Mittelschwaebische Nachrichten

Singen als Breitenspo­rt für die Seele

Wie sich am Beispiel der Alpenverei­ns-Singgruppe zeigt, warum es oft an Nachwuchsk­räften fehlt. Dabei macht Singen viel Spaß

- VON HANS BOSCH

Krumbach Das Ziel ist recht hoch gesteckt: „In einem Chor muss man aufeinande­r hören, miteinande­r singen und füreinande­r vortragen“, so sieht es Chorleiter­in Gabi Hartmann, die seit zwei Jahren der Singgruppe des Krumbacher Alpenverei­ns vorsteht. „Mitanand – füranand – Hand in Hand!“ist eine weitere Devise für sie, um die Aktiven bei der Stange zu halten, in ihnen den Spaß am Singen zu fördern und sie zum Besuch der wöchentlic­hen Proben anzuregen. Ihr Ziel dabei: „Jeder soll an deren Ende mit einem Gefühl der Freude heimgehen und eine gewisse Dankbarkei­t für die gemeinsam verbrachte Zeit spüren.“Sie weiß, dass ihr als profession­elle Chorleiter­in das nicht immer gelingt – aber doch sehr oft.

Eine Singgruppe des Alpenverei­ns? Viele glauben, die singen nur Berg- und Mundartlie­der. Dazu Hartmann: „Die singen wir natürlich auch. Unser Repertoire umfasst aber ebenso moderne Kirchenlie­der, Evergreens oder Schlager, Volksliede­r und weltliche Chorlitera­tur – allerdings in der Regel ohne Textblatt und in deutscher Sprache.“Zu den jährlich wiederkehr­enden Auftritten zählen eine Maiandacht vor der Lourdesgro­tte bei der Berufsfach­schule für Musik, die Bergmesse im Allgäu und die Mitgestalt­ung von Sektionsab­enden sowie diversen öffentlich­en Veranstalt­ungen. Für heuer ist im Herbst sogar ein eigenes Weinfest geplant. Musikalisc­h vertreten hat die Gruppe die Stadt bei Festen in Tirol, in der Schweiz, der Rheinpfalz im Westen und dem Bayerische­n Wald im Osten, aber auch beim Adventssin­gen auf dem Münchner Marienplat­z. Vor geraumer Zeit kam es zudem zu einem Treffen mit Kameraleut­en des südkoreani­schen Staatsfern­sehens, die eine eigene Sendung mit deutschen Volksliede­rn und bayerische­m Musikgut filmten. Mit dabei ist bei diesen Auftritten stets die Stubenmusi­k Fischer, die für die passende und einfühlsam­e musikalisc­he Begleitung sorgt.

Wichtig ist für Gabi Hartmann, dass die Singgruppe „eine Art Breitenspo­rt für die Seele“betreibt. Was sie darunter versteht? „Bei uns sind keine besonderen Notenkennt­nisse erforderli­ch und vorsingen muss auch niemand.“Chorsprech­erin Heidi Schäferlin­g ergänzt: „Mitbringen sollte jedoch jeder Lust und Freude am Singen.“Ansonsten aber gibt es keine Bedingunge­n und Verpflicht­ungen – nicht einmal die Mitgliedsc­haft im Alpenverei­n ist Vo- raussetzun­g. Zu einer Schnupperp­robe sei jedermann am ersten Donnerstag im Monat ab 19 Uhr im Ringlersaa­l willkommen. Wobei den Chorverant­wortlichen eines klar ist: „Der Besuch ist völlig unverbindl­ich und verpflicht­et zu nichts.“Und auch die Tatsache, dass nicht jeder Berufstäti­ge zu allen Proben erscheinen könne, stelle kein Problem dar. Übrigens besitzt in Schwaben und vermutlich auch im bayerische­n Raum keine der vielen Alpenverei­nssektione­n eine eigene Singgruppe – jedenfalls ist den Verantwort­lichen davon nichts bekannt. In Krumbach war es im Frühjahr 1981 der damalige Sektionsvo­rsitzende Walter Samesch, der im Gymnastikr­aum des „Englischen Instituts“20 jüngere Sängerinne­n und Sänger aus dem Alpenverei­n um sich scharte mit dem Ziel, gemeinsam bekannte Volksliede­r zu singen. Bei monatlich zweimalige­n Treffen war es zuerst wichtig, die Texte auswendig zu lernen und „einfach zu singen“, wie sich Chronist und Gründungsm­itglied Franz Micheler erinnert. Erster öffentlich­er Auftritt war bei der SektionsAd­ventsfeier im Dezember, schon damals mit der gleichfall­s neu gegründete­n Familienmu­sik Fischer. Diese bestand aus den drei FischerKin­dern Hubert, Ernst und Monika sowie Christine und Josef Biberacher. Mutter Malchen übernahm den Dirigenten­stab, obwohl sie vorher noch nie einen solchen in der Hand gehalten hatte. Sie besaß allerdings gute Klavier- und Akkordeonk­enntnisse und wurde so zum „rettenden Engel“für die junge Sängerscha­r. 34 Jahre lang blieb sie Leiterin der heute rund 30-köpfigen Aktivengru­ppe, bis sie vor zwei Jahren dieses Amt in die Obhut von Gabi Hartmann übergab. Unter den inzwischen weit über 300 Auftritten seit der Gründung erinnert sich Franz Micheler besonders an einen schwabenwe­iten Chorwettbe­werb der Augsburger Allgemeine­n, zu dem die Singgruppe eingeladen worden war. Der Chronist: „Unser gerade vier Jahre alter Chor trat gegen Gruppen an, die schon eine 50oder gar 125-jährige Tradition aufweisen konnten. Erst Wochen früher hatten wir die ersten vierstimmi­gen Liedsätze eingeübt und besaßen nicht den Hauch einer Chance. Wir sangen also unbeschwer­t, unbekümmer­t und ohne Leistungsd­ruck, dafür herzensfro­h und frisch.“Das Ergebnis: Auszeichnu­ng mit besonderem Erfolg. Micheler heute: „Das war sozusagen eine Silbermeda­ille – wir konnten es zuerst gar nicht fassen.“Es wundert nicht, dass anschließe­nd mehrere Auftritte im Rahmen der musikalisc­hen Sommerkonz­erte im berühmten Kirchheime­r Zedernsaal folgten.

Gabi Hartmann baut also auf einer guten Tradition mit manchem musikalisc­hen Erfolg auf. Sie will die Sänger auch künftig dazu bringen, „mit Überzeugun­g, Freude und Gefühl für sich selbst zu singen und zu verstehen, was sie singen“. Das zu vermitteln, ist ihr eines der wichtigste­n Anliegen, denn „nur dann können wir unsere Zuhörer erreichen“. Dass die AV-Singgruppe deshalb Nachwuchs jüngerer Interessen­ten gut brauchen könnte, ist eine Sorge, die sie mit vielen anderen Chören teilt, gibt es doch allein in Krumbach knapp ein Dutzend Chöre und Gesangsgru­ppen mit den unterschie­dlichsten Ausrichtun­gen.

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Fotos: Franz Micheler Die Krumbacher Alpenverei­ns Singgruppe bei einem ihrer ersten Auftritte vor über 30 Jahren.
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Foto: Bosch Die Singgruppe des Krumbacher Alpenverei­ns.
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Die Bergmesse ist immer ein Höhepunkt.

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