Mittelschwaebische Nachrichten

Die Reform des Gymnasiums nützt auch anderen Schulen

Die CSU hat sich lange Zeit gelassen. Jetzt steht fest, wie Bayerns Bildungssy­stem künftig aussehen soll. Eine Frage aber bleibt offen

- VON SARAH RITSCHEL sari@augsburger allgemeine.de

Am Anfang sollte es „nur“die Reform des bayerische­n Gymnasiums werden. Die Aufgabe war schwierig genug. Doch jetzt ist es viel mehr. Kultusmini­ster Ludwig Spaenle (CSU) und die Regierungs­fraktion haben nicht nur entschiede­n, dass Bayerns Gymnasiast­en wieder neun Jahre Zeit haben, um das Abitur zu erlangen. Ihnen ist noch rechtzeiti­g bewusst geworden, dass in der Bildung vieles zusammenhä­ngt und man nicht nur eine Schulart isoliert betrachten sollte.

Jetzt haben sie ein Reformpake­t erarbeitet, das über 1800 neue Lehrer für alle Schularten vorsieht. Ein Paket, das „für ein Vierteljah­rhundert trägt“, wie Spaenle es selbstbewu­sst formuliert. Aus diesen Worten spricht Erleichter­ung. Der Bildungsmi­nister hat die Präsentati­on seiner Pläne seit vier Monaten hinausgezö­gert, manche sahen ihn schon auf der Abschussli­ste. Der neue Bildungspa­kt aber ist zum einen eine Rieseninve­stition, die das Bildungssy­stem stärkt. Zum anderen – das ist mindestens genauso wichtig – zeigt die CSU: Wir verlieren die anderen Schultypen nicht aus dem Blick.

Lange genug waren deren Bedürfniss­e untergegan­gen. Seit Jahren schien sich die Politik nur noch damit zu befassen, ihre Fehler bei der überstürzt­en Einführung des achtstufig­en Gymnasiums zu korrigiere­n. Eltern und Lehrer an anderen Schularten hätten wohl am liebsten geschrien: „Wir sind auch noch da!“

Die Realschule­n bangten mit am meisten, was die Reform des Gymnasiums bringen würde. Vielerorts befürchtet­e man, dass das neue G 9 nur eine Soft-Version des stressigen achtstufig­en Gymnasiums wird und Schüler von der Realschule dorthin abwandern könnten. Schon jetzt wechseln über 40 Prozent der Grundschül­er eines Jahrgangs aufs Gymnasium. Indem die CSU den Anspruch des Gymnasiums halten und den Lehrplan mit zusätzlich­em Stoff anreichern will, statt nur die alten Inhalte zu strecken, nimmt sie der Angst vor dem Ausbluten der Realschule die Grundlage. Zusätzlich will der Kultusmini­ster dort die Lehrerrese­rven erhöhen – ebenso wie an Mittelschu­len. Auch deren Schicksal hängt enger mit der Zukunft des Gymnasiums zusammen, als auf den ersten Blick ersichtlic­h ist.

Seit so viele Kinder wie nie das Abitur anstreben, haftet der Mittelschu­le das Stigma einer „Restschule“an, eines Auffangbec­kens für Leistungss­chwache und Übriggebli­ebene. Noch dazu herrscht dort Lehrermang­el. Oft reicht schon eine Grippewell­e, um die Unterricht­sversorgun­g zu bedrohen. Dass die CSU mehr Springer einsetzen will, die in Notfällen an den Schulen aushelfen, lindert die Not nicht ernsthaft – zumal in den kommenden Jahren wegen vieler schulpflic­htiger Asylbewerb­er mit einem Lehrerbeda­rf im hohen dreistelli­gen Bereich zu rechnen ist. Die Aufstockun­g ist jedoch zumindest ein positives Signal. Viel mehr ist momentan auch gar nicht möglich.

Denn eine Frage bleibt trotz allem Reformwill­en offen: Woher sollen die zusätzlich­en Lehrer kommen? Das Studium auf Lehramt Mittelschu­le ist wenig beliebt, die Absolvente­n reichen jetzt schon kaum aus, um alle Stellen zu füllen. Gymnasiall­ehrer hingegen stehen jedes Jahr zu hunderten auf der Straße. Eine Lösung könnte sein, über die Besoldungs­stufen nachzudenk­en. Noch immer verdienen Mittelschu­llehrer weniger als ihre Kollegen am Gymnasium.

Fest steht: Die Staatsregi­erung investiert viel mehr in die Schulrefor­m, als man erwarten konnte. Im Moment schwimmt sie im Geld. Und sie setzt es sinnvoll ein. Diese Erkenntnis überwiegt im Rückblick bei weitem den Ärger darüber, dass die Entscheidu­ng so lange gedauert hat.

Der Mittelschu­le haftet ein Vorurteil an

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