Mittelschwaebische Nachrichten
Es öffnet sich eine Tür zu neuen Wegen
Mit Sr. Katharina Wildenauer steht eine pragmatische und weltoffene Generaloberin an der Spitze der St. Josefskongragation in Ursberg. Sie will nicht nur inhaltlich, sondern auch äußerlich neue Akzente setzen
Ursberg Die neue Generaloberin ist praktisch veranlagt. Den Kaffee in ihrem großzügigen Arbeitszimmer im ersten Stock des Mutterhauses serviert sie in großen Tassen. Alte CDs dienen als Untersetzer. Der Blick aus dem Fenster geht in Richtung Süden zum Klosterbräuhaus hinüber. Einem mächtigen Schreibtisch steht ein großes Regal gegenüber, in das neben Ordner, Bücher, und geistliche Schriften Bilder und Figuren bunte Farbkleckse zaubern. „Demnächst bekomme ich hier einen geschlossenen Schrank hin“, sagt sie mit leichtem Bedauern. „Ich mag es lieber offen.“
Seit Samstagabend steht Sr. Katharina Wildenauer an der Spitze der St. Josefskongregation. Eine Mehrheit im Generalkapitel, dem wichtigsten Entscheidungsgremium des Klosters, hat sie überraschend in diese Position gewählt. Keine leichte Aufgabe. Nach wie vor spielen die Schwestern im Ursberger Leben eine gewichtige Rolle, auch wenn die Zeiten, in denen sie in großer Zahl das Ortsbild prägten, schon ein bisschen zurückliegen. Inzwischen sind viele ältere Schwestern pflegebedürftig und die wenigen jüngeren Schwestern vorrangig damit beschäftigt, sich um sie zu kümmern.
Mag sein, dass die Wahl auch deshalb auf Sr. Katharina fiel. Ihre Vorgängerin galt in Ursberg als eher nüchterner Mensch. Katharina ist anders. Ihre Herzlichkeit ist ansteckend und bestärkend. Ihre Stärke liegt darin, Menschen im Gespräch zu gewinnen. Eine Eigenschaft, die sie offenbar schon in früher Kindheit besaß.
Sr. Katharina erinnert sich an eine Geschichte aus dieser Zeit. Gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Marianne ging sie die Treppe im Elternhaus im fränkischen Bad Brückenau hinunter. Ein roter Teppich war darüber ausgelegt und mit goldenen Stangen an den Stufen festgespannt. An einer Stelle war die Stange jedoch locker, der Teppich hing lose darüber. Die beiden Mädchen bemerkten das nicht, fielen über die Falte und purzelten die Treppe hinunter. „Das tat furchtbar weh“, erinnert sich Sr. Katharina. „Doch ich dachte mir, wenn ich jetzt weine, dann weint Marianne auch. Also hab gelacht. Da hat meine Schwester mitgelacht.“
Sr. Katharina wuchs als Kind eines Arztes und einer Lehrerin mit sieben Geschwistern in Würzburg, Bad Brückenau und Bamberg auf. Der Vater – Gründungsmitglied der lokalen CSU-Ortsgruppe in Bamberg, Stadtratsmitglied und Gründungsmitglied der Lebenshilfe in Bamberg – spielte eine prägende Rolle in Katharinas Leben. „Von ihm habe ich den Mut zum Wort gelernt.“In der Schule genierte sie sich aber auch manchmal für ihren Vater. „Der war so katholisch“, sagt sie lachend. In ihrer Leichtigkeit sei sie aber eher nach der Mutter geraten. „Die Tapferkeit des Alltags habe ich von meiner Mutter, einer Pfälzerin“, sagt Sr. Katharina. „Ich habe meine Mutter nie leiden sehen, obwohl sie zwei behinderte Kinder hatte und ein weiteres mit drei Monaten starb.“Halt gab den Eltern auch der Glaube. Der Vater katholisch, die Mutter evangelisch, war für die Kinder der sonntägliche Kirchgang und das Gebet beim Essen Pflicht.
Im Amt der Generaloberin will Sr. Katharina sich nicht als Herrin über die Schwestern verstanden wissen. Sie will eher „wie eine Mutter für ihre Kinder“für ihre Mitschwestern da sein. Als sichtbares Zeichen dieses Führungsverständnisses werde sie die erste Generaloberin sein, die kein Kreuz trägt, sagt sie. Sie möchte auf dieses äußere Zeichen der Amtswürde, das von den Benediktinerinnen übernommen ist, verzichten, um zu verdeutlichen, dass sie eine „Schwester unter Schwestern“ist. Das Wohl der Schwestern liegt ihr sehr am Herzen: „Ich will, dass es den Schwestern sowohl körperlich als auch seelisch gut geht“, sagt Sr. Katharina. Was das äußere Umfeld betrifft, habe ihre Vorgängerin, Sr. Edith Schlachter, bereits hervorragende Arbeit geleistet und den gesamten Umbau im Mutterhaus geschultert. Spirituell möchte Sr. Katharina neue Akzente setzen. Vom Ordensgründer, dem Heiligen Franziskus, stammt das Zitat ’Unser Kloster ist die Welt’.
„So will ich auch unterwegs sein, und mit allen, mit denen ich zu tun habe, Lebensfreude aus dem Glauben schöpfen“, kündigt Sr. Katharina an. Die Freude am Glauben weitergeben, das will sie auch in der Öffentlichkeitsarbeit, die auch weiterhin in ihrer Verantwortung bleibt. Dabei nutzt die 62-Jährige alle Kanäle. Auch im sozialen Netzwerk Facebook ist sie aktiv. Man dürfe soziale Medien wie Facebook doch nicht nur denen überlassen, die dort Bilder von ihrem letzten Mittagessen teilen.
Sr. Katharina geht es darum, Menschen mit der Botschaft des Glaubens zu erreichen. Deshalb bleibt sie vorerst auch der Fachschule für Heilerziehungspflege in Ursberg, wo sie derzeit noch Religionspädagogik unterrichtet, erhalten. „So hat dort jeder einmal eine Klosterschwester erlebt und gehört, was uns wichtig ist.“Zentral ist für Sr. Katharina die Erfahrung Gottes als Kraftquelle des Lebens. Diese Kraft wird sie auch in ihrem neuen Amt brauchen. Das sei ihr nach der überraschenden Wahl zuerst durch den Kopf geschossen: „Mir sind als erstes meine Schwächen bewusst geworden. Das habe ich auch den Schwestern gesagt: ’Sie kennen meine Schwächen’“, erinnert sie sich. Doch die Schwäche könne auch eine Chance sein, sagt sie. Was sie sich vorgenommen habe, ist, andere mit ihrer Lebensfreude und ihrer Freude am Glauben anzustecken.