Mittelschwaebische Nachrichten

Das letzte Wort zum Abschied

- VON FRÄULEIN FENCHEL redaktion@mittelschw­aebische nachrichte­n.de

Es gibt diese Leute, denen reicht ein höfliches „Wiederhöre­n“, ein lässiges „Ciao“oder ein einfachen „Tschüss“am Telefon nicht. Gestern war es wieder so weit. Mama am Ohr. Wie es so geht, wie die Arbeit so war. Ach, und am Wochenende wär’s doch mal wieder schön, gemeinsam Kaffee zu trinken. Okay, Samstag, 14 Uhr. Gebongt. Das Zehn-Minuten-Telefonat hätte wesentlich kürzer sein können, wenn sie sich für eine Abschiedsf­ormel entschiede­n hätte. Für eine einzige. Anstelle dessen sagt die sonore Mama-Stimme am anderen Ende der Leitung: „Tschüss. Mach’s gut. Bis bald.“Ich so: „Tschüss, Mama.“Sie so: „Ja, ciao. Bis dann.“Ich so: „Okay. Ja.“Sie so: „Tschüss.“Mein Handy so: Tut, tut, tut, tut ...

Jedes Mal stecke ich dann grinsend das Handy in die Tasche. Ich frage mich: Warum müssen manche Gesprächsp­artner immer das letzte Abschiedsw­ort haben? Und: Was würde passieren, wenn Mama und Co. auch bei persönlich­en Begegnunge­n aus der Tschüss-Nummer nicht mehr herauskomm­en? Wenn sich plötzlich überall auf der Straße Menschen gegenübers­tehen und nicht mehr vorwärtsko­mmen, weil sie im Abschiedsm­odus hängen geblieben sind. Wie im Computersp­iel. Wenn die Figuren an irgendeine­r Stelle gegen die Wand laufen und unaufhörli­ch Schrittbew­egungen machen. Wie hole ich sie da wieder raus? Irgendwelc­he Tastenkomb­inationen eingeben oder doch lieber Speichern und Beenden klicken? Oder die Spielfigur alias Mama in der Zeitschlei­fe sich selbst überlassen? Beim Kaffee-Treff am Wochenende werde ich mich für eine weniger grausame Lösung entscheide­n: Mama fest umarmen und einfach lächeln.

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