Mittelschwaebische Nachrichten
Stasi Methoden bei Müller?
„Der Chef hört mit“. Das Magazin Stern erhebt schwere Vorwürfe gegen den Drogerie-König. Es ist nicht das erste Mal, dass der Ulmer ins Kreuzfeuer der Kritik gerät
Ulm Das Magazin Stern erhebt in der aktuellen Ausgabe schwere Vorwürfen gegen Erwin Müller, den Chef des europaweit agierenden Drogeriemarkt-Imperiums mit Sitz in Ulm. Im Artikel „Der Chef hört mit“heißt es, dem Stern liegen Mitschnitte von Telefongesprächen vor, die der 84-Jährige regelmäßig habe anfertigen lassen. Angehört habe er die Kassetten per Walkman auf der Rückbank seines S-Klasse Mercedes. Mithilfe solcher „StasiMethoden“habe der 84-Jährige erfahren, wer mehr Gehalt will, und wer beispielsweise aus Gesundheitsgründen an den Vorruhestand denke.
Dass Erwin Müller nicht zimperlich mit seinen Mitarbeitern umgeht, kritisiert Verdi schon seit Langem. 2009 stellte die Gewerkschaft etwa Strafantrag bei der Ulmer Staatsanwaltschaft wegen der Behinderung von Betriebsratswahlen. Der Stern berichtet jetzt, dass sich ein namentlich genannter Kommissionierer des Zentrallagers Ulm im Zusammenhang mit der Gründung eines Betriebsrats 2011 das Leben genommen habe. Ahmet H. hatte demnach zu jenen Mitarbeitern gezählt, die eine solche institutionalisierte Arbeitnehmervertretung gründen wollten. Müller hatte sich dagegen juristisch gewehrt und missliebige Mitarbeiter wie Ahmet H. seien in andere Lager versetzt worden. Der Milliardär sprach von „Hetzkampagnen“, wenn es um das Thema Mitbestimmung gehe. Er sei schließlich ein Unternehmer mit „hoher sozialer Kompetenz“. In 20 Punkten habe Müller schriftlich mitgeteilt, warum Betriebsräte in seinem Unternehmen nichts zu su- chen hätten: Die Rede sei von prall gefüllten Nikolaustüten und gefärbten Böden für eine angenehme Atmosphäre gewesen. Ahmet H. habe erst Hausverbot bekommen und wurde später entlassen. Dann habe er sich selbst getötet. „Sie haben alle niedergemacht“, soll er auf einem Abschiedsvideo gesagt haben. Und: „Dieser Müller, was soll ich sagen?“Ein „Klima der Angst vor Bespitzelung unter den leitenden Mitarbeitern“herrscht laut Stern bei Müller. Das Magazin zitiert hier offenbar aus richterlichen Schriftsätzen. Auslöser einer juristischen Auseinandersetzung sei ein Schreiben an Reinhard Müller, Erwin Müllers Sohn aus erster Ehe, gewesen. Der 58-Jährige leitet Europas größtes Schießzentrum, das im Ulmich mer Norden steht. Laut Stern habe er eigentlich das Drogerie-Imperium modernisieren wollen – wurde aber vom eigenen Vater aus der Geschäftsführung entfernt und auf die Schießanlage abgeschoben. Dort handelt der 58-Jährige jetzt mit Waffen statt Drogerieartikeln. Mehr als 600 Kurz- und Langwaffen aller Art erwarten die Kunden in der Waffenabteilung des Schießzentrums laut Eigenwerbung. 2009 sei zeitgleich ein anonymes Schreiben in der Schießanlage und bei der Staatsanwaltschaft Ulm eingegangen. Von Schikanen und Mobbing sei die Rede gewesen. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Ermittlungen, Erwin Müller laut Stern aber nicht. Der Milliardär habe einen seiner Geschäftsführer hinter den Anschuldigungen vermutet und sich so einen juristischen Schlagabtausch mit dem Verdächtigten geliefert, was richterliche Schriftsätze nach sich zog, die tief in ein unübersichtliches Imperium blicken ließen.
Wer auf der Müller-Homepage auf das Impressum klickt, sieht, dass das Drogerie-Imperium Verbindungen nach Großbritannien hat: „Müller Großhandels Ltd. & Co“. KG. Das Kürzel Ltd. weist auf eine Firma nach britischem Gesellschaftsrecht hin. Es gibt noch die „Müller Holding Ltd. & Co. KG“und „Müller Management Ltd.“Das hat Vorteile: Denn grundsätzlich ist dem englischen Recht das Organ des Aufsichtsrates fremd. Eine „Black-Box“hat dieses verschachtelte Konstrukt Verdi schon mehrfach genannt. Eine Stellungnahme zu den Vorwürfen wollte die Firma mit 770 Drogeriemärkten und 4,3 Milliarden Euro Jahresumsatz weder dem Stern noch unserer Zeitung abgeben.