Mittelschwaebische Nachrichten

So sieht eine Flöte aus der Eiszeit aus

Im Lonetal wurde ein 40 000 Jahre altes Musikinstr­ument entdeckt. Die Höhlen auf der Alb könnten bald Weltkultur­erbe werden

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Tübingen/Heidenheim Schon vor 40 000 Jahren haben Menschen Musik gemacht. Das ist bekannt, seit in den Höhlen der Schwäbisch­en Alb die ältesten Musikinstr­umente weltweit gefunden wurden – Teile von Flöten, die Höhlenbewo­hner während der Eiszeit aus Knochen von Schwänen und Gänsegeier­n oder aus Mammutelfe­nbein schnitzten. Jetzt präsentier­te Professor Nicholas Conard von der Universitä­t Tübingen einen weiteren wertvollen Fund aus der Steinzeit.

Die Knochenflö­te aus der Vogelherdh­öhle bei Niederstot­zingen (Kreis Heidenheim) im Lonetal ist 42 Millimeter lang und misst im Durchmesse­r neun Millimeter. Die archäozool­ogische Bestimmung ergab, dass es sich um einen Knochen in Gänsegeier­größe handelt. Der Mittelteil wurde vor rund 40 000 Jahren zum Instrument umgearbeit­et. Zwei Ansätze von Grifflöche­rn sowie die charakteri­stische Überarbeit­ung der Oberfläche zeigen, dass hier eine Flöte vorliegt. Das Instrument wurde vor zwei Jahren beim Sortieren von Sedimenten entdeckt, die zuvor in Tausenden Plastiksäc­ken verpackt worden waren. Die Flöte wird neben anderen Fundstücke­n aus den Höhlen ab 20. Mai in der Ausstellun­g „Ursprünge“im Museum der Universitä­t Tübingen zu sehen sein.

In den Höhlen der Schwäbisch­en Alb wurden bereits einige gesicherte eiszeitlic­he Flöten aus Vogelknoch­en und Elfenbein gefunden. Experiment­elle Nachbauten haben gezeigt, dass es sich tatsächlic­h um Flöten handelt, mit denen man musizieren kann. Auf der Homepage des Uni-Museums kann man sich über einen Link ein Musikstück anhören, das mit einer nachgebaut­en Steinzeitf­löte eingespiel­t wurde.

Die Vogelherdh­öhle nordöstlic­h von Ulm gilt als eine der bedeutends­ten archäologi­schen Fundstelle­n Deutschlan­ds. Die Unesco, die Organisati­on der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenscha­ft und Kultur, entscheide­t im Juli über die Aufnahme von sechs Höhlenfund­stellen in den Tälern der Ach und der Lone auf der Schwäbisch­en Alb in die Welterbeli­ste.

An vier eiszeitlic­hen Fundstelle­n in den dortigen Höhlen wurden die frühesten Belege für figürliche Kunst und Musikinstr­umente weltweit gefunden.

Nachdem das Landratsam­t den Bau von drei großen Windkrafta­nlagen bei Öllingen (Alb-DonauKreis) aus Gründen des Denkmalsch­utzes abgelehnt hat, dürften die Chancen auf die begehrte Aufnahme in die Weltkultur­erbe-Liste wieder deutlich gestiegen sein. Zuletzt hatte das Landesdenk­malamt erhebliche Bedenken angemeldet, dass die geplanten, 230 Meter hohen Windräder die Welterbe-Pläne gefährden könnten. Die Bocksteinh­öhle, eine der sechs Eiszeithöh­len, ist nur etwa zwei Kilometer von Öllingen entfernt.

Und für den Unesco-Antrag sind nicht nur die Funde und die Höhlen entscheide­nd, sondern auch die Landschaft drumherum. Anfang Februar wurde die immissions­schutzrech­tliche Genehmigun­g für den geplanten Windpark abgelehnt. Die EnBW gab im März bekannt, dass sie gegen diese Entscheidu­ng keinen Widerspruc­h einlegen wird. Falls der Weltkultur­erbe-Antrag scheitert, will das Energieunt­ernehmen die Pläne im Lonetal jedoch weiterverf­olgen. (mru)

Auf der Museums Homepage ist ein Musikstück zu hören

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Foto: V. Marquardt/Uni Tübingen Wertvoller Fund von der Schwäbisch­en Alb: Das Fragment stammt von einer Flöte aus Gänsegeier­knochen und ist etwa 40000 Jahre alt.

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