Mittelschwaebische Nachrichten

Tag des Glücks

Mozart-Glanz mit Mariss Jansons

-

Augsburg Lange, mehr als ein Jahrzehnt, war es in Augsburg nicht mehr zu Gast gewesen, das Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks. Am Samstag aber nun großes Aufgebot in der Kongressha­lle. Nicht nur, dass die Symphonike­r diesmal vom Chef höchstselb­st, von Mariss Jansons, geleitet wurden, es war auch der hauseigene BR-Chor mit dabei sowie ein Quartett exquisiter Vokalsolis­ten. Auf dem Programm: Mozarts Requiem. Eine Kombinatio­n, die, so möchte man kalauerhaf­t-buchstäbli­ch meinen, „todsicher“ist. Die Klientel aber hielt sich lange beim Kartenkauf zurück – um dann am Ende doch herbeizust­römen und den Saal komplett zu belegen. Veranstalt­et hatte das Gastspiel das privat getragene (und eigentlich im Spätsommer stattfinde­nde) Festival Mozart@Augsburg, nicht eben zur Freude des städtische­n Mozartfest­s, welches in wenigen Tagen an den Start geht.

Mozarts Requiem: Von den Vertretern des historisch informiert­en Musizieren­s mit ihren schlanken Ensembles ist die Totenmesse in den letzten Jahrzehnte­n entschlack­t, entromanti­siert worden. Wie würde sich da ein Symphonieo­rchester schlagen, das sich üblicherwe­ise in

Unüberhörb­ar geht es um die großen Fragen

den üppigen Klangwelte­n des 19. und 20. Jahrhunder­ts bewegt? In Augsburg ist schnell klar: Das BROrcheste­r, unter den sehr guten Klangkörpe­rn dieses Planeten eines der besten, vermag auch als Großappara­t wie eine Kammergrup­pierung zu klingen. Und einem Dirigenten wie Jansons gelingt Mozart solch einem Ensemble in einer Weise, die hinsichtli­ch Transparen­z und Biss mindestens gleichzieh­t mit den größten Würfen der Originalkl­angszene – vom geistigen Gehalt ganz zu schweigen.

Gleich im langsamen Introitus legt Jansons straff und sehnig los, sodass nicht Musik entrückter Seelen, sondern tönende Rede bangender Existenzen erklingt. Die Sequenz, in die sich Jansons mit flammendem „Dies irae“hineinstür­zt, ist ein einziges Gefühlswec­hselbad, worin ruhige, heilsgewis­se Momente nur Verschaufp­ausen bieten zwischen grell aufflacker­nden Bildern nackter Angst. Was dem lettischen Dirigenten singulär gelingt, ist das Herausarbe­iten einer Dramaturgi­e, die dem alten lateinisch­en Kirchentex­t neue Relevanz beimisst und dabei vor allem auf eines zielt: Mensch, es geht um letzte Dinge, es geht um dich!

Ergreifend umso mehr, als diesem Ansatz auch die übrigen Beteiligte­n folgen. Die Solisten Genia Kühmeier, Elisabeth Kulman, Mark Padmore und Adam Plachetka sind weit davon entfernt, banalen Schöngesan­g zu liefern – die Dringlichk­eit, mit welcher sie im „Tuba mirum“die großen Fragen von Ende, Rechenscha­ft, „Was dann?“aufwerfen, fährt einem geradezu an die Gurgel. Nicht anders der Rundfunk-Chor. Geboten scharf dreinschne­idend das „Rex tremendae“, majestätis­ch-unerbittli­ch die Fugen, traumhaft überirdisc­h Moemnte wie das „Voca me“– und die letzten Requiem-Worte intonieren die Chorsänger gleichsam als Gebet. Eine musikalisc­he Glücksstun­de, nur 60 Minuten lang – in München war tags zuvor der Mozart zusammen mit Schönberg gegeben worden –, doch in sich stimmig. Applaus, Jubel, Begeisteru­ng – welch letztere sich vielleicht in das am Freitag beginnende Augsburger Mozartfest mitnehmen lässt. Stefan Dosch

 ??  ?? Mariss Jansons
Mariss Jansons

Newspapers in German

Newspapers from Germany