Mittelschwaebische Nachrichten

So finden Mobbingopf­er Hilfe

Kinder können brutal zueinander sein. Sie lästern, sie prügeln sich. Eine Expertin erklärt, wann die Grenze überschrit­ten ist und wie Erwachsene das Problem erkennen

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Jeder sechste Teenager wird von seinen Klassenkam­eraden gegängelt. Oft wirkt sich der psychische Stress auf die Leistungen aus, wie die Pisa-Studie enthüllt, bei der 15-Jährige zu ihrem Wohlbefind­en befragt wurden. Opfer leiden oft jahrelang unter den Folgen. Wir erklären, wie Eltern und Menschen im Umfeld eines Schülers erkennen, wenn etwas nicht stimmt.

Kinder können gemein sein. Sie lästern, sie raufen im Pausenhof. Aber wann spricht man von Mobbing?

Beim Mobbing handelt es sich um wiederkehr­ende Attacken, sagt Monika Vey, die die Erziehungs-, Jugendund Familienbe­ratungsste­llen der Katholisch­en Jugendfürs­orge (KJF) in Memmingen und Mindelheim (Unterallgä­u) leitet. Mobbing spiele sich außerdem nicht nur zwischen dem oder den Tätern und dem Opfer ab. Es gibt Zuschauer, die nichts unternehme­n. „Das Opfer wird isoliert, kann dem Problem nicht aus dem Weg gehen.“

Unter welchen Schülern ist Mobbing besonders verbreitet?

Prozent der 15-jährigen Schüler in Deutschlan­d von negativen Erfahrunge­n. In der Altersklas­se zwischen elf und 13 Jahren litt 2014 dem Statistisc­hen Bundesamt zufolge rund jeder Zehnte unter Mobbing. Zahlen für Bayern werden laut Kultusmini­sterium nicht erhoben. Diplom-Psychologi­n Vey berichtet aus der Praxis, dass Mittelschü­ler etwas häufiger betroffen sind als andere. An Grundschul­en werde relativ selten gemobbt.

Welche Arten von Mobbing gibt es?

Über Aussehen und Kleidung spotten, Gerüchte verbreiten, einen Schüler vor den Klassenkam­eraden lächerlich machen, indem man etwa den Inhalt seines Federmäppc­hens über den Boden verstreut – das sind klassische Mobbing-Taktiken. Hinzu kommen oft Schubserei­en, Schläge. Das relativ neue Phänomen des Cybermobbi­ngs ist einer Studie der Facheinric­htung Aktion Jugendschu­tz zufolge in 80 Prozent der Fälle eine Fortsetzun­g des klassische­n Mobbings. Wer auf dem Pausenhof attackiert wird, wird demnach häufig auch per Smartphone in sozialen Netzwerken schikanier­t.

Wie erkennen Eltern, dass ihr Kind betroffen sein könnte?

Eltern sollten immer darauf achten, ob sich ihr Kind verändert. Zieht es sich zurück? Ist es gereizt? Beides können Vey zufolge Anzeichen für Mobbing sein. „Außerdem sollten Eltern es immer ernst nehmen, wenn ein Kind sagt, dass es ihm nicht gut geht.“Wer Mobbing vermutet, sollte sich an die Schule wenden – an den Klassenlei­ter, Vertrauens­lehrer oder Schulsozia­larbeiter zum Beispiel. Auch Beratungss­tellen wie die der KJF können helfen – oder die staatliche­n Schulberat­ungsstelle­n, die es in jedem bayerische­n Regierungs­bezirk gibt.

Viele Eltern möchten sich die Täter aus einem ersten Impuls heraus selbst vorknöpfen. Eine gute Idee?

Davon rät jeder Experte ab. Die Forschungs­stelle für Mobbing an der Münchner Ludwig Maximilian­s Universitä­t erklärt auf ihrer Internetse­ite auch, warum: Täter legen es ihrem Opfer als Schwäche aus, wenn dessen Eltern einschreit­en. Oft bestrafen sie das Kind auch dafür.

Hilft es, mit den Eltern des Täters zu reden?

Auch das ist nicht zu empfehlen. Die Eltern werden ihr Kind entweder in Schutz nehmen oder sie bestrafen es für seine Taten. Dies wiederum könnte der Täter an seinem ohnehin schon gepeinigte­n Mitschüler auslassen.

Wie können Beratungss­tellen einem Mobbingopf­er helfen?

Sie arbeiten mit dem Schüler seine Erlebnisse auf und versuchen, ihm Selbstvert­rauen zurückzuge­ben. Denn es ist nicht damit getan, das Mobbing an sich zu unterbinde­n. „Oft stellt sich heraus, dass die Erlebnisse schon Jahre zurücklieg­en“, erklärt Monika Vey. Doch die psychische­n Folgen wirken nach. Deshalb sei es wichtig, mit dem Schüler Stück für Stück wieder sein Selbstvert­rauen aufzubauen.

Können Eltern dabei helfen?

Ja. Sie sollten „da andocken, wo das Kind positive Erfahrunge­n hat“, sagt Vey. „Das können sportliche Erfolge sein, Einladunge­n anderer Kinder oder ein Referat, das es gut gehalten hat.“All das helfe dabei, dass das Kind Vertrauen in sich selbst zurückgewi­nnt. »Kommentar

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Foto: imago/allOver MEV Schüler, die gemobbt werden, leiden oft sehr. Eine Studie erbrachte nun, dass jeder sechste 15 Jährige von seinen Mitschüler­n gegängelt wird.
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Monika Vey

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