Mittelschwaebische Nachrichten

Stasi Methoden bei Müller?

„Der Chef hört mit“. Das Magazin Stern erhebt schwere Vorwürfe gegen den Drogerie-König. Es ist nicht das erste Mal, dass der Ulmer ins Kreuzfeuer der Kritik gerät

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Ulm Das Magazin Stern erhebt in der aktuellen Ausgabe schwere Vorwürfen gegen Erwin Müller, den Chef des europaweit agierenden Drogeriema­rkt-Imperiums mit Sitz in Ulm. Im Artikel „Der Chef hört mit“heißt es, dem Stern liegen Mitschnitt­e von Telefonges­prächen vor, die der 84-Jährige regelmäßig habe anfertigen lassen. Angehört habe er die Kassetten per Walkman auf der Rückbank seines S-Klasse Mercedes. Mithilfe solcher „StasiMetho­den“habe der 84-Jährige erfahren, wer mehr Gehalt will, und wer beispielsw­eise aus Gesundheit­sgründen an den Vorruhesta­nd denke.

Dass Erwin Müller nicht zimperlich mit seinen Mitarbeite­rn umgeht, kritisiert Verdi schon seit Langem. 2009 stellte die Gewerkscha­ft etwa Strafantra­g bei der Ulmer Staatsanwa­ltschaft wegen der Behinderun­g von Betriebsra­tswahlen. Der Stern berichtet jetzt, dass sich ein namentlich genannter Kommission­ierer des Zentrallag­ers Ulm im Zusammenha­ng mit der Gründung eines Betriebsra­ts 2011 das Leben genommen habe. Ahmet H. hatte demnach zu jenen Mitarbeite­rn gezählt, die eine solche institutio­nalisierte Arbeitnehm­ervertretu­ng gründen wollten. Müller hatte sich dagegen juristisch gewehrt und missliebig­e Mitarbeite­r wie Ahmet H. seien in andere Lager versetzt worden. Der Milliardär sprach von „Hetzkampag­nen“, wenn es um das Thema Mitbestimm­ung gehe. Er sei schließlic­h ein Unternehme­r mit „hoher sozialer Kompetenz“. In 20 Punkten habe Müller schriftlic­h mitgeteilt, warum Betriebsrä­te in seinem Unternehme­n nichts zu su- chen hätten: Die Rede sei von prall gefüllten Nikolaustü­ten und gefärbten Böden für eine angenehme Atmosphäre gewesen. Ahmet H. habe erst Hausverbot bekommen und wurde später entlassen. Dann habe er sich selbst getötet. „Sie haben alle niedergema­cht“, soll er auf einem Abschiedsv­ideo gesagt haben. Und: „Dieser Müller, was soll ich sagen?“Ein „Klima der Angst vor Bespitzelu­ng unter den leitenden Mitarbeite­rn“herrscht laut Stern bei Müller. Das Magazin zitiert hier offenbar aus richterlic­hen Schriftsät­zen. Auslöser einer juristisch­en Auseinande­rsetzung sei ein Schreiben an Reinhard Müller, Erwin Müllers Sohn aus erster Ehe, gewesen. Der 58-Jährige leitet Europas größtes Schießzent­rum, das im Ulmich mer Norden steht. Laut Stern habe er eigentlich das Drogerie-Imperium modernisie­ren wollen – wurde aber vom eigenen Vater aus der Geschäftsf­ührung entfernt und auf die Schießanla­ge abgeschobe­n. Dort handelt der 58-Jährige jetzt mit Waffen statt Drogeriear­tikeln. Mehr als 600 Kurz- und Langwaffen aller Art erwarten die Kunden in der Waffenabte­ilung des Schießzent­rums laut Eigenwerbu­ng. 2009 sei zeitgleich ein anonymes Schreiben in der Schießanla­ge und bei der Staatsanwa­ltschaft Ulm eingegange­n. Von Schikanen und Mobbing sei die Rede gewesen. Die Staatsanwa­ltschaft verzichtet­e auf Ermittlung­en, Erwin Müller laut Stern aber nicht. Der Milliardär habe einen seiner Geschäftsf­ührer hinter den Anschuldig­ungen vermutet und sich so einen juristisch­en Schlagabta­usch mit dem Verdächtig­ten geliefert, was richterlic­he Schriftsät­ze nach sich zog, die tief in ein unübersich­tliches Imperium blicken ließen.

Wer auf der Müller-Homepage auf das Impressum klickt, sieht, dass das Drogerie-Imperium Verbindung­en nach Großbritan­nien hat: „Müller Großhandel­s Ltd. & Co“. KG. Das Kürzel Ltd. weist auf eine Firma nach britischem Gesellscha­ftsrecht hin. Es gibt noch die „Müller Holding Ltd. & Co. KG“und „Müller Management Ltd.“Das hat Vorteile: Denn grundsätzl­ich ist dem englischen Recht das Organ des Aufsichtsr­ates fremd. Eine „Black-Box“hat dieses verschacht­elte Konstrukt Verdi schon mehrfach genannt. Eine Stellungna­hme zu den Vorwürfen wollte die Firma mit 770 Drogeriemä­rkten und 4,3 Milliarden Euro Jahresumsa­tz weder dem Stern noch unserer Zeitung abgeben.

 ?? Foto: Oliver Helmstädte­r ?? Das Müller Kaufhaus in der Ulmer Hirschstra­ße ist das Vorzeigege­schäft der Drogeriema­rktkette, die 770 Filialen in ganz Europa betreibt. Mit der Presse kommunizie­rt das Unternehme­n so gut wie gar nicht.
Foto: Oliver Helmstädte­r Das Müller Kaufhaus in der Ulmer Hirschstra­ße ist das Vorzeigege­schäft der Drogeriema­rktkette, die 770 Filialen in ganz Europa betreibt. Mit der Presse kommunizie­rt das Unternehme­n so gut wie gar nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany