Mittelschwaebische Nachrichten
Brautwahl am Bio-Stand
Früher mussten Männer bei der Brautwerbung große Leistungen vollbringen. Wenn das Zielobjekt auffallend hübsch war, wollte es beäugt, betanzt und wochenlang mit Geschenken umworben werden. Der Aufwand verdoppelte sich, wenn die Erwählte wegen ihrer Intelligenz auch noch von Konkurrenten beäugt, beschenkt und betanzt wurde.
Heute ist das viel einfacher. Der paarungswillige Mann stellt sich im Supermarkt an einen Bio-Stand und wartet. Wenn dort eine Frau ohne Ehering ihren Einkaufskorb mit naturnahen Produkten füllt, kann der sehnsüchtige Beobachter sicher sein, dass er der klugen Frau fürs Leben gegenübersteht. Der Ehewunsch, der ehemals nach einem anstrengenden Ländler unter der Dorflinde keuchend vorgetragen wurde, wird jetzt supermarktgerecht in aller Ruhe formuliert.
Es ist nämlich wissenschaftlich abgesichert, dass diese neue Art der Partnerwahl Erfolg verspricht. Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft berichtet, dass sich die Hälfte der kritisch-kreativen Frauen vorwiegend von ökologischen Nahrungsmitteln ernährt. Der Mann, der ökologische Natürlichkeit und biogestützte Klugheit zu schätzen weiß, wird also am BioStand ähnlich empfinden wie die Hauptfigur in Gottfried Kellers Roman „Der grüne Heinrich“: „Zugleich war die ganze Erscheinung, welche Heinrich die schönäugigste und anmuthigste Person dünkte, die er je gesehen, von so unverhohlener, natürlicher und doch kluger Freundlichkeit, daß er von dem Anblick ein neues Leben gewann.“