Mittelschwaebische Nachrichten

Gähnende Langeweile

Der Musikpreis Echo gehört entweder abgeschaff­t oder grundlegen­d reformiert. Sonst werden ständig dieselben Stars gewürdigt

- VON MARKUS BÄR

Berlin Campino von den „Toten Hosen“war ziemlich sauer. Sauer auf den Satiriker Jan Böhmermann, der die 26. Echo-Verleihung in Berlin in dieser Woche in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“kurzerhand als „seelenlose Kommerzkac­ke“bezeichnet hatte. Beim Echo werden seit 1992 die erfolgreic­hsten Musiker eines Jahres gewürdigt (siehe Infokasten). Campino ätzte bei der Echo-Verleihung umgehend zurück: „Lieber uncool sein, als ein cooles Arschloch, das sich nicht konstrukti­v einbringen kann.“Dass ausgerechn­et übrigens Campino als Sänger einer Punkband den Musikpreis so engagiert verteidigt, ist verwunderl­ich. Schließlic­h haben sich Punkmusike­r doch stets als Flaggschif­f gegen den großen Kommerz in der Musikindus­trie begriffen. Nun mag man über Böhmermann und seine Satire-Stilmittel denken, was man mag. Doch gegen seine grundsätzl­iche Kritik am Echo ist nichts einzuwende­n.

Worum geht es? Der Echo wird seit 1992 ausgelobt und jährlich vergeben – und zwar von der Deutschen Phono-Akademie. Der Name führt den Unkundigen gern in die Irre. In dieser Akademie sitzen nämlich nicht unbedingt Wissenscha­ftler. Stattdesse­n handelt es sich bei ihr um eine Interessen­sgemeinsch­aft der deutschen Musikindus­trie. Im Vorstandsg­remium finden sich unter anderem Spitzenman­ager von Sony und Warner. Gegründet worden war die Akademie 1973 von 18 Schallplat­tenfirmen.

Kernkriter­ium bei der Auswahl der Preisträge­r ist von jeher nicht etwa Qualität und Innovation. Sondern es geht nur um Verkaufsza­hlen und Chartplatz­ierungen. Zumeist kommen somit Interprete­n, die ohnehin schon ganz an der Spitze des Millioneng­eschäfts Musik mitmischen, in den Genuss einer PR-Veranstalt­ung, die lange Zeit auch noch live von der ARD übertragen wurde. Das gute, alte Matthäus-Prinzip für das Musikgesch­äft also: Wer hat, dem wird gegeben. Eine Veranstalt­ung, die völlig vorhersehb­ar ist und auf viele unerträgli­ch selbstbewe­ihräuchern­d wirkt. Und langweilig. Schon allein durch die zahlreiche­n Mehrfachge­winner, die sich durch die Auswahlkri­terien ergeben: Insgesamt 16 Echos hat Helene Fischer im Laufe der Jahre eingesackt. Weitere Namen sind etwa die Kastelruth­er Spatzen (13 Echos), die Berliner Philharmon­iker (zwölf), Die Toten Hosen, Herbert Grönemeyer und Rammstein (je zehn). Alles sicher in ihrer musikalisc­hen Sparte exzellente Interprete­n. Aber sie immer wieder würdigen? Gähnend langweilig.

Dieses Jahr sahnte Udo Lindenberg gleich drei Echos ab. Den ersten hatte er schon vor 25 Jahren bekommen. Der Echo hat sich überlebt. Kein Wunder, dass sich die ARD abgewandt hat. Gestern Abend zeigte der Privatsend­er Vox die Preisverle­ihung – als Aufzeichnu­ng. Der Echo gehört entweder abgeschaff­t – oder grundlegen­d reformiert. Dann braucht er aber eine Musikjury, die Qualität und neue Wege in der Musik identifizi­ert und entspreche­nd auszeichne­t.

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Fotos: dpa ...und Tote Hosen Frontmann Campino schießt bei der Echo Verleihung in Berlin prompt zurück.
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Satiriker Jan Böhmermann (hier bei der Grimme Preisverle­ihung) hält den Mu sikpreis für „Kommerzkac­ke“...

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