mit ihrer Mehrheit ab. Der Ärger ist damit weiterhin nur aufgeschob­en.

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