Mittelschwaebische Nachrichten

Auch Retter brauchen Hilfe

Konzept Ichenhause­n macht sich stark für eine psychosozi­ale Notfallver­sorgung für Feuerwehrl­eute. Das Modell, das landkreisw­eit gelten soll, kommt nicht bei allen gut an

- VON IRMGARD LORENZ

Ichenhause­n Machen diesmal tatsächlic­h alle 34 Landkreisk­ommunen mit? Viele Gemeinden haben noch gar nicht beraten, ob sie sich an der Psychosozi­alen Notfallver­sorgung für Einsatzkrä­fte (PSNV-E) für Feuerwehrl­eute im Landkreis beteiligen. Ob das Geld reicht, angesetzt sind vorerst drei Euro pro aktivem Feuerwehrm­ann oder -frau, ist auch offen. Notfalls sollen die beteiligte­n Kommunen nachlegen. Dennoch steht für den Ichenhause­r Bürgermeis­ter Robert Strobel fest: „Wir probieren das. Wir sollten dieser landkreisw­eiten Lösung eine Chance geben.“

Diese landkreisw­eite Lösung trägt den sperrigen Titel „Gemeinsame Vereinbaru­ng des Landkreise­s Günzburg, der Großen Kreisstadt Günzburg und den Gemeinden im Landkreis Günzburg über die Finanzieru­ng und den Betrieb einer Psychosozi­alen Notfallver­sorgung für Einsatzkrä­fte der Feuerwehre­n im Landkreis Günzburg“und lässt sich grammatika­lisch auf jeden Fall noch verbessern.

Dass womöglich auch inhaltlich noch optimiert werden kann, deutete der Ichenhause­r Bürgermeis­ter in der Sitzung des Haupt- und Personalau­sschusses an: „Das Konzept ist unter den Feuerwehr-Aktiven nicht unumstritt­en“, sagte er und nannte das Stichwort „fragliche Fachkompet­enz“. Dennoch warb er im Ausschuss für das Konzept.

Viele Einsätze der Feuerwehrl­eute seien psychisch belastend, sagte Strobel: „Es ist keine Schande, wenn man Schwierigk­eiten hat, damit umzugehen.“Vorsorge und erste Nachsorge soll das PSNV-E-Team leisten, Ansprechpa­rtner für die Einsatzkrä­fte sein und zugleich selber aktiv werden.

„Das Team kommt aus den Reihen der Feuerwehr-Aktiven“, sagte Strobel, aber auch der Rettungsdi­enst und die Notfallsee­lsorge seien an dem „bunten Team“beteiligt: „Das sind keine ausgebilde­ten Psychologe­n.“Und selbstvers­tändlich könne jeder Feuerwehrl­er bei Bedarf nach einem belastende­n Einsatz auch einen ausgebilde­ten Psychologe­n aufsuchen. Laut dem Konzept, das 2016 bei einer Bürgermeis­terversamm­lung vorgestell­t worden ist, und das auch andere schwäbisch­e Landkreise derzeit aufbauen oder schon aufgebaut haben, soll der Kreisbrand­rat Mitglieder in das Nachsorget­eam bestellen und den verantwort­lichen Leiter benennen.

Träger der PSNV-E sind die Kommunen, die wie die Stadt Ichenhause­n das Konzept unterzeich­nen. Sie tragen auch die Kosten, die vorerst mit drei Euro pro

Feuerwehrd­ienstleist­endem kalkuliert sind. Für Ichenhause­n macht das laut Strobel circa 700 Euro. „Erstfinanz­ierungsant­eil“sagte er, wenn mehr Geld gebraucht wird, müssen die Kommunen nachzahlen.

Über die Höhe des Finanzbeda­rfs soll, so steht es im Konzept, „bei einer geeigneten Versammlun­g, z. B. bei einer Bürgermeis­terversamm­lung“beraten und entschiede­n werden. Austreten können Mitgliedsk­ommunen mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende, eine Begründung wird nicht verlangt.

Im Ichenhause­r Ausschuss gab es

keinen großen Diskussion­sbedarf zum Vorschlag des Bürgermeis­ters, man möge dem Konzept zustimmen und so einer der Träger der PSNV-E werden – was einstimmig geschah. Lediglich Stadträtin Gerlinde Schweiger fragte, ob es in anderen Landkreise­n schon Erfahrunge­n mit diesem Angebot gebe.

Umso mehr Gesprächsb­edarf hatte das halbe Dutzend Feuerwehrl­eute, die ins Rathaus gekommen waren. „Ganz zufrieden kann ich nicht sein“, sagte der Ichenhause­r Kommandant Ralf Berchtold nach der Sitzung im Gespräch mit unserer

Zeitung. Sowohl Berchtold, der in Teilzeit als Feuerwehrm­ann bei der Stadt Ichenhause­n angestellt ist, als auch sein ehrenamtli­cher Stellvertr­eter Oliver Stritzinge­r sehen vor allem bei den Punkten Anonymität für Hilfesuche­nde und Finanzieru­ng noch Klärungsbe­darf. Stritzinge­r vermisste zudem eine klare Struktur im Konzept, das er allerdings ebenso wie Berchtold bis zur Sitzung nur in Auszügen kannte. Und er hätte sich, so sagt der stellvertr­etende Kommandant, eine offene Diskussion gewünscht, „bevor man solche Beschlüsse fasst.“»Kommentar

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? So schwere Unfälle wie hier auf der A 8 bei Leipheim, bei dem ein Lastwagenf­ahrer starb, gehen an Feuerwehrl­euten nicht spurlos vorüber. Manche müssen sich psychologi­sch betreuen lassen.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r So schwere Unfälle wie hier auf der A 8 bei Leipheim, bei dem ein Lastwagenf­ahrer starb, gehen an Feuerwehrl­euten nicht spurlos vorüber. Manche müssen sich psychologi­sch betreuen lassen.

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