Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn das Private politisch wird
War es Arroganz? Oder ein überkommenes Rollenbild? Torsten Albig ist ein echter Medienprofi. Trotzdem sprach er im Wahlkampf abfällig über seine Ex-Frau
In der Kunst, einen Politiker in Szene zu setzen, war Torsten Albig einer der Talentiertesten. Als er noch Sprecher im Finanzministerium in Berlin war, stellte er seinem neuen Chef Hans Eichel, einem Mann mit dem Charme einer Büroklammer, als Erstes eine Batterie Sparschweine auf den Schreibtisch. Keinem Journalisten, der ins Büro des Ministers kam, entgingen sie – und schon bald war aus dem spröden Eichel der Sparhans der Nation geworden. Der Mann, der sich bemüht, das Geld der Steuerzahler zusammenzuhalten.
In der Kunst, sich selbst in Szene zu setzen, war Torsten Albig in den vergangenen Wochen nicht ganz so geschickt. Ein Spitzenpolitiker, der seine Ex-Frau nach 27 Jahren Ehe in einem Interview mit dem Klatschblatt Bunte wie ein naives Heimchen am Herd beschreibt? Als Pressesprecher hätte Albig sich selbst davon energisch abraten müssen. Als Ministerpräsident in Schleswig-Holstein allerdings trat der 53-Jährige festen Schrittes ins Fettnäpfchen. Berichtete vom Heilfasten mit seiner neuen Freundin, bei dem er fünf Kilo abgenommen habe, deutete eine Hochzeit an, erzählte von seinen beiden Kindern und bilanzierte seine erste Ehe mit einem Satz, der ihm noch lange nachhängen wird: „Irgendwann entwickelte sich mein Leben schneller als ihres. Wir hatten nur noch ganz wenige Momente, in denen wir uns auf Augenhöhe ausgetauscht haben.“Und weiter: „Meine Frau war in der Rolle als Mutter und Managerin unseres Haushaltes gefangen.“
So wurde das Private, wieder einmal, politisch. Sein seltsam gestriges Rollenbild gepaart mit dem für Albig typischen Schuss Überheblichkeit haben die Wahl sicher nicht alleine zulasten des gebürtigen Bremers entschieden, aber zweifelsohne hat das Interview ihn viele Sympathien gekostet. Mit dem Tag, an dem es erschien, begannen die Umfragewerte der Genossen zu bröckeln. „Das haben viele Leute nicht als besonders klug empfunden“, sagt Albigs Stellvertreter, der Grüne Robert Habeck. Auch in der SPD sitzt der Groll tief. Im Wahlkampf, stichelt Generalsekretärin Katharina Barley, sei es ja vor allem um das Privatleben des Ministerpräsidenten gegangen. Solidaritätsadressen klingen anders.
So geht in Kiel nun vermutlich eine der ungewöhnlichsten Karrieren in der jüngeren Geschichte der SPD zu Ende. Ein gelernter Finanzbeamter, der immer nur anderen zugearbeitet hat, nämlich den Finanzministern Oskar Lafontaine, Hans Eichel und Peer Steinbrück sowie zwischenzeitlich dem Konzernchef der Dresdner Bank, wechselt selbst in die Politik, wird erst Kämmerer und später Bürgermeister in Kiel und schließlich sogar Ministerpräsident, ehe er einer fatalen Fehleinschätzung zum Opfer fällt: Im Glauben, sein Amtsbonus sei ähnlich stark wie der von Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz oder Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland, wollte Albig nicht wahrhaben, dass sich der Wind an der Küste längst gedreht hatte. Rudi Wais