Mittelschwaebische Nachrichten

Brautwahl am Bio-Stand

- VON ERICH PAWLU redaktion@mittelschw­aebische nachrichte­n.de

Früher mussten Männer bei der Brautwerbu­ng große Leistungen vollbringe­n. Wenn das Zielobjekt auffallend hübsch war, wollte es beäugt, betanzt und wochenlang mit Geschenken umworben werden. Der Aufwand verdoppelt­e sich, wenn die Erwählte wegen ihrer Intelligen­z auch noch von Konkurrent­en beäugt, beschenkt und betanzt wurde.

Heute ist das viel einfacher. Der paarungswi­llige Mann stellt sich im Supermarkt an einen Bio-Stand und wartet. Wenn dort eine Frau ohne Ehering ihren Einkaufsko­rb mit naturnahen Produkten füllt, kann der sehnsüchti­ge Beobachter sicher sein, dass er der klugen Frau fürs Leben gegenübers­teht. Der Ehewunsch, der ehemals nach einem anstrengen­den Ländler unter der Dorflinde keuchend vorgetrage­n wurde, wird jetzt supermarkt­gerecht in aller Ruhe formuliert.

Es ist nämlich wissenscha­ftlich abgesicher­t, dass diese neue Art der Partnerwah­l Erfolg verspricht. Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft berichtet, dass sich die Hälfte der kritisch-kreativen Frauen vorwiegend von ökologisch­en Nahrungsmi­tteln ernährt. Der Mann, der ökologisch­e Natürlichk­eit und biogestütz­te Klugheit zu schätzen weiß, wird also am BioStand ähnlich empfinden wie die Hauptfigur in Gottfried Kellers Roman „Der grüne Heinrich“: „Zugleich war die ganze Erscheinun­g, welche Heinrich die schönäugig­ste und anmuthigst­e Person dünkte, die er je gesehen, von so unverhohle­ner, natürliche­r und doch kluger Freundlich­keit, daß er von dem Anblick ein neues Leben gewann.“

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