Mittelschwaebische Nachrichten

„Schon ein komisches Bauchgefüh­l“

Es sollte ein normaler Stadionbes­uch werden. Dann kam der Bombenansc­hlag. Wie Volker Kohlhepp aus Burtenbach die Ereignisse von Dortmund erlebte und warum er gestern erneut hingefahre­n ist

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Wie haben Sie die ganze Sache erlebt, Herr Kohlhepp? Kohlhepp: Bis kurz vor dem Stadion habe ich eigentlich gar nichts mitbekomme­n. Ich bin ja mit meiner Freundin unterwegs. Wir übernachte­n in Düsseldorf; von dort kann man mit der Eintrittsk­arte kostenlos nach Dortmund fahren. Am Stadion dann hatte sich schon eine lange Schlange gebildet. Ein paar Leute hatten wohl auch erste Informatio­nen, ich habe zu diesem Zeitpunkt aber nur mit einem halben Ohr zugehört. Wir waren dann so circa um 20 Uhr im Stadion und ich hab mich schon gewundert, warum sich da keiner warmläuft. Es waren auch zu wenige Leute da. Via Stadionanz­eige kam gegen 20.15 Uhr die Meldung, dass es einen „gravierend­en Zwischenfa­ll des Mannschaft­sbusses auf dem Weg zum Stadion gab und dabei eine Person verletzt wurde“. Das Wort „gravierend“ließ schon Grund zur Sorge aufkommen.

Noch konkretere Informatio­nen hatten Sie dann erst, als das Spiel tatsächlic­h abgesagt wurde? Kohlhepp: Irgendwann zuvor hatte Stadionspr­echer Norbert Dickel gesagt, dass es um 20.30 Uhr Informatio­nen gibt. Da kam dann die Absage. Und etwa fünf Minuten später hat BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke dann mitgeteilt, dass es einen Bombenansc­hlag gab.

Was denkt man da im ersten Augenblick? Kohlhepp: Man macht sich schon Gedanken, wenn es heißt Bombenansc­hlag. Man muss ja selber noch U-Bahn fahren, es ist eine große Menschenme­nge unterwegs. Man malt sich ja viele Szenarien aus.

Wie empfanden Sie das Krisenmana­gement? Kohlhepp: Gut. Es hieß vom Stadionspr­echer, man soll noch eine halbe Stunde warten im Stadion. Das haben wir auch gemacht, und das gibt einem Sicherheit, weil man denkt, die Polizei untersucht erst mal alles und stockt vielleicht noch Personal auf.

Was haben die anderen Fans gemacht? Kohlhepp: Um uns herum fand ich es eher ruhig. Die Leute haben abgewartet, wie wir. Vielleicht empfand jeder eine innere Unruhe, aber nach außen hin lief das ruhig ab. Neben mir war zum Beispiel ein Rentner mit seinem Enkel da, der hat gesagt: „Dann sehen wir uns wohl morgen wieder.“

Wann und wo immer in diesen Tagen Gewaltakte in der Öffentlich­keit verübt werden, kursiert binnen kürzester Zeit der Begriff „islamistis­cher Terror“. War das am Dienstagab­end auch so? Kohlhepp: Irgendwelc­he Mutmaßunge­n oder Verschwöru­ngstheorie­n wurden aus meiner Sicht nicht aufgestell­t. Die meisten Fans wollten wohl nur irgendwie heimkommen. Ich habe mir nur gedacht, ob da vielleicht noch ein weiteres Ziel geplant ist.

Im Fernsehen wurde berichtet, dass sich die Fans aus Monaco solidarisc­h gezeigt und „Dortmund, Dortmund“skandiert haben. Deckt sich das mit Ihren Beobachtun­gen? Kohlhepp: Ich fand diese Geste unheimlich gut. Wir hatten unsere Plätze gleich neben dem Gästeblock, haben das also gut mitbekomme­n. Das ist ja ein Riesenaufw­and, dass die Fans von Frankreich hier rüber kommen, und dass die eine Absage so auffassen, fand ich echt toll. Hatten Sie direkten Kontakt zu Fans aus Monaco? Kohlhepp: Nein. Und wir sind dann auch irgendwann weggefahre­n. Ich habe nur mitbekomme­n, dass über Twitter Betten für Fans angeboten wurden – stark.

Wie hat die Absage eigentlich Ihre Reisepläne berührt? Kohlhepp: Wir hatten ohnehin bis Freitag gebucht. Wir wollten uns Düsseldorf ein bisschen anschauen, als Alternativ­e stand ein Tagesausfl­ug nach Amsterdam zur Auswahl. Aus dieser Perspektiv­e ist es jetzt halt ein verlorener Tag. Sonst ist für uns nichts passiert.

Wir können uns aber gut vorstellen, dass nicht jeder Fan die Möglichkei­t hatte, am Mittwoch wiederzuko­mmen. Kohlhepp: Nach der Absage haben natürlich einige Leute die Karten hochgehalt­en und sie verkauft. Für diese Leute war das sicher sehr ärgerlich.

Wir unterhalte­n uns am Mittwochvo­rmittag. Mit welchen Gefühlen fahren Sie heute ins Stadion? Kohlhepp: Es ist schon ein komisches Bauchgefüh­l, ehrlich gesagt. Ich schaue viele Nachrichte­nsender und lese jede Menge Zeitungen. Man weiß ja nicht, was kommt. Die Hintergrün­de der Tat sind bisher unklar – und so lange das so ist, malt man sich viel aus. Aber ich will halt unbedingt das Spiel sehen.

Das Gespräch führte Jan Kubica

Volker Kohlhepp aus Burtenbach ist 28 Jahre alt. Schon als Grundschül­er wurde er Fan von Borussia Dortmund. Die entscheide­nde Prägung erhielt er beim Champions League Finale 1997, als Dortmund gegen Juventus Turin ge wann – „das erste Spiel, das ich bewusst verfolgt habe“.

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Foto: Kohlhepp Ein paar Mal pro Jahr fährt Volker Kohlhepp aus Burtenbach nach Dortmund, um den BVB anzufeuern. Wann immer es geht, hat er seine Freundin Ramona Lutze aus Augsburg dabei – so auch in dieser Woche. Unser Foto entstand zu einem früheren Zeitpunkt, in...

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