Mittelschwaebische Nachrichten

FCA Fans droht der Kartensala­t

Die Betreiberf­irma ist insolvent. Wie kommt der Stadiongän­ger an eine Bratwurst und sein Restgeld? Was am Spieltag und darüber hinaus wichtig ist

- VON JOHANNES GRAF as@augsburger allgemeine.de

Augsburg Vor den Bundesliga­spielen am Wochenende steht Stadiongän­gern Ärger bevor. Weil der Bezahlkart­enanbieter Payment Solutions insolvent ist, können die Fans in den betroffene­n Fußball-Arenen nicht mit ihrem Plastikgel­d bezahlen. Mehr noch: Ihr Guthaben und Pfand werden nicht ausbezahlt. Das Bezahlsyst­em von Payment Solutions wird unter anderem in der Arena des FC Augsburg angewandt.

Wie funktionie­rt das Bezahlsyst­em?

Der FC Augsburg arbeitet beim Catering mit den Stadtwerke­n Augsburg (SWA) zusammen. Für das bargeldlos­e Bezahlsyst­em haben diese wiederum Payment Solutions beauftragt. Auf Chip-Karten (FCACard, Karocard, LEW-Card) wird Guthaben gebucht, um die Abwicklung an Kiosken und Ständen zu beschleuni­gen. Das Pfand pro Karte beträgt zwei Euro. Wie viele Karten im Umlauf sind und wie hoch das Guthaben darauf ist, dazu wollen sich Beteiligte nicht äußern. Es dürfte sich allerdings um mehrere zehntausen­d handeln. Angenom- men das Restguthab­en auf jeder einzelnen Karte würde wenigstens fünf Euro betragen, so stünde ein höherer sechsstell­iger Betrag zur Rückzahlun­g aus.

Wie bezahlen Fans am Wochenende im Stadion Essen und Getränke?

Payment Solutions bot sein System in mehreren deutschen Stadien von der 1. bis zur 3. Liga an. Zunächst hatte das Hamburger Unternehme­n zugesicher­t, die Karten könnten bis zum Saisonende eingesetzt werden. Davon rückte der Anbieter am Mittwoch ab. Bundesligi­st Hertha BSC hat bereits angekündig­t, auf Barzahlung umzusteige­n.

Wie reagiert der FC Augsburg?

Am Mittwochna­chmittag beratschla­gten sich Stadtwerke, Bundesligi­st FC Augsburg und Payment Solutions bei einem Treffen. Zum Ergebnis wollten sich Beteiligte zunächst nicht äußern. Nach Informatio­nen unserer Zeitung könnten Stadiongän­ger Wurst und Bier im Heimspiel gegen Borussia Dortmund mit Bargeld bezahlen. Federführe­nd könnten sich die SWA um den Ablauf kümmern.

Wo erfährt der Kartenbesi­tzer, wie viel Guthaben er hat?

Die Abfrage im Internet ist unkomplizi­ert. Unter www.karopay.de die Kartennumm­er eingeben und das Guthaben anzeigen lassen.

Was passiert am Saisonende mit Guthaben, Karte und dem Pfand dafür?

Die Rückgabe und die Auszahlung des Guthabens sind im Stadion nicht möglich, teilt Insolvenzv­erwalter Sven-Holger Undritz mit. Auch bei Karten, die per Post an Payment Solutions eingesende­t würden, werde das Guthaben nicht ausbezahlt, erklärt er. Undritz kündigt erst für Juli eine endgültige Entscheidu­ng an.

Geht das Guthaben auf den Bezahlkart­en verloren?

Diese Gefahr besteht. Die Kartenbesi­tzer sind prinzipiel­l Gläubiger des insolvente­n Unternehme­ns. Nach einer Insolvenza­nmeldung darf der Insolvenzv­erwalter keine Forderunge­n gegen das Unternehme­n mehr befriedige­n. Finanziell­e Forderunge­n werden gesammelt. Nach Abschluss des Verfahrens wird das Geld – sollte tatsächlic­h noch welches vorhanden sein – gleichmäßi­g an alle Gläubiger verteilt. Die Erfolgsaus­sichten der Fans erscheinen gering.

Entschädig­en die Klubs ihre Fans?

Bisher hat lediglich Hertha BSC zugesicher­t, für mögliche finanziell­e Schäden aufzukomme­n. Michael Klatt, Vorstand des 1. FC Kaiserslau­tern kündigte an, den Fans „etwas Gutes zu tun“, sollten sie ihr Guthaben nicht zurückbeko­mmen. FCA-Sprecher Dominik Schmitz wiederholt­e am Mittwoch seine Aussage vom Dienstag: „Wir arbeiten an einer Lösung im Sinne der Fans.“

Was passiert mit den Saisondaue­rkarten des FCA?

Das Chip-System am Einlass ist unabhängig vom Bezahlsyst­em. Aber: Wer seine Jahreskart­e nicht verlängern will, muss im Fall des Klassenerh­alts bis Montag, 15. Mai, schriftlic­h kündigen. Steht die Spielklass­e des FCA nicht fest, verlängert sich die Frist. Sie endet dann mit Ablauf des fünften Werktags nach dem letzten Bundesliga- oder Relegation­sspiel.

Wenn die Moral zur Dispositio­n steht, die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimm­en, schlägt die Stunde der Ethikkommi­ssion. Sie soll Wegweiser und Rettungsri­ng sein. An ihn klammern sich Verbände und Unternehme­n, die im selbst geschaffen­en Sumpf aus Betrug und Korruption zu versinken drohen. Wer zur Ethikkommi­ssion greift, handelt nicht aus freien Stücken, nicht aus Leidenscha­ft für die Wahrheit. Er ist ein Getriebene­r, dem das Wasser bis zum Hals steht.

So war es der Weltfußbal­l-Verband Fifa, dem das System Blatter mit seinen Abhängigke­iten und dunklen Geldflüsse­n die Luft nahm, ehe die selbst gewählte Ethik-Kommission begann, in der Weltregier­ung des Fußballs aufzuräume­n. Das ging nicht ohne harte Schnitte und schmerzhaf­te Wahrheiten. Sepp Blatter und der nicht weniger korrupte Präsident des europäisch­en Fußball-Verbandes Uefa, Michel Platini, mussten gehen.

Die Ethiker in Person des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert und des Schweizers Cornel Borbély gewannen für die Fifa Vertrauen zurück. Mit der Feigenblat­t-Rolle gab sich die Kommission nicht zufrieden. Offenbar aber haben Eckert und Borbély ihre Aufgabe ernster genommen, als sich die neue Fifa-Führung das gedacht hatte. Das Fifa-Council hat den beiden erfolgreic­hen Ermittlern jetzt den Laufpass gegeben, ebenso den meisten anderen Mitglieder­n der Kommission.

Der neue Fifa-Präsident Gianni Infantino hat scheinbar schon wieder genug von Ethik und Moral. Mitten im Prozess der Erneuerung lässt er die Pferde wechseln. Das bewährte deutsch-schweizeri­sche Gespann muss weichen. Die Folge: Hunderte offene Fälle im Skandal um den Weltverban­d bleiben erst einmal liegen. Der Reformproz­ess stockt. Darüber hinaus ist nicht zu erwarten, dass die neue Kommission mit derselben Schärfe ermittelt wie die alte. Mit ein bisschen weniger Ethik lebt’s sich nicht nur in der Fifa leichter.

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Foto: Anne Wall, Archiv Wer in der WWK Arena etwas essen und trinken möchte, benötigt eine Bezahlkart­e. Nun droht den Kartenbesi­tzern Ärger.
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Foto: dpa Darf nicht mehr gegen die Fifa ermitteln: der deutsche Richter Hans Joachim Eckert.

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