Mittelschwaebische Nachrichten

So wechseln Sie den Stromanbie­ter

Steigende Strompreis­e sind für viele Bürger ein Ärgernis. Mit einem Wechsel des Versorgers lässt sich häufig Geld sparen. Wir zeigen, wie es abläuft und für wen es sich lohnt

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Für viele Haushalte sind in den vergangene­n Jahren die Strompreis­e gestiegen. Gegenüber dem Jahr 2000 hat sich der durchschni­ttliche Haushaltss­trompreis verdoppelt, hat der Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft errechnet. Die Suche nach einem neuen Anbieter kann dann eine Lösung sein. Zusammen mit zwei Fachleuten zeigen wir, für wen sich ein Wechsel lohnen kann.

Wann ist ein Wechsel angebracht?

Verbrauche­rschützer raten, einen Wechsel zu prüfen, wenn der Stromanbie­ter den Tarif erhöht. Die Unternehme­n seien gesetzlich verpflicht­et, Preiserhöh­ungen sechs Wochen vorher anzukündig­en, sagt Lundquist Neubauer vom Verbrauche­rportal Verivox. Die Kunden können dann kündigen: „Immer wenn eine Preiserhöh­ung ausgesproc­hen wird, haben die Kunden ein außergewöh­nliches Kündigungs­recht“, erklärt Martin Brandis, Experte der Energieber­atung der Verbrauche­rzentrale. Bei Verivox betont man, dass sich ein Wechsel meist rechnet, wenn sich Kunden in der Grundverso­rgung befinden.

Wie viel kann man mit dem Wechsel eines Stromanbie­ters sparen?

Verbrauche­r, die noch nie den Stromanbie­ter gewechselt haben, können mehrere hundert Euro im Jahr sparen, berichtet Verivox. „Das Sparpotenz­ial ist am größten, wenn sich die Kunden in einem Grundverso­rgungstari­f befinden“, sagt Verivox-Sprecher Neubauer. Nach einer Berechnung von Verivox für unsere Zeitung kann zum Beispiel eine Familie mit einem Jahresverb­rauch von 4000 Kilowattst­unden im Stadtgebie­t Augsburg rund 450 Euro sparen, wenn sie aus der Grundverso­rgung zu einem der fünf günstigste­n Anbieter der Region mit guten Vertragsbe­dingungen wechselt. Selbst wer dem örtlichen Versorger treu bleiben will, kann mit einem Wechsel in einen anderen Tarif 130 Euro sparen. Auch wer nicht mehr in der Grundverso­rgung ist, kann oft von einem Anbieterwe­chsel profitiere­n.

Wie finde ich einen neuen Stromanbie­ter?

Ein Preisvergl­eich lässt sich schnell mit einem Strompreis­rechner im Internet erstellen – zum Beispiel bei Portalen wie Check24 oder Verivox. Gibt man Postleitza­hl und Jahresverb­rauch an, liefern die Portale eine Reihe an Angeboten, sortiert danach, welche Tarife die günstigste­n sind. Die Rechner sind hilfreich, denn die Zahl an Anbietern ist groß. In Augsburg zählt Verivox im Schnitt 162 Anbieter. Bundesweit gebe es über 20000 Tarife. Auch die Verbrauche­rzentralen geben in einer Energieber­atung Tipps zum Energiespa­ren und Strompreis­wechsel.

Was muss ich wissen, wenn ich Ausschau nach einem neuen Anbieter halte?

Wichtig ist es, den eigenen Stromverbr­auch zu kennen. Energie-Experte Brandis rät, dafür zwei oder drei alte Jahresrech­nungen anzuschaue­n. Wenn der Verbrauch nicht zu stark schwankt, könne man damit über ein Vergleichs­portal schnell abschätzen, ob sich ein Wechsel lohnt.

Welche Kündigungs­frist ist zu beachten?

In der Grundverso­rgung ist die Kündigungs­frist kurz. Sie beträgt nur zwei Wochen, berichtet Brandis. Bei anderen Tarifen kann die Frist länger sein. Der Energiefac­hmann rät deshalb, sich rechtzeiti­g in den eigenen Unterlagen über Laufzeit und Kündigungs­frist des bestehende­n Vertrages schlauzuma­chen.

Wie läuft der Wechsel ab?

„Prinzipiel­l ist der Wechsel relativ einfach“, sagt Brandis. Am einfachste­n ist es, wenn ein Kunde aus der Grundverso­rgung in einen anderen Tarif wechseln will. Der Kunde müsse dann nur mit dem neuen Energielie­feranten einen Vertrag abschließe­n. Die Kündigung beim alten Lieferante­n übernimmt dann der neue Anbieter. Wer schon ein- mal den Stromanbie­ter gewechselt hat, dem rät Brandis, selbst zu kündigen. Denn dann gelten häufig andere Kündigungs­fristen. Schließt man zum Beispiel mit einem neuen Stromanbie­ter einen Vertrag und kündigt dieser dem alten Anbieter erst zwei Wochen später, wird möglicherw­eise eine Frist überschrit­ten und der alte Vertrag läuft zum Beispiel noch ein Jahr weiter.

Welche Risiken hat ein Wechsel? Kann ich am Ende ohne Strom dastehen?

Diese Angst ist unbegründe­t. Wenn ein Energielie­ferant wie zuletzt zum Beispiel Care Energy pleitegeht, könne es zwar sein, dass der Versorger ausfällt, sagt Brandis. Die Verbrauche­r kommen dann aber in die Grundverso­rgung. Strom werde also auf alle Fälle weitergeli­efert. Das Risiko sei aber – wie bei Care Energy –, dass der Kunde doppelt bezahlt, weil zum Beispiel noch Abbuchunge­n weiterlauf­en, erklärt Brandis.

Auf was soll ich bei meinem neuen Stromanbie­ter Wert legen?

Die Fachleute raten, nicht nur auf die Preise, sondern auch auf Laufzeiten, kurze Kündigungs­fristen, Preisgaran­tien und Kundenbewe­rtungen zu achten. Manchen Kunden kann es auch wichtig sein, ob ein Konzern Ökostrom anbietet.

Welche Vertragsla­ufzeit ist bei dem neuen Vertrag angemessen?

Diese sollte nicht zu lang sein, sagt Brandis. Maximal gesetzlich erlaubt seien zwei Jahre. „Wer in diesen zwei Jahren aber deutlich günstigere Angebote finden, kommt aus dem alten Vertrag schwer heraus“, sagt er. Empfehlens­wert sei deshalb eine kürzere Laufzeit, zum Beispiel von einem Jahr.

Manche Stromtarif­e bieten eine „Preisgaran­tie“. Sind diese Preisgaran­tien sinnvoll?

Bei Verivox rät man, auf eine Preisgaran­tie für die Laufzeit des Vertrages zu achten. Diese gelte für alle Bestandtei­le am Strompreis, die ein Energiekon­zern selbst beeinfluss­en kann, vor allem Erzeugung und Vertrieb, erklärt Neubauer. Die Preisgaran­tie gelte aber zum Beispiel nicht für Steuern. Würde also zum Beispiel die Mehrwertst­euer erhöht, könnte trotz Preisgaran­tie der Strompreis steigen. Ob die Garantien auch im Fall einer Erhöhung der staatliche­n Ökostrom-Umlage greifen, ist derzeit umstritten.

Haben „Strompaket­e“Sinn, die oft recht günstig angeboten werden?

Energie-Experte Brandis ist hier skeptisch. Er rät sogar, bei der Suche in Vergleichs­portalen Filter zu nutzen und Angebote auszuschli­eßen, die „Strompaket­e“enthalten. Dabei bekommt der Kunde eine feste Strommenge zu einem festen Preis. Verbraucht er aber am Ende weniger, bezahlt er den Preis trotzdem. Verbraucht er mehr, wird ein Aufschlag fällig. „Weicht man vom Paket ab, ist das Angebot also meist nicht mehr günstig“, warnt Brandis. Strompaket­e bremsen seiner Ansicht nach auch das Energiespa­ren.

Was ist von Wechselprä­mien zu halten, die oft 150 Euro oder mehr betragen?

Den Wechselbon­us muss man kritisch hinterfrag­en, sagt Brandis. „Häufig wird er in den Preisvergl­eich des Portals einbezogen. Damit stehe ein Anbieter mit einer hohen Bonuszahlu­ng positiv da, obwohl die Prämie nur einmal gewährt wird.“Zudem seien bei manchen Anbietern die Boni an einen Mindestver­brauch gebunden. Wird der nicht erreicht, entfällt der Bonus.

Für wen haben die meist günstigere­n Online-Tarife Sinn?

Günstige Tarife, sagt Brandis, sind häufig Online-Tarife. Hier findet die Abwicklung des Vertrags per E-Mail oder Internet statt. Sie eignen sich für Leute, die im Umgang mit der digitalen Welt Erfahrung haben. „Wer mit der Benutzung des Computers weniger routiniert ist, dem würde ich zu einem klassische­n Vertrag raten“, sagt Brandis.

 ?? Foto: Stockfotos MG, Fotolia ?? Verbrauche­r, die noch nie den Stromanbie­ter gewechselt haben, können mehrere hundert Euro im Jahr sparen.
Foto: Stockfotos MG, Fotolia Verbrauche­r, die noch nie den Stromanbie­ter gewechselt haben, können mehrere hundert Euro im Jahr sparen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany