Mittelschwaebische Nachrichten

„Man wird gebissen, geschlagen, getreten“

Künftig gibt es härtere Strafen bei Gewalt gegen Polizisten, Sanitäter und Feuerwehrl­eute. Staatskanz­leichef Marcel Huber erläutert, warum das Gesetz notwendig ist

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Herr Huber, warum müssen Polizisten und Einsatzkrä­fte besser geschützt werden? Marcel Huber: Die Gewalt gegen diejenigen, die eigentlich gerufen werden, um zu helfen und zu retten, ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Nach Angaben des Bundesinne­nministeri­ums gab es im vergangene­n Jahr 71000 Straftaten gegen Polizisten, mehr als zehn Prozent mehr als im Jahr davor. In Bayern sind 40 Prozent der Übergriffe Beleidigun­gen, aber 30 Prozent Körperverl­etzungen. Man wird gebissen, geschlagen, getreten, die Täter gehen sogar auf die Polizisten mit der Absicht zu, sie zu verletzen. Dem muss man entgegentr­eten.

Wie erklären Sie sich diese Gewalt? Huber: Das hat mehrere Gründe. Es hat mit einem mangelnden Respekt vor staatliche­n Einrichtun­gen und seinen Vertretern zu tun. Und es ist Ausdruck einer zunehmende­n Gewaltbere­itschaft in der Gesellscha­ft, die durch das Fernsehen oder Computersp­iele noch befördert werden kann. Es gibt keinen Abend ohne Leiche.

Haben Sie dies auch als aktiver Feuerwehrm­ann erlebt? Huber: Dass man bei einem Einsatz direkt und mit Absicht tätlich angegriffe­n wird, habe ich bei uns auf dem Land nicht erlebt.

Aber Sie wurden bei Einsätzen durch Gaffer behindert? Huber: Ja, dieses Phänomen ist mittlerwei­le sehr weit verbreitet, vor allem auf Autobahnen und Bundesstra­ßen.

Warum? Huber: Früher hatte man bei der Fahrt in den Urlaub nur einen Fotoappara­t im Auto. Auf dem Urlaubsfil­m wollte man keine Bilder von schwer verletzten Unfallopfe­rn haben. Und mit dem Foto konnte man nichts anfangen. Heute ist das völlig anders. Da ist jeder mit einem Smartphone mit Kamerafunk­tion unterwegs. Die Bilder sind sofort in den sozialen Netzwerken und erfreuen sich dort einer für mich geschmackl­osen Beliebthei­t. Das ist offenbar für viele Menschen mit einem Prestigege­winn in ihrem Netzwerk verbunden, wenn sie besonders grausame Fotos oder Schockbild­er bieten können. Dafür ist ihnen dann jedes Mittel recht. Der Anreiz, solche Sensations­fotos zu schießen, stachelt die Menschen derart an, dass sie alles andere vergessen. Sie lassen ihr Auto einfach stehen, drängen sich am Unfallort nach vorne und behindern die Einsatzkrä­fte bei ihrer Arbeit. Da bleibt manchmal nichts anderes mehr übrig, als einen Platzverwe­is auszusprec­hen. Es hat schwerwieg­ende Folgen, wenn Autos die Rettungsga­sse blockieren und Feuerwehr oder Notarzt gar nicht mehr an den Unfallort kommen.

Was droht Gaffern nach dem neuen Gesetz? Huber: Das ist künftig keine Ordnungswi­drigkeit mehr, sondern eine Straftat mit bis zu einem Jahr Haft. Und das ist gut so.

Interview: Martin Ferber

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