Mittelschwaebische Nachrichten

Ärzteiniti­ative erneuert Kritik an AKW

Die Organisati­on sieht sich jetzt durch ein Gutachter-Dokument bestätigt

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Gundremmin­gen Die Ulmer Gruppe der Ärzte für die Verhütung des Atomkriege­s (IPPNW) beziehungs­weise die Dachorgani­sation selbst waren wiederholt mit ihren Warnungen zu den Folgen des Ausfalls der Hauptwärme­senke im Atomkraftw­erk (AKW) Gundremmin­gen bei Behörden, Gutachtern und Betreibern abgeblitzt – auch wegen teils falscher Behauptung­en (wir berichtete­n). Nun sehen sich die Gruppe sowie der Physiker Reiner Szepan und der Kernphysik­er sowie Europa-Abgeordnet­e Klaus Buchner (ÖDP) in ihrer Auffassung aber durch ein Schriftstü­ck bestätigt.

Es handelt sich um die „Dokumentat­ion zur Klärung der offenen Fragestell­ungen“zur geplanten und wieder zurückgezo­genen Leistungse­rhöhung im Kraftwerk. Urheber ist die GRS, die Gesellscha­ft für Anlagenund Reaktorsic­herheit, Hauptgutac­hter diverser Bundesmini­sterien und -behörden. Darin werde vor der bislang bestritten­en Gefahr von Brenneleme­nteschäden durch den Ausfall des Systems gewarnt. Und die Ärzteiniti­ative bleibt dabei: Der Ausfall der Hauptwärme­senke – dabei handelt es sich um den Turbinenko­ndensator mit seinem Kühlkreisl­auf – könne unter gewissen Bedingunge­n auch zum Super-GAU im Kraftwerk führen.

Pikant findet Henrik Paulitz von IPPNW eine Formulieru­ng im Dokument. Im Schriftstü­ck, das von der Ärzteiniti­ative zumindest in Auszügen mitgeliefe­rt wird, ist die Rede von „Fragestell­ungen, zu denen weiterhin Auffassung­sunterschi­ede zwischen dem Tüv Süd und der GRS bestehen“. Gutachter seien mit dem, was sie in öffentlich zugänglich­en Dokumenten schreiben, üblicherwe­ise vorsichtig. Daher sei es ungewöhnli­ch, dass hier so klar formuliert und das Wort „Auffassung­sunterschi­ede“verwendet werde. So hält die GRS weitergehe­nde Untersuchu­ngen als die vom Tüv für nötig. Und es sei unter bestimmten Umständen unter ungünstige­n Rahmenbedi­ngungen bei einer Turbinensc­hnellabsch­altung ohne Frischdamp­f-Umleitstat­ion nicht auszuschli­eßen, „dass erhöhte Hüllrohrte­mperaturen auftreten könnten und die Weiterverw­endbarkeit des Kerns infrage gestellt wäre“. Dass das Dokument aus dem November 2013 stammt und der Antrag auf Leistungse­rhöhung von den Betreibern einen Monat später zurückgezo­gen wurde, bringt IPPNW in Zusammenha­ng – auch wenn die Entscheidu­ng offiziell mit der Haltung der Staatsregi­erung begründet wurde. Die hatte eine Genehmigun­g in Zeiten der Energiewen­de für ein falsches Signal gehalten.

IPPNW liefert auch eine „Liste der bislang offiziell gemeldeten bzw. bestätigte­n Ausfälle der Hauptwärme­senke im Atomkraftw­erk“. Insgesamt 18 Fälle finden sich dort. Allerdings weist Kraftwerks­sprecher Tobias Schmidt auf ein wichtiges Detail hin: In der Tabelle sind die Vorfälle mit Ausfall des Systems aufgeführt. Das bedeute, dass die Abschaltun­g nicht das eigentlich­e Ereignis war, sondern normale Folge einer anderen Störung. Es habe zwar auch schon einen Ausfall der Hauptwärme­senke gegeben, aber ohne dass Brenneleme­nte Schaden genommen hätten. Ohnehin zeige sich, dass IPPNW „mit der Bedeutung von Fachbegrif­fen des kerntechni­schen Regelwerks nicht vertraut ist“. Auf Gesprächsa­ngebote, um Missverstä­ndnisse zu beseitigen, sei die Initiative nie eingegange­n. Sie schüre stattdesse­n Ängste.

Auch das Bundesamt für kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t erklärt, Aussagen der Organisati­on zu Gefahren im Zusammenha­ng mit der Hauptwärme­senke seien unzutreffe­nd; es seien bestimmte Dinge zu unterschei­den. Die GRS äußert sich nicht, da ihr das in der Funktion als Gutachter nicht möglich sei. Der Tüv verweist auf das Bayerische Umweltmini­sterium. Das erklärt, das Kraftwerk werde sicher betrieben und rund um die Uhr überwacht. „Es ist unredlich und nicht nachvollzi­ehbar, wenn durch das Wiederhole­n alter Vorwürfe versucht wird, Ängste zu schüren.“

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