Mittelschwaebische Nachrichten

Schlaflos in Köln

Bundestrai­ner Marco Sturm beruft den müden Leon Draisaitl in den Kader und gewinnt 4:1 gegen Italien. Danach darf der NHL-Star ins Hotel Mama einchecken

- VON MILAN SAKO

Köln Schlaf wird völlig überschätz­t, vor allem bei Eishockey-Profis. Die kennen nicht nur keinen Schmerz, nein, Leon Draisaitl kommt auch ohne Nachtruhe aus. Ziemlich zerknitter­t war der 21-Jährige am Samstag um 11 Uhr in Frankfurt aus dem Flugzeug gestiegen. Neun Stunden später gab der Profi des NHL-Klubs Edmonton Oilers seine WM-Premiere in Köln und führte die deutsche Nationalma­nnschaft zu einem 4:1 (2:1, 2:0, 0:0) gegen Italien. Bundestrai­ner Marco Sturm schonte seinen Führungssp­ieler nicht. Die meiste Eiszeit aller Angreifer: Draisaitl mit 17:10 Minuten. Danach war der Stürmer endgültig platt: „Ich würde am liebsten bis Dienstag durchschla­fen.“

Kein Wunder bei dem Programm. Am frühen Donnerstag­morgen deutscher Zeit war der Profi mit den Oilers in den Play-offs mit 1:2 in Anaheim gescheiter­t. Damit war der Weg frei für die Nationalma­nnschaft in Köln, denn Draisaitl beteuerte auch nach dem ItalienSie­g: „Ich habe gesagt, ich will der Mannschaft helfen.“

Doch bis der 21-Jährige in der mit 18700 Fans erneut ausverkauf­ten Lanxess-Arena auf dem Eis stand, benötigte er Sitzfleisc­h: Von Anaheim flog die Mannschaft zuerst zurück nach Edmonton, über Calgary machte sich Draisaitl auf den Weg nach Deutschlan­d. Vom Flughafen musste er nicht in der TeamUnterk­unft einchecken, sondern im Hotel Mama, wie der Bundestrai­ner schilderte: „Leon ist direkt nach Hause, hat von der Mutter was zu Essen bekommen, ein paar Stunden geschlafen. Und um halb fünf war er in der Halle, um seinen Schläger zu präpariere­n.“Die Partie begann um 20.15 Uhr und nach dem zweiten Draisaitl-Wechsel stand es 1:0 für Deutschlan­d. Im Doppelpass mit dem Torschütze­n Christian Ehrhoff bereitete das Ausnahmeta­lent die Führung in der vierten Minute vor.

Matthias Plachta (19.), Yannic Seidenberg (23.) und Dominic Kahun (26.) schossen den nie gefährdete­n Sieg gegen Italien heraus. Im Tor vertraute der Bundestrai­ner wieder auf den Münchner Danny aus den Birken, der beim zwischen- zeitlichen 1:1 durch Stefano Marchetti allerdings nicht gut aussah.

Die Viertelfin­alchancen sind vor dem letzten Gruppenspi­el am Dienstag (20.15 Uhr/Sport1) gegen Lettland intakt. Wer gewinnt, steht in der K.-o.-Runde. „Es wird wie in der Olympia-Qualifikat­ion eine Schlacht bis zum bitteren Ende“, sagte Sturm. In Riga hatte sich im Herbst 2016 die deutsche Mannschaft durchgeset­zt. Der Bundestrai­ner kündigte an, dass Philipp Grubauer von den Washington Capitals im Tor stehen wird. Der NHL-Profi war ebenfalls am Samstag in Köln eingetroff­en, saß als Ersatzmann jedoch auf der Bank. Für Schlussman­n Thomas Greiss, der mit seiner Sympathie für politisch extreme Positionen im Internet für Schlagzeil­en gesorgt hatte, ist die WM wohl beendet. Begründung von Sturm: „Seine Verletzung hat sich etwas verschlimm­ert.“Aber vielleicht will der Bundestrai­ner das unappetitl­iche Thema möglichst von seiner Mannschaft fernhalten.

Als Führungssp­ieler wie vor dem WM-Start taugt Greiss nun nicht mehr. Diese Rolle besetzt seit Samstag Draisaitl. Gegen Italien erntete die Nummer 29 Szenenappl­aus. Sein Sturmpartn­er Matthias Plachta beschreibt die Qualitäten seines Centers so: „Bei ihm ist die Sache in guten Händen. Er hat das Auge und er hat den Körper.“Mit der Sache meint der Mannheimer Plachta den Puck. In jeder Bewegung ist zu erahnen, warum Draisaitl mit 29 Toren und 44 Pässen bereits in der NHL-Hauptrunde geglänzt hatte.

Da sein Vertrag ausläuft, will Edmonton seinen Jungstar langfristi­g an sich binden. Die Experten erwarten einen Sieben-Jahres-Vertrag mit einer Gage von 6,5 Millionen Euro pro Saison. Verglichen damit gibt es beim Deutschen Eishockey-Bund nur Ruhm und Ehre zu holen.

Bevor das Endspiel gegen Lettland folgt, schlief sich Draisaitl am trainingsf­reien Sonntag zu Hause aber erst einmal aus und sprach passend zum Muttertag ein dickes Lob an Mama Sandra aus. „Ohne meine Mutter wäre ich nicht annähernd da, wo ich jetzt bin. Deshalb werde ich den Tag mit ihr verbringen.“Der junge Mann zeigt nicht nur auf dem Eis Qualitäten.

 ?? Foto: afp ?? Leon Draisaitl ist momentan Deutschlan­ds bester Eishockey Spieler. Wenige Stunden nach dem Play off Aus in der NHL stand er schon in Köln auf dem Eis.
Foto: afp Leon Draisaitl ist momentan Deutschlan­ds bester Eishockey Spieler. Wenige Stunden nach dem Play off Aus in der NHL stand er schon in Köln auf dem Eis.

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