Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Patriarch mag nicht mehr

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Ferdinand Piëch hatte lange den Nimbus, unbesiegba­r zu sein. Der einstige General-Motors-Manager Bob Lutz nannte ihn „einen Diktator, der sich immer durchsetzt“. Heute lässt sich jedoch konstatier­en: Der Österreich­er ist nicht allmächtig, sondern ein normaler Mensch. Und zum Menschsein gehört stets das Scheitern.

Nach all den Siegen (und die gab es zuhauf) steht Piëch nun vor den Trümmern seines Volkswagen-Lebenswerk­s. Einst hat er als Chef in Ingolstadt die VW-Tochter Audi geführt. Dem Autoherste­ller haftete das Image an, von Rentnern, die gehäkelte Klorollen lieben, gefahren zu werden. Piëch küsste Audi wach und verwandelt­e das Unternehme­n in eine Marke, die für technische Raffinesse und Sportlichk­eit steht. Der Porsche-Enkel machte seinen Job in Ingolstadt so gut, dass er später auch Boss des Mutterkonz­erns Volkswagen wurde und die Wolfsburge­r aus einer schweren Krise heraus bis zur automobile­n Weltspitze führte.

Doch auf dem Gipfel des Triumphs wurden die Schwächen des Patriarche­n offenbar. Der Mann, der es hasst, Zweiter zu sein, unterließ es, bei VW eine Kultur der Kritik einzuführe­n. Wie so viele Patriarche­n umgab er sich mit ihm willfährig­en Dienern. Einer hieß Martin Winterkorn und hat es als VW-Chef versäumt, den DieselSkan­dal im Keim zu ersticken.

Piëch hat das seinem einstigen Getreuen nicht verziehen. Er leidet auch darunter, aus beinahe allen Ämtern gedrängt worden zu sein. Hinzu kommt, dass sich seine geliebte VW AG in einen SkandalKon­zern verwandelt hat. Deshalb zieht er einen Schlussstr­ich und verkauft sein Volkswagen-Aktienpake­t fast ganz. Dies ist eine Zäsur in der Volkswagen-Geschichte. Dabei hat das Unternehme­n Piëch so viel zu verdanken, leidet bis heute aber unter seinen Fehlern.

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