Mittelschwaebische Nachrichten
Singen als Breitensport für die Seele
Wie sich am Beispiel der Alpenvereins-Singgruppe zeigt, warum es oft an Nachwuchskräften fehlt. Dabei macht Singen viel Spaß
Krumbach Das Ziel ist recht hoch gesteckt: „In einem Chor muss man aufeinander hören, miteinander singen und füreinander vortragen“, so sieht es Chorleiterin Gabi Hartmann, die seit zwei Jahren der Singgruppe des Krumbacher Alpenvereins vorsteht. „Mitanand – füranand – Hand in Hand!“ist eine weitere Devise für sie, um die Aktiven bei der Stange zu halten, in ihnen den Spaß am Singen zu fördern und sie zum Besuch der wöchentlichen Proben anzuregen. Ihr Ziel dabei: „Jeder soll an deren Ende mit einem Gefühl der Freude heimgehen und eine gewisse Dankbarkeit für die gemeinsam verbrachte Zeit spüren.“Sie weiß, dass ihr als professionelle Chorleiterin das nicht immer gelingt – aber doch sehr oft.
Eine Singgruppe des Alpenvereins? Viele glauben, die singen nur Berg- und Mundartlieder. Dazu Hartmann: „Die singen wir natürlich auch. Unser Repertoire umfasst aber ebenso moderne Kirchenlieder, Evergreens oder Schlager, Volkslieder und weltliche Chorliteratur – allerdings in der Regel ohne Textblatt und in deutscher Sprache.“Zu den jährlich wiederkehrenden Auftritten zählen eine Maiandacht vor der Lourdesgrotte bei der Berufsfachschule für Musik, die Bergmesse im Allgäu und die Mitgestaltung von Sektionsabenden sowie diversen öffentlichen Veranstaltungen. Für heuer ist im Herbst sogar ein eigenes Weinfest geplant. Musikalisch vertreten hat die Gruppe die Stadt bei Festen in Tirol, in der Schweiz, der Rheinpfalz im Westen und dem Bayerischen Wald im Osten, aber auch beim Adventssingen auf dem Münchner Marienplatz. Vor geraumer Zeit kam es zudem zu einem Treffen mit Kameraleuten des südkoreanischen Staatsfernsehens, die eine eigene Sendung mit deutschen Volksliedern und bayerischem Musikgut filmten. Mit dabei ist bei diesen Auftritten stets die Stubenmusik Fischer, die für die passende und einfühlsame musikalische Begleitung sorgt.
Wichtig ist für Gabi Hartmann, dass die Singgruppe „eine Art Breitensport für die Seele“betreibt. Was sie darunter versteht? „Bei uns sind keine besonderen Notenkenntnisse erforderlich und vorsingen muss auch niemand.“Chorsprecherin Heidi Schäferling ergänzt: „Mitbringen sollte jedoch jeder Lust und Freude am Singen.“Ansonsten aber gibt es keine Bedingungen und Verpflichtungen – nicht einmal die Mitgliedschaft im Alpenverein ist Vo- raussetzung. Zu einer Schnupperprobe sei jedermann am ersten Donnerstag im Monat ab 19 Uhr im Ringlersaal willkommen. Wobei den Chorverantwortlichen eines klar ist: „Der Besuch ist völlig unverbindlich und verpflichtet zu nichts.“Und auch die Tatsache, dass nicht jeder Berufstätige zu allen Proben erscheinen könne, stelle kein Problem dar. Übrigens besitzt in Schwaben und vermutlich auch im bayerischen Raum keine der vielen Alpenvereinssektionen eine eigene Singgruppe – jedenfalls ist den Verantwortlichen davon nichts bekannt. In Krumbach war es im Frühjahr 1981 der damalige Sektionsvorsitzende Walter Samesch, der im Gymnastikraum des „Englischen Instituts“20 jüngere Sängerinnen und Sänger aus dem Alpenverein um sich scharte mit dem Ziel, gemeinsam bekannte Volkslieder zu singen. Bei monatlich zweimaligen Treffen war es zuerst wichtig, die Texte auswendig zu lernen und „einfach zu singen“, wie sich Chronist und Gründungsmitglied Franz Micheler erinnert. Erster öffentlicher Auftritt war bei der SektionsAdventsfeier im Dezember, schon damals mit der gleichfalls neu gegründeten Familienmusik Fischer. Diese bestand aus den drei FischerKindern Hubert, Ernst und Monika sowie Christine und Josef Biberacher. Mutter Malchen übernahm den Dirigentenstab, obwohl sie vorher noch nie einen solchen in der Hand gehalten hatte. Sie besaß allerdings gute Klavier- und Akkordeonkenntnisse und wurde so zum „rettenden Engel“für die junge Sängerschar. 34 Jahre lang blieb sie Leiterin der heute rund 30-köpfigen Aktivengruppe, bis sie vor zwei Jahren dieses Amt in die Obhut von Gabi Hartmann übergab. Unter den inzwischen weit über 300 Auftritten seit der Gründung erinnert sich Franz Micheler besonders an einen schwabenweiten Chorwettbewerb der Augsburger Allgemeinen, zu dem die Singgruppe eingeladen worden war. Der Chronist: „Unser gerade vier Jahre alter Chor trat gegen Gruppen an, die schon eine 50oder gar 125-jährige Tradition aufweisen konnten. Erst Wochen früher hatten wir die ersten vierstimmigen Liedsätze eingeübt und besaßen nicht den Hauch einer Chance. Wir sangen also unbeschwert, unbekümmert und ohne Leistungsdruck, dafür herzensfroh und frisch.“Das Ergebnis: Auszeichnung mit besonderem Erfolg. Micheler heute: „Das war sozusagen eine Silbermedaille – wir konnten es zuerst gar nicht fassen.“Es wundert nicht, dass anschließend mehrere Auftritte im Rahmen der musikalischen Sommerkonzerte im berühmten Kirchheimer Zedernsaal folgten.
Gabi Hartmann baut also auf einer guten Tradition mit manchem musikalischen Erfolg auf. Sie will die Sänger auch künftig dazu bringen, „mit Überzeugung, Freude und Gefühl für sich selbst zu singen und zu verstehen, was sie singen“. Das zu vermitteln, ist ihr eines der wichtigsten Anliegen, denn „nur dann können wir unsere Zuhörer erreichen“. Dass die AV-Singgruppe deshalb Nachwuchs jüngerer Interessenten gut brauchen könnte, ist eine Sorge, die sie mit vielen anderen Chören teilt, gibt es doch allein in Krumbach knapp ein Dutzend Chöre und Gesangsgruppen mit den unterschiedlichsten Ausrichtungen.