Mittelschwaebische Nachrichten
Die Frage der Woche Das Brautkleid verkaufen?
J a! Natürlich kann man sein Brautkleid verkaufen. Ist doch nichts dabei! Zugegeben, ich hatte noch keines an und gekaufte Anziehsachen haben für mich ohnehin nur materiellen Wert. Das „Ja“geht also in dieser Hochzeitsangelegenheit richtig leicht über die Zunge.
Es gibt natürlich noch mehr Gründe für den Verkauf: Man zieht es ohnehin nie wieder an, passt in ein paar Jahren womöglich nicht einmal mehr hinein – warum also behalten und damit Platz im Schrank vergeuden? Der Verkauf lohnt sich zudem in finanzieller Hinsicht. Die meisten schönen Brautkleider sind in der Regel teuer, die Modeindustrie weiß schließlich: Am Tag der Tage möchte jede Braut umwerfend aussehen – und das ist ihr einiges wert. Da macht es doch Sinn, das Kleid nach dem Hochzeitstag zu verkaufen und ein bisschen Geld zurückzubekommen, das man nach den vielen Ausgaben für die Hochzeit gut gebrauchen kann. Außerdem freut sich vielleicht eine andere Braut in spe, wenn sie mit einem schönen gebrauchten Kleid die Hochzeitsausgaben senken kann – ist ja auch so schon alles teuer genug – und dabei trotzdem umwerfend aussieht. Oder vielleicht ist so ja auch ein Secondhand-Designerkleid zum Preis von neuer Stangenware drin.
Manche Ex-Bräute werden nun sicher schimpfen: Warum redet die eigentlich mit, wenn die doch noch nie ein Brautkleid anhatte? Die weiß doch gar nicht, welch Erinnerungen an so einem Kleid hängen können. Stimmt. Aber Erinnerungen bringen einem nichts, wenn sie im Schrank hängen. Man hat sie im Kopf. Und zum Auffrischen reichen doch auch Fotos vom schönsten Tag im Leben. Aber erinnern Sie mich bitte vorsichtshalber an meine Worte, sollte die Brautkleidfrage für mich doch mal akut werden, ja ja … E igentlich müsste das reichen: Nein, ich verkaufe mein Brautkleid nicht. Denn wer anfängt, nüchtern zu überlegen, warum man ein Stückchen Stoff 30 Jahre lang im Schrank hängen lässt, der hat die Anzeige in Ebay wohl schon im Kopf. Natürlich könnte ich den Platz im Schrank besser nützen. Natürlich passe ich längst nicht mehr in das Kleid hinein. Ein paar gelbe Stockflecken hat es auch schon. Und mit dem Verkaufserlös hätte ich mir schöne Kleider kaufen können, die ich täglich anziehen kann. Andererseits habe ich es auch nicht eingefärbt und zum Ballkleid umfunktioniert. Es ist immer Hochzeitskleid geblieben, und ich habe es genau einen Tag getragen.
Ich möchte den Zauber nicht missen, der sich auf einmal im Keller ausbreitet, wenn ich im Schrank stöbere: die Erinnerung an die Vorbereitungen, die für diesen Tag getroffen wurden, und dazu gehörte auch die Wahl des Brautkleides – zwar von der Stange, aber wie für mich gemacht; die Erinnerung an die junge Frau, die ich damals war; die Erinnerung an die Gedanken und Träume, die sich mit dem Anlass für das Kleid verbanden.
Argumente sind es also nicht, die dafür sprechen, dass ich mein Brautkleid bis heute behalten habe. Es geht allein um ein Gefühl. Diese Kleid gehört zu mir und zu einem entscheidenden Teil meines Lebens. Und das soll ich auf einmal jemand anderem überlassen? Lieblingsteddys aus der Kindheit sitzen schließlich auch noch zuhauf auf Regalen und Sofakissen herum, ohne täglich gekuschelt zu werden, einfach weil sich ein Gefühl ans Kindsein verbindet.
Wer sein Brautkleid verscherbelt, kann eigentlich gleich darauf verzichten, eines zu kaufen. Für den ist der Traum in Weiß ein Kleid wie jedes andere.