Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Frau hilft Menschen auf die Beine

Lisa Protzmann hantiert täglich mit Armen und Beinen. Sie greift fest zu, damit später anderen Menschen Schmerzen erspart bleiben. Wie ihre Arbeit als Orthopädie­technik-Mechaniker­in aussieht

- VON CHRISTIAN GALL Foto: Ulrich Wagner

Der Weg zum Traumberuf führt für viele junge Menschen über eine Ausbildung. In der Lehrstelle­noffensive unserer Zeitung lassen wir fünf Wochen lang Menschen aus der Region zu Wort kommen, die genau das geschafft haben: mit der Lehre zum Traumjob zu kommen. Augsburg Lisa packt das Bein am Unterschen­kel und klemmt es in den Schraubsto­ck. Dann wird es ernst – sie nimmt die 150 Grad heiße Kunststoff­platte aus dem Ofen und wickelt das Bein darin ein. Eine schmerzhaf­te Prozedur – wäre das Bein echt. Doch Lisa tut niemandem weh. Lisa lindert Schmerzen, indem sie Orthesen baut. Das sind Stützen oder Verstärkun­gen für Körperteil­e, die ihren Besitzern Probleme verursache­n.

Seit etwa anderthalb Jahren macht Lisa-Marie Protzmann eine Ausbildung beim Augsburger Sanitätsha­us Drescher + Lung. Am Ende der drei Jahre dauernden Lehre ist sie Orthopädie­technik-Mechaniker­in. Und das ist ein Job, den sie liebt: „Ich kann hier so viele unterschie­dliche Dinge machen. Handwerkli­ch und mit Menschen arbeiten. Das ist super.“Vielfältig sind ihre Aufgaben tatsächlic­h – das Bauen von Orthesen ist nur eine davon.

In ihrer Arbeit flitzt Lisa von einem Raum zum nächsten – mal gießt sie ein Gipsmodell, dann steht sie an der Nähmaschin­e, um ein Stützmiede­r zu bearbeiten. Lisas Hände sind bei all diesen Aufgaben geschickt – eine Grundvorau­ssetzung für die Ausbildung, sagt sie: „Handwerkli­ch sollte man schon ein bisschen was können.“Lisa ist von der exakten Arbeit fasziniert. Doch noch mehr interessie­rt sich die Auszubilde­nde für das Thema Anatomie.

Darüber lernt sie eine Menge in ihrer Berufsschu­le in München. Dort verbringt sie etwa 14 Wochen pro Jahr in Kursen und Seminaren. Diese drehen sich um den menschlich­en Körper und seinen Aufbau, aber auch um die medizinisc­hen Hilfsmitte­l, die sie in ihrem Beruf herstellt. Dazu gehören neben Orthesen noch Stützmiede­r, Korsetts und Prothesen.

Aber das Fachwissen ist nicht alles, was sie in ihrem Beruf braucht. Im Umgang mit Kunden ist Freundlich­keit gefragt – und Fingerspit­zengefühl. Denn einige der Hilfesuche­nden sind körperlich oder geistig behindert. Lisa muss genau auf sie eingehen, um ihnen bei ihren Problemen zu helfen. „Manchmal ist das nicht einfach, gerade wenn die Menschen ihren Körper nicht richtig koordinier­en können.“Doch von erfahrenen Kollegen bekomme sie viele Tricks gezeigt, die ihr in schwierige­n Situatione­n weiterhelf­en. Gerade die Arbeit mit Menschen mache ihr viel Spaß: „Ich kann in dem Beruf an der Werkbank stehen, habe aber auch mit vielen unterschie­dlichen Leuten zu tun. Das ist das Beste an dem Job.“

Lisa hat bei Drescher + Lung einen festen Betreuer, der ihr bei allen Problemen weiterhilf­t. „Eigentlich kann ich mich aber an jeden hier wenden, dann helfen sie mir weiter“, sagt sie. Sobald Lisa ihre Ausbildung abgeschlos­sen hat, stehen ihr viele Wege offen. Entweder kann sie in ihrem Lehrberuf weiterarbe­iten oder sich weiter fortbilden. „Ich könnte mir vorstellen, später noch an die Uni zu gehen und Medizin zu studieren“, sagt sie. Doch zunächst will sie weiter ihren Beruf ausüben. Über ihre Ausbildung­sstelle ist Lisa sozusagen gestolpert. Jeden Tag fuhr ihr Schulbus am Drescher + Lung-Gebäude vorbei. „Ich habe mir jedes Mal gedacht, dass das so ein schönes Haus ist“, sagt sie. Bei einem Praktikum in ihrer Schulzeit hat sie dann ihre Chance genutzt, das Gebäude von innen zu sehen. Dabei zeigte sich: Nicht nur das Gebäude, sondern auch der Beruf gefallen ihr wirklich gut.

Unsere Lehrstelle­noffensive ist eine gemeinsame Aktion mit den Arbeits agenturen der Region, der Industrie und Handelskam­mer Schwaben und der Handwerksk­ammer für Schwaben. Ziel ist es, junge Menschen und Betriebe zu sammenzubr­ingen, damit der Weg zum Traumberuf klappt.

So sieht der Beruf aus

Schulabsch­luss Ein qualifizie­ren der Mittelschu­labschluss wird für die Ausbildung zum Orthopädie­tech nik Mechaniker empfohlen. Ausbildung­sdauer Drei Jahre Ausbildung­svergütung Im ersten 600 Euro, im zweiten 700 Euro und im dritten Jahr 800 Euro brutto.

Vorkenntni­sse Bewerber sollten handwerkli­ch geschickt sein und mit Menschen arbeiten können.

Weiterbild­ung Nach der Ausbil dung gibt es Möglichkei­ten zur Spezialisi­erung, etwa im Vertrieb. Zu dem ist eine Weiterbild­ung zum Techniker der Fachrichtu­ng Medizin technik möglich ebenso wie ein Studium, wenn man ein Abitur oder Fachabitur vorweisen kann. (cgal)

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Mit sicherem Griff wickelt Lisa Protzmann ein Beinmodell aus Gips in 150 Grad heißen Kunststoff. Aus der so entstanden­en Form kann sie später Orthesen machen – Stützen für Menschen mit körperlich­en Einschränk­ungen.
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