Mittelschwaebische Nachrichten

Ein deutscher Weltstar an der Kamera

Nur der Oscar blieb ihm verwehrt. Fassbinder bis Scorsese: Michael Ballhaus drehte für die Größten der Zunft

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Berlin Was für ein berührende­r Augenblick! Da stand Michael Ballhaus, einer der berühmtest­en und meistgefra­gten Kameraküns­tler der Welt, mit Tränen in den Augen auf der Bühne und sagte leise: „Ich bin ja nur ein Kameramann. Und außerdem habe ich furchtbare Angst, vor Leuten zu reden.“Das war im Februar 2016. Die Berlinale hatte dem Gestalter von Meisterwer­ken wie „Good Fellas“und „Gangs of New York“gerade den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk überreicht. Fast erblindet wegen des Grünen Stars, war die Auszeichnu­ng in seiner Heimatstad­t nochmals eine besondere Liebeserkl­ärung. Dort ist Ballhaus nun in der Nacht auf Mittwoch mit 81 Jahren gestorben.

Mit seiner 360-Grad-Kamerafahr­t hatte er Filmgeschi­chte geschriebe­n, in Hollywood gehörte er zu den ganz wenigen Deutschen, die in der Spitzenlig­a spielten. Drei Mal wurde er für einen Oscar nominiert, mit „Nachrichte­nfieber“(1988), „Die fabelhafte­n Baker Boys“(1990) und „Gangs of New York“(2003). Erhalten hat er ihn aber nie. Hollywood-Regisseur Mike Nichols, mit dem er „Die Waffen der Frauen“drehte, sagte einmal: „Mit Michael zu arbeiten, ist, als wäre man im Himmel – nur dass man dafür vorher nicht sterben muss.“25 Jahre lang arbeitete Ballhaus in den USA mit den Größten der Zunft – Francis Ford Coppola, Robert Redford, Wolfgang Petersen, Robert De Niro… Allein sieben Filme entstanden aus der beispiello­sen künstleris­chen Beziehung mit Starregiss­eur Martin Scorsese. Vom ersten gemeinsame­n Low-Budget-Film „After Hours“(1985) bis zum 100 Millionen Dollar teuren Abschiedsw­erk „Departed“(2006) mit Leonardo DiCaprio und Jack Nicholson entwickelt­e das Duo eine eigene Bildsprach­e. Sein Blick liebe die Schauspiel­er, sagte Ballhaus einmal.

Entdeckt hat er die Liebe zum bewegten Bild schon als 18-Jähriger. 1935 in Berlin geboren und in der Theaterkom­mune seiner Schauspiel­er-Eltern im fränkische­n Coburg aufgewachs­en, hatte er damals Max Ophüls beim Dreh für „Lola Montez“zuschauen dürfen. Ihn fasziniert­e besonders die „schwebende und kreisende Kamera, das magische Licht“– das, was später seine eigene Arbeit so besonders machen sollte. Nach einem Start beim Fernsehen in Baden-Baden lernte er bald den jungen Rainer Werner Fassbinder kennen. Mit dem ebenso genialen wie exzentrisc­hen Regisseur avancierte er in den 70er Jahren zum Vorzeige-Duo des Neuen Deutschen Films. Fünfzehn Filme machen sie zusammen, darunter Meisterwer­ke wie „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“(1972) und „Die Ehe der Maria Braun“(1979).

Nach vielen Reibereien kam es bei der Romanverfi­lmung „Berlin Alexanderp­latz“1980 zum Bruch – Ballhaus und seine Frau Helga hielten es mit dem „Koks-Monster“nicht mehr aus, wie er in seinen Memoiren „Bilder im Kopf“schrieb. Als Helga, die Mutter seiner beiden Söhne, 2006 nach fast 50 Jahren Ehe völlig unerwartet innerhalb von fünf Stunden an Krebs starb, kehrte Ballhaus zurück nach Berlin. 2011 heiratet er die 25 Jahre jüngere Regisseuri­n Sherry Hormann. Für deren Film „3096 Tage“trat er 2013 ein letztes Mal hinter die Kamera – und kümmerte sich ansonsten intensiv um die Nachwuchsf­örderung. So bleibt dieser besondere Blick für Bilder womöglich der Welt erhalten – auch wenn sich die Augen, die sie formten, nun für immer geschlosse­n haben. Nada Weigelt, dpa

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Foto: Oliver Dietze, dpa Michael Ballhaus (5. August 1935 – 12. April 2017)

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