Mittelschwaebische Nachrichten

Die Wochenscha­u: Leben im Abstiegska­mpf

Jan-Ingwer Callsen-Bracker spielt mit seinen Kindern, Manuel Baum kämpft gegen den Schnupfen. Augsburger Normalität vor dem Spiel gegen Dortmund. Hoffnung macht dem FCA ein bisher unbekannte­s Gefühl

- VON ROBERT GÖTZ ms@augsburger allgemeine.de

Augsburg Anfang der Woche ist Manuel Baum erkältet. Seine Nase läuft, immer wieder greift er zum Taschentuc­h. Aber jetzt ist nicht die Zeit, um zu kränkeln. Der Trainer des FC Augsburg steht vor den zwei wichtigste­n Wochen seiner noch kurzen Amtszeit. Mit 36 Punkten hat der FCA zwei Punkte Vorsprung auf den Relegation­splatz. Doch das Restprogra­mm ist das schwierigs­te der Abstiegska­ndidaten. Am heutigen Samstag (15.30 Uhr) kommt der Tabellendr­itte Borussia Dortmund in die ausverkauf­te WWK-Arena, eine Woche später muss der FCA zum Vierten TSG 1899 Hoffenheim.

Dennoch gibt sich Baum optimistis­ch: „Es wäre super, wenn wir uns mit drei Punkten aus dem letzten Heimspiel von unseren Fans verabschie­den könnten.“Ein Sieg gegen Dortmund? Nimmt Baum da den Mund nicht zu voll?

Nicht unbedingt. Bei seinem Einstand in der Hinrunde gelang gegen Gladbach ein 1:0, in Dortmund folgte ein 1:1. Acht Tage später wurde er vom Interimsco­ach zum Cheftraine­r befördert. Mit einem Sieg gegen den BVB wäre der Klassenerh­alt wohl gesichert (siehe „Rechenspie­le“). Es steht also viel auf dem Spiel. Trotzdem, oder gerade deswegen, versucht der FCA die Woche so gewöhnlich wie immer zu gestalten.

Montag: Kindertag Baum gibt seinen Schützling­en frei. Das unglücklic­he 1:1 in Gladbach wurde schon am Sonntag nach dem Auslaufen aufgearbei­tet. Der psychische Druck bleibt aber. Auch für JanIngwer Callsen-Bracker. Der Innenverte­idiger sucht Ablenkung mit der Familie. Frau Corinna und die Kinder Elisa Malin (acht Monate) und Lasse Erik (2) stehen im Mittelpunk­t. „Ich genieße es, mit den Kindern ein wenig zu spielen. Das mache ich bewusst, um Energie zu tanken für das Training am nächsten Tag.“

Dienstag: Dortmunder Double Das Programm von Trainer Manuel Baum ist anspruchsv­oll. Schon Anfang der Woche hat er stundenlan­g mit seinem Videoanaly­sten Spielszene­n der Dortmunder studiert, um sie in Trainingsf­ormen einzuarbei­ten. Baum: „Dortmund ist gerade in der Offensive schwer auszurechn­en. Sie spielen sehr flexibel. Man muss versuchen, hinter die Kulissen zu schauen, um festzustel­len, anhand welcher Kriterien sie welchen Spielzug durchführe­n.“Im Training lässt er die „Dortmunder“in der Offensive viele Doppelpäss­e spielen. Von den „FCA“-Verteidige­rn fordert er immer eine Absicherun­g.

Mittwoch: Endlich Alternativ­en Es herrscht ungewohnte­s Gedränge auf dem Trainingsp­latz. Bis auf Jan Moravek (Oberschenk­elblessur), JaCheol Koo (Sprunggele­nk) und Gojko Kacar (Rückenbesc­hwerden) sind alle Spieler fit. Baum könnte zum dritten Mal in Folge die gleiche Startelf aufstellen. Zudem hat er nun mit Raúl Bobadilla und Caiuby gute Offensiv-Alternativ­en. Es ist ein ungewohnte­s Gefühl, denn kaum ein anderer Bundesligi­st hatte unter Verletzung­en so zu leiden wie der FCA. Groß jammern wollte man aber nie. „Das hätte nach Ausrede ausgesehen“, meint Baum. Doch der Aufschwung mit sieben Punkten aus den vergangene­n vier Spielen kam, als wieder genügend Personal zur Verfügung stand. „Ich bin heilfroh, dass die Jungs da sind“, sagt Baum. Beim Trainingss­piel wird sich nichts geschenkt. „Da ist viel Aggressivi­tät, viel Spannung, viel positive Energie da“, freut sich Baum.

Donnerstag: Augsburg Gefühl Die Bauvorhabe­n an der WWK-Arena gehen voran. Der Rohbau des Verwaltung­sgebäudes ist schon im ersten Stock angelangt und am Stadion werden die ersten Leuchtstäb­e der Fassadenve­rkleidung angebracht. Im Pressekonf­erenzraum versichert Baum: „Ich bin absolut überzeugt, dass wir die Klasse mit dieser Mannschaft halten werden.“Callsen-Bracker beschwört das spezielle „Augsburg-Gefühl“. Den Schultersc­hluss zwischen Team und Fans. Er sagt: „Das letzte Heimspiel war Wahnsinn. Den Slogan ,Augsburg hält zusammen‘ spürt man. Das trägt uns.“

Freitag: Videotag Nach dem Abschlusst­raining gibt es die letzte Videoanaly­se. Dann fährt die Mannschaft ins Hotel nach Bobingen (Landkreis Augsburg). Das liegt wenige Kilometer vom Stadion entfernt. Dort ist das Spiel erst einmal kein Thema mehr.

Samstag: Spieltag Nach dem Frühstück steht ein Spaziergan­g auf dem Programm. Nach dem Mittagesse­n gibt es die Mannschaft­sbesprechu­ng. Baum erklärt die letzten Ideen und gibt die Aufstellun­g bekannt. Danach geht es ins Stadion. Um 15.30 Uhr wird das Spiel angepfiffe­n. Baum sagt: „Wir müssen die enorme Qualität der Dortmunder verteidige­n.“Man wolle aber „auch nach vorne was zeigen. Für den Gegner wird es dann schwierige­r, weil er genau weiß, dass es richtig rund geht, wenn er den Ball verliert. Mit der Idee wollen wir ins Spiel reingehen.“

Mitteilung­en über die Zwischenst­ände von den anderen Plätzen – alle Spiele finden zeitgleich statt – wird es nicht geben. So will es Baum. „Wir dürfen uns nur auf uns konzentrie­ren. Alles andere müssen wir ausblenden.“

Sobald sich die Politik in den Sport einmischt, droht Ärger. Umgekehrt verhält es sich genauso, wie der Fall Thomas Greiss zeigt. Der Deutschlan­dfunk machte gestern auf alte Instagram-Posts des deutschen Torhüters aufmerksam. Die Eishockey-Weltmeiste­rschaft in Köln hat ihren ersten Skandal.

Zunächst einmal war bekannt, dass der Allgäuer, der seit elf Jahren in der nordamerik­anischen Profi-Liga NHL sein Geld verdient, ein Fan von Donald Trump ist. Das muss man nicht sympathisc­h finden, aber eine tolerante Gesellscha­ft hält das locker aus. Philipp Grubauer, der deutsche Schlussman­n der Washington Capitals, hatte sich im amerikanis­chen Präsidents­chafts-Wahlkampf als TrumpGegne­r geoutet.

Thomas Greiss aus Roßhaupten bei Füssen machte zudem überdeutli­ch, kein Fan von Hillary Clinton zu sein. Dem 31-Jährigen gefielen offenbar auch Posts, in denen die ehemalige US-Präsidents­chaftskand­idatin mit Adolf Hitler verglichen wird.

Wo bleibt die Meinungsfr­eiheit? Das wird man wohl noch sagen dürfen, rufen dann jene, die die Presse pauschal der Lüge bezichtigt­en. Doch bei der Verharmlos­ung des Nationalso­zialismus hört die Meinung auf, das ist schlicht dumm. Auch deshalb hat sich Alfons Hörmann zu Wort gemeldet. „Alle Sportler haben eine wichtige Vorbildfun­ktion in der Öffentlich­keit. Politische­r Extremismu­s hat im Sport schlichtwe­g nichts zu suchen“, kritisiert­e der Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB). Und setzte seinen Funktionär­sfreund Franz Reindl vom Deutschen Eishockey-Bund unter Druck. Ein „Beibehalte­n dieser Kommunikat­ion“sei „ein klares Ausschluss­kriterium“für die Olympische­n Spiele 2018 in Pyeongchan­g.

Allerdings sind die Chancen, dass Greiss bei den Winterspie­len startet, eher gering. Die NHL will ihre Profis nicht für das Turnier abstellen. Bundestrai­ner Marco Sturm sagt, von den Aktivitäte­n nichts gewusst zu haben: „Ich habe von absolut nichts eine Ahnung. Alles, was nichts mit Eishockey zu tun hat, kann ich nicht kontrollie­ren.“Gestern Abend gegen Dänemark war der leicht verletzte Schlussman­n der New York Islanders nicht als Nummer eins vorgesehen.

Der Eishockeyv­erband betonte seine politische Neutralitä­t und erklärte: „Allerdings haben wir umgehend das Gespräch mit Thomas Greiss gesucht und nachfolgen­d hat er die Bilder entliked.“Wie praktisch: einfach entliken und die Sache ist aus der Welt.

Was gestern in den Fokus der Öffentlich­keit geriet, ist mehr als nur Daumen rauf oder runter im Internet. Marco Sturm kämpft mit einem gänzlich neuen Torwartpro­blem.

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Thomas Greiss vertritt eine mehr als nur eigenwilli­ge politische Meinung.

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