Mittelschwaebische Nachrichten
Die Wochenschau: Leben im Abstiegskampf
Jan-Ingwer Callsen-Bracker spielt mit seinen Kindern, Manuel Baum kämpft gegen den Schnupfen. Augsburger Normalität vor dem Spiel gegen Dortmund. Hoffnung macht dem FCA ein bisher unbekanntes Gefühl
Augsburg Anfang der Woche ist Manuel Baum erkältet. Seine Nase läuft, immer wieder greift er zum Taschentuch. Aber jetzt ist nicht die Zeit, um zu kränkeln. Der Trainer des FC Augsburg steht vor den zwei wichtigsten Wochen seiner noch kurzen Amtszeit. Mit 36 Punkten hat der FCA zwei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz. Doch das Restprogramm ist das schwierigste der Abstiegskandidaten. Am heutigen Samstag (15.30 Uhr) kommt der Tabellendritte Borussia Dortmund in die ausverkaufte WWK-Arena, eine Woche später muss der FCA zum Vierten TSG 1899 Hoffenheim.
Dennoch gibt sich Baum optimistisch: „Es wäre super, wenn wir uns mit drei Punkten aus dem letzten Heimspiel von unseren Fans verabschieden könnten.“Ein Sieg gegen Dortmund? Nimmt Baum da den Mund nicht zu voll?
Nicht unbedingt. Bei seinem Einstand in der Hinrunde gelang gegen Gladbach ein 1:0, in Dortmund folgte ein 1:1. Acht Tage später wurde er vom Interimscoach zum Cheftrainer befördert. Mit einem Sieg gegen den BVB wäre der Klassenerhalt wohl gesichert (siehe „Rechenspiele“). Es steht also viel auf dem Spiel. Trotzdem, oder gerade deswegen, versucht der FCA die Woche so gewöhnlich wie immer zu gestalten.
Montag: Kindertag Baum gibt seinen Schützlingen frei. Das unglückliche 1:1 in Gladbach wurde schon am Sonntag nach dem Auslaufen aufgearbeitet. Der psychische Druck bleibt aber. Auch für JanIngwer Callsen-Bracker. Der Innenverteidiger sucht Ablenkung mit der Familie. Frau Corinna und die Kinder Elisa Malin (acht Monate) und Lasse Erik (2) stehen im Mittelpunkt. „Ich genieße es, mit den Kindern ein wenig zu spielen. Das mache ich bewusst, um Energie zu tanken für das Training am nächsten Tag.“
Dienstag: Dortmunder Double Das Programm von Trainer Manuel Baum ist anspruchsvoll. Schon Anfang der Woche hat er stundenlang mit seinem Videoanalysten Spielszenen der Dortmunder studiert, um sie in Trainingsformen einzuarbeiten. Baum: „Dortmund ist gerade in der Offensive schwer auszurechnen. Sie spielen sehr flexibel. Man muss versuchen, hinter die Kulissen zu schauen, um festzustellen, anhand welcher Kriterien sie welchen Spielzug durchführen.“Im Training lässt er die „Dortmunder“in der Offensive viele Doppelpässe spielen. Von den „FCA“-Verteidigern fordert er immer eine Absicherung.
Mittwoch: Endlich Alternativen Es herrscht ungewohntes Gedränge auf dem Trainingsplatz. Bis auf Jan Moravek (Oberschenkelblessur), JaCheol Koo (Sprunggelenk) und Gojko Kacar (Rückenbeschwerden) sind alle Spieler fit. Baum könnte zum dritten Mal in Folge die gleiche Startelf aufstellen. Zudem hat er nun mit Raúl Bobadilla und Caiuby gute Offensiv-Alternativen. Es ist ein ungewohntes Gefühl, denn kaum ein anderer Bundesligist hatte unter Verletzungen so zu leiden wie der FCA. Groß jammern wollte man aber nie. „Das hätte nach Ausrede ausgesehen“, meint Baum. Doch der Aufschwung mit sieben Punkten aus den vergangenen vier Spielen kam, als wieder genügend Personal zur Verfügung stand. „Ich bin heilfroh, dass die Jungs da sind“, sagt Baum. Beim Trainingsspiel wird sich nichts geschenkt. „Da ist viel Aggressivität, viel Spannung, viel positive Energie da“, freut sich Baum.
Donnerstag: Augsburg Gefühl Die Bauvorhaben an der WWK-Arena gehen voran. Der Rohbau des Verwaltungsgebäudes ist schon im ersten Stock angelangt und am Stadion werden die ersten Leuchtstäbe der Fassadenverkleidung angebracht. Im Pressekonferenzraum versichert Baum: „Ich bin absolut überzeugt, dass wir die Klasse mit dieser Mannschaft halten werden.“Callsen-Bracker beschwört das spezielle „Augsburg-Gefühl“. Den Schulterschluss zwischen Team und Fans. Er sagt: „Das letzte Heimspiel war Wahnsinn. Den Slogan ,Augsburg hält zusammen‘ spürt man. Das trägt uns.“
Freitag: Videotag Nach dem Abschlusstraining gibt es die letzte Videoanalyse. Dann fährt die Mannschaft ins Hotel nach Bobingen (Landkreis Augsburg). Das liegt wenige Kilometer vom Stadion entfernt. Dort ist das Spiel erst einmal kein Thema mehr.
Samstag: Spieltag Nach dem Frühstück steht ein Spaziergang auf dem Programm. Nach dem Mittagessen gibt es die Mannschaftsbesprechung. Baum erklärt die letzten Ideen und gibt die Aufstellung bekannt. Danach geht es ins Stadion. Um 15.30 Uhr wird das Spiel angepfiffen. Baum sagt: „Wir müssen die enorme Qualität der Dortmunder verteidigen.“Man wolle aber „auch nach vorne was zeigen. Für den Gegner wird es dann schwieriger, weil er genau weiß, dass es richtig rund geht, wenn er den Ball verliert. Mit der Idee wollen wir ins Spiel reingehen.“
Mitteilungen über die Zwischenstände von den anderen Plätzen – alle Spiele finden zeitgleich statt – wird es nicht geben. So will es Baum. „Wir dürfen uns nur auf uns konzentrieren. Alles andere müssen wir ausblenden.“
Sobald sich die Politik in den Sport einmischt, droht Ärger. Umgekehrt verhält es sich genauso, wie der Fall Thomas Greiss zeigt. Der Deutschlandfunk machte gestern auf alte Instagram-Posts des deutschen Torhüters aufmerksam. Die Eishockey-Weltmeisterschaft in Köln hat ihren ersten Skandal.
Zunächst einmal war bekannt, dass der Allgäuer, der seit elf Jahren in der nordamerikanischen Profi-Liga NHL sein Geld verdient, ein Fan von Donald Trump ist. Das muss man nicht sympathisch finden, aber eine tolerante Gesellschaft hält das locker aus. Philipp Grubauer, der deutsche Schlussmann der Washington Capitals, hatte sich im amerikanischen Präsidentschafts-Wahlkampf als TrumpGegner geoutet.
Thomas Greiss aus Roßhaupten bei Füssen machte zudem überdeutlich, kein Fan von Hillary Clinton zu sein. Dem 31-Jährigen gefielen offenbar auch Posts, in denen die ehemalige US-Präsidentschaftskandidatin mit Adolf Hitler verglichen wird.
Wo bleibt die Meinungsfreiheit? Das wird man wohl noch sagen dürfen, rufen dann jene, die die Presse pauschal der Lüge bezichtigten. Doch bei der Verharmlosung des Nationalsozialismus hört die Meinung auf, das ist schlicht dumm. Auch deshalb hat sich Alfons Hörmann zu Wort gemeldet. „Alle Sportler haben eine wichtige Vorbildfunktion in der Öffentlichkeit. Politischer Extremismus hat im Sport schlichtweg nichts zu suchen“, kritisierte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Und setzte seinen Funktionärsfreund Franz Reindl vom Deutschen Eishockey-Bund unter Druck. Ein „Beibehalten dieser Kommunikation“sei „ein klares Ausschlusskriterium“für die Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang.
Allerdings sind die Chancen, dass Greiss bei den Winterspielen startet, eher gering. Die NHL will ihre Profis nicht für das Turnier abstellen. Bundestrainer Marco Sturm sagt, von den Aktivitäten nichts gewusst zu haben: „Ich habe von absolut nichts eine Ahnung. Alles, was nichts mit Eishockey zu tun hat, kann ich nicht kontrollieren.“Gestern Abend gegen Dänemark war der leicht verletzte Schlussmann der New York Islanders nicht als Nummer eins vorgesehen.
Der Eishockeyverband betonte seine politische Neutralität und erklärte: „Allerdings haben wir umgehend das Gespräch mit Thomas Greiss gesucht und nachfolgend hat er die Bilder entliked.“Wie praktisch: einfach entliken und die Sache ist aus der Welt.
Was gestern in den Fokus der Öffentlichkeit geriet, ist mehr als nur Daumen rauf oder runter im Internet. Marco Sturm kämpft mit einem gänzlich neuen Torwartproblem.