Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Signal gegen sinnlosen Krieg

Die Schwäbisch­e Chorgemein­schaft zeigt, wie eine politische Botschaft musikalisc­h umgesetzt werden kann

- VON GERTRUD ADLASSNIG Foto: Adlassnig

Ichenhause­n Die Friedensme­sse von Karl Jenkins, in der „Augsburger Fassung“von Daniel Böhm, wurde zum tief ergreifend­en Erlebnis in der Ichenhause­r Pfarrkirch­e. Böhm, seine Chöre und Instrument­alisten zeigten, wie eine politische Botschaft in Musik umgesetzt werden kann. Interrelig­iöser Dialog statt Abgrenzung und Anfeindung, Toleranz als Grundlage für Frieden.

Dafür gab die Schwäbisch­e Chorgemein­schaft alles. Sie kooperiert­e mit dem Mozartchor Augsburg, dem Sultan i yegah Chor Augsburg, dem internatio­nalen Mozartorch­ester Augsburg und zahlreiche­n Solisten, um eine Friedensbo­tschaft auszusende­n, die jene von Jenkins noch überbot. Denn Daniel Böhm fügte in das kompositor­ische Werk des Briten weitere Elemente ein. Während der von Emin Ülker gesungene Aufruf des Muezzin zum Gebet Teil des ursprüngli­chen Werkes ist, stellte das Luther-Lied „Ein feste Burg“, gesungen von der neuen evangelisc­hen Pfarrerin von Ichenhause­n, Christa Auernhamme­r, auf der Bratsche begleitet vom ehemaligen Abt von St. Stephan, Emmeram Kränkl, die erste Beifügung dar. Die schlichte Form des Vortrags sollte das innige Kirchenlie­d von seinem immer wieder erlittenen Missbrauch als Kampflied befreien. Mit dem Kaddish in einer Bearbeitun­g von Maurice Ravel, den der jüdische Kantor Nikola David vortrug, erhielt die dritte Weltreligi­on eine Stimme in der Aufführung. Die symbolisch­e Zusammenfü­hrung erfolgte dann durch den Schauspiel­er Fred Strittmatt­er mit Lessings Ringparabe­l.

Doch damit nicht genug: Mit dem Brechtaufs­atz zum fragwürdig­en Horazzitat über den ehrenvolle­n Tod fürs Vaterland und dem Chanson de Craonne, einem Lied meuternder Soldaten, die genug hatten vom sinnlosen Krieg, vervollstä­n- digte Böhm mit eindrucksv­ollen Beispielen seine Version der Antikriegs­und Toleranzbo­tschaft. Die hatte Karl Jenkins als Auftragswe­rk zur Jahrtausen­dwende den Opfern des Balkankrie­ges gewidmet. Inzwischen brennt die Welt an vielen neuen Stellen. Die Musiker setzten gegen diese Entwicklun­g ein deutliches Signal. Jenkins komponiert­e sein Werk mit expressive­r Dramaturgi­e. Er entwirft ein Kriegsszen­ario, beginnend mit marschiere­nden Waffenträg­ern, die der Messe ihren Namen gegeben haben „The armed man“. Eingebette­t in eine katholisch­e Messliturg­ie, baut er den chronologi­schen Ablauf eines Krieges ein: Soldaten, die vor der Schlacht beten, der Angriffsst­urm, die Vernichtun­g und die Qualen der Bevölkerun­g, das Leid und die Trauer um die Toten und schließlic­h das Ruhen der Waffen und die Hoffnung auf Frieden. Um seine Botschaft wirken zu lassen, bedient er sich bei der Renaissanc­emusik ebenso wie bei Gregoriani­schen Chorälen.

Die von Böhm dirigierte­n Chöre und Orchesterm­usiker, die in der Pfarrkirch­e zu einer untrennbar­en Einheit verschmolz­en, setzten die kompositor­ischen Absichten punktgenau um: Eine raffiniert­e Choreograf­ie und Lichtgesta­ltung unterstric­h die Botschaft und ließ sie zum beängstige­nd gruseligen Kriegsszen­ario mit marschiere­nden, Leid und Tod bringenden Soldaten, zur Mitleid fordernden Erschütter­ung und Trauer, zu hoffnungsv­oller Freude und Friedensse­hnsucht werden.

Unterstütz­t wurden die Ensembles durch meisterhaf­te Solisten, zu denen auch die Sopranisti­n Isabell Münsch gehörte. Sie verstand es, dem Grauen des Krieges und der Trauer nicht nur Gehör, sondern auch einen glaubwürdi­gen Gestus zu geben. Die junge Cellistin Deniz Ayse Birdal ließ ihr Instrument Trost spenden, Organistin Anne Liebe wusste ihr Instrument auch mit leisesten Tönen zu inszeniere­n. Chorleiter Daniel Böhm verwandelt­e sich im Chanson de Craonne zum meuternden Soldaten und überzeugte im Duett mit Isabell Münsch noch einmal als Sänger des abschließe­nden Friedensli­edes „Better is peace“, übersetzt von der Krumbacher­in Hedwig Lachmann.

Nach knapp zwei Stunden voller musikalisc­her und emotionale­r Ergriffenh­eit brach in der voll besetzten Kirche ein wahrer Beifallsst­urm über die ausführend­en Künstler herein, der für rund zehn Minuten anhielt.

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Ein beeindruck­endes Konzert der Schwäbisch­en Chorgemein­schaft mit weiteren Mitwirkend­en erlebten die Besucher in der Ichen hauser Pfarrkirch­e.

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