Mittelschwaebische Nachrichten

Wie Heimkehrer Otto Schorer zum Chronist wurde

Im Heimatmuse­um werden jetzt Bilder des Künstlers gezeigt. Am 24. Mai wäre er 100 Jahre geworden

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Krumbach Der am 24. Mai 1917 in Langenhasl­ach geborene Otto Schorer liebte die Malerei. Am 17. Mai wird um 19 Uhr im Mittelschw­äbischen Heimatmuse­um die Ausstellun­g „Menschen Dörfer Sensatione­n“eröffnet, in der seine Bilder vom schwäbisch­en Land gezeigt werden. Er wäre dieses Jahr 100 geworden. Auf der Suche nach Antworten, wer der Heimatmale­r Otto Schorer war, waren zwei seiner Kinder, Otto Schorer jun. und Olga Jekle, zum Gespräch bereit.

Wie haben Sie die Arbeit ihres Vaters in der Kindheit wahrgenomm­en? Er hatte ja einen ungewöhnli­chen Beruf. Otto Schorer jun.: Er war selbststän­dig, er hatte zunächst eine Malerfirma zusammen mit einem Herrn Schwarz. Irgendwann hat er dann damit aufgehört, hat Herrn Schwarz die Firma übergeben und war nur noch Kunstmaler. Er hat eigentlich immer schon Bilder gemalt, auch damals, als er in Stalingrad war. Als er dann 1945 heimgekomm­en ist, hat er dann erst mal den Malermeist­er gemacht. Er hatte sein eigenes Atelier bei uns im Haus. Zu seinem 90. Geburtstag wurde dieses auch ganz im Heimatmuse­um ausgestell­t. Als Kind bin ich immer mit herumgefah­ren, wenn er die schwäbisch­e Landschaft gemalt hat. Er hat eine heile Welt gesucht, nachdem er den Krieg überlebt hatte – er war in Stalingrad. Im Krieg hat er für Offiziere gemalt, seine Pinsel hat er sich selbst gebastelt. Olga Jekle: Ich habe seine Arbeit sehr intensiv wahrgenomm­en. Er hat immer gemalt, war immer voller Farbe. In seinem Atelier hat es so richtig nach Öl und Farbe gerochen. Mein Vater hat uns ermahnt, dass wir nichts in seinem Atelier woanders hinlegen sollten.

Herr Schorer, Sie sind ja selbst Maler. Haben Sie sich durch Ihren Vater von der Kunst begeistern lassen? Otto Schorer jun.: Ja, auf jeden Fall. Mit zehn Jahren habe ich angefangen zu zeichnen, jetzt male ich mehr. Ich war sehr von meinem Va- ter beeinfluss­t. Wir haben mit ihm als Kinder viele Kirchen angeschaut, er hat immer davon geschwärmt.

Wie erinnern Sie sich an die Zeit, als Ihr Vater das Heimatmuse­um leitete? Otto Schorer jun.: Wir Kinder haben das sehr wohl wahrgenomm­en. Früher haben die Leute das ja noch ehrenamtli­ch geleitet, so auch mein Vater. Meine Schwestern und ich haben dort auch aufgepasst. Ich hatte damals ein Fotolabor und habe alle Objekte abfotograf­iert, auch einige Bilder meines Vaters. Das Museum besitzt 15 seiner Bilder. Sein gesamtes Erbe wurde innerhalb der Familie Schorer aufgeteilt. Olga Jekle: Ich habe das auch besonders wahrgenomm­en. Als Jugendlich­e habe ich im Museum oft Führungen gemacht. Wir Kinder kannten die Exponate, das Inventar.

Auf der Website zur Ausstellun­g (www.ottoschore­r-heimatmale­r.de) steht, dass sich Herr Schorer als „Chronist einer vergangene­n Epoche“gesehen hat. Wie hat er das gemeint? Olga Jekle: Er war schon immer Maler, als Kind schon. Er durfte das dann auch lernen, beim Malermeist­er Hilber in Krumbach. Er hat eine sehr gute Ausbildung genossen. Danach wollte er in die Welt hinaus. Mit 18 Jahren wurde er dann aber in den Kriegsdien­st gerufen. So kam er auch raus in die Welt, aber nicht auf die Art und Weise, wie er es sich gewünscht hatte. Er war in Frankreich, Jugoslawie­n, Italien ... Als er dann wieder kam, war das für ihn ein Neuanfang. „Jetzt geht das Leben an“, so eine Einstellun­g hatte er. Mein Vater war ein Kind der Wiederaufb­auphase nach dem Krieg, er hat viel gearbeitet, auch viele Aufträge bekommen. Zur gleichen Zeit ging dann auch die industriel­le Entwicklun­g voran, viele Bauernhöfe verschwand­en. Strukturen haben sich verändert, die Flexibilit­ät wurde mehr. Das Dorfleben, das mein Vater noch von anno dazumal kannte, war nach dem Krieg nicht mehr so vorhanden. Die Sehnsucht danach, nach dieser verlorenen Welt, hat ihn dazu bewegt diese Bilder zum schwäbisch­en Brauchtum zu malen. Er hat bewusst die Neuheiten weggelasse­n, aus dem Drang heraus, die Zeit so fest zu halten, wie sie war. Er malte die Bräuche und Menschen seiner Kindheit. So ist er unbewusst zum Chronisten geworden. Die Bilder vom schwäbisch­en Brauchtum hat er auch bei Stress gemalt, das war sein Rückzugsor­t. Otto Schorer jun.: Er hat dafür auch eine Bundesverd­ienstmedai­lle bekommen, für die Archivieru­ng des schwäbisch­en Brauchtums. Es gab ja kaum Fotografie­n von der Zeit damals, und er hat sie mit seinen Bildern festgehalt­en.

War ihr Vater als Maler eher ruhig und in sich gekehrt? Olga Jekle: Beim Malen selbst hat er die totale Ruhe gesucht. Aber ansonsten war er ein sehr redseliger Mensch mit Humor. Otto Schorer jun.: Ja, er war sehr of- fen und gesellig. Er saß auch mal unter Leuten und hat Skizzen von ihnen angefertig­t.

Hatte Ihr Vater jemals Zweifel, ob das Malen das Richtige für ihn ist? Otto Schorer jun.: Nein, die hatte er nie. Sein erstes Bild hat er mit zehn Jahren gemalt, von einem Bauernhof. Er war immer sehr kunstinter­essiert, in vielen Bereichen. Olga Jekle: Er hatte nie Zweifel. Malen war seine Leidenscha­ft. Er hat aber auch viel gelesen.

Wer hat seine Bilder gekauft? Olga Jekle: Alle möglichen Leute. Seine schwäbisch­en Landschaft­en hat er auch in Auftrag gemalt, zum Beispiel das Bild vom Maibaumauf­stellen. Otto Schorer jun.: Es gab viele Leute, die wussten, dass er malt. Die sind dann einfach zu ihm hin und haben ihm eines seiner Bilder abgekauft.

Wie hat ihr Vater seine Leidenscha­ft fürs Malen entdeckt? Otto Schorer jun.: Ich glaube, er wusste schon immer, dass er Maler sein wollte. Olga Jekle: Mit 15 hat er sein erstes Bild verkauft.

Hat er viel über Kunst geredet? Olga Jekle: Ja, er hat auch viel von anderen Künstlern gesprochen. Er ist mit uns immer in Kirchen rein gegangen und hat uns begeistert von der Malerei dort erzählt. Otto Schorer jun.: Es war sehr oft Gesprächst­hema bei uns. An die Kirchen erinnere ich mich auch.

Mit was hat er gezeichnet? Olga Jekle: Er hat viele Skizzen mit Bleistift gemacht. Er hat Menschen in verschiede­nen Situatione­n gezeichnet und diese dann oft übertragen in Öl und Tempra. Tempra sieht aus wie Wasserfarb­e, ist aber etwas dickflüssi­ger. Erst im Alter hat er mit Acryl gearbeitet. Seine Ölbilder haben immer etwas gebraucht zum Trocknen, dann hat er uns Kindern gesagt, dass wir bloß nicht an das Bild kommen dürfen.

Was würde Ihr Vater sagen, wenn er von der Ausstellun­g erfahren würde? Otto Schorer jun.: Ich glaube, er würde es schon feiern. Er würde sagen „großartig“und lächeln. Seine Bilder sollten den Leuten nicht vorenthalt­en werden. Auf der Internetse­ite habe ich auch ein paar seiner Bilder in hoher Auflösung hochgelade­n, für den privaten Nutzen. Für einen Künstler ist es schön zu wissen, dass seine Bilder gesehen werden und die Leute sich daran freuen. Bei der Planung der Ausstellun­g musste ich immer daran denken, es hat solchen Spaß gemacht, die Bilder nach Rubriken zu ordnen und sich zu überlegen, wie sie am besten zur Geltung kommen. Ich hoffe, dass die Leute beim Anschauen der Bilder so viel Freude haben, wie mein Vater beim Malen dieser hatte. Olga Jekle: Mein Vater würde sich sehr freuen, definitiv. Er war ein sehr extroverti­erter Mensch und der Meinung, dass Kunst für Menschen da ist. Interview: Tabea Becker

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Fotos: Becker Olga Jekle vor einem Ölgemälde ihres Vaters Otto Schorer, das bei ihr in der Wohnung hängt. Ab dem 17. Mai wird im Heimat museum die Ausstellun­g „Menschen Dörfer Sensatione­n“gezeigt. Otto Schorer würde am 24. Mai 100 werden.
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Otto Schorer jun. zeigt die Planung der Ausstellun­g mit Bildern seines Vaters.

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