Mittelschwaebische Nachrichten
Freispruch nach Tod auf der Baustelle
Ein polnischer Arbeiter stirbt nach einem Unfall an der Kreisklinik Günzburg
Günzburg Mit Tränen in den Augen verlässt die Frau von Krysztof G. das Günzburger Amtsgericht. Es sind Tränen der Erleichterung. Gerade ist ihr Mann, der seinen Arm um sie gelegt hat, vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen worden. Die Szene lässt nur erahnen, wie schlimm die vergangenen knapp zwei Jahre für die Familie waren. Seit jenem Unglückstag am 9. Juli 2015. Krysztof G. arbeitet an diesem Tag mit einem Kollegen auf der Baustelle der neuen Strahlentherapie an der Kreisklinik Günzburg. Der damals 28-Jährige, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, ist gemeinsam mit seinem polnischen Landsmann damit beschäftigt, Verschalungen von einer Betonwand zu entfernen. Mehrere Verankerungen verbinden die beiden Schalungselemente, eine nach der anderen lösen die Bauarbeiter. Eine der 2,50 Meter auf 3,60 großen Platten hängt schon am Kran, als das letzte Ankerelement gelöst wird. Doch die zweite Platte ist nicht gesichert. Als der Arbeiter die erste Tafel per Fernbedienung anhebt, kippt das 500 Kilogramm schwere Element und begräbt den 39-Jährigen unter sich. Er ist sofort tot. Für die Staatsanwaltschaft ist klar: Krysztof G. hat die letzte Verankerung entfernt, ohne die Platte richtig zu sichern, und so den Tod seines Kollegen verschuldet.
Vor Gericht stellt sich aber schnell heraus, dass wohl außer dem Angeklagten niemand den Unfall beobachtet hat. Und der schweigt. Ruhig lauscht er dem Dolmetscher, der für ihn alles Gesagte ins Polnische übersetzt. Eine Regung auf das Gehörte zeigt er nicht. Direkt nach dem Unfall war das noch anders. Wolfgang Burkhard von der Kripo Neu-Ulm berichtet, dass G. bei der Zeugenvernehmung geweint habe. Schnell merkt der Kommissar da, dass er nicht nur einen Zeugen, sondern einen möglichen Beschuldigten vor sich hat. Er belehrt ihn erneut über seine Rechte. Als Beschuldigter muss er sich nicht selbst belasten. „Was soll ich noch lügen? Es ist, wie es ist. Er war doch mein Freund“, habe G. da noch gesagt. Dann aber schweigt er.
Es ist dieser Umstand, der am Ende für einen Freispruch sorgt. Gleich zu Beginn legt G.s Verteidiger Heinrich Schiwy Widerspruch gegen die Verwendung der Aussage, die der Angeklagte gegenüber der Polizei gemacht hat, ein. Weil er nicht richtig belehrt wurde, darf sie nicht als Beweis verwendet werden, selbst wenn G. darin seine Mitschuld eingestanden hätte. Das Problem: Andere Beweise gibt es nicht. Weder die Zeugenaussage eines Mitarbeiters auf der Baustelle, noch die des zuständigen Poliers der Firma Lutzenberger, die die Polen über ein Subunternehmen engagiert hatte, bringen Klarheit. Im Gegenteil: „Sie hatten das bis dahin schon öfter gemacht. Das sind sehr gute Leute, sie haben bis dahin hervorragend gearbeitet“, berichtet der Vorgesetzte. Auch hätten alle klare Arbeitseinweisungen bekommen. Die Rolle des Getöteten selbst, der ja den Kran bedient hat, bleibt ebenso unklar. Laut einem von der Kripo herangezogenen Sachverständigen ist es eine bei Schalungsarbeiten gängige, wenn auch verbotene Methode, die Platten durch leichtes Rütteln mit dem Kran vom Beton zu lösen. Ob das passiert ist, weiß nur der Angeklagte. Und er schweigt beharrlich, will sich auch im letzten Wort nicht äußern. Richterin Franziska Braun bleibt nichts anderes übrig, als ihn freizusprechen. Die Aussage des Angeklagten dürfe sie nicht beachten. Und ohne die könne man nicht sagen, was passiert ist. „Es ist schwer verständlich. Aber der Schutz des Angeklagten im Strafprozess wiegt schwer.“Ob der Angeklagte sich auch selbst freisprechen könne, das stehe, so die Richterin, auf einem anderen Blatt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.