Mittelschwaebische Nachrichten
Raus in die Natur – aber mit Rücksicht
Jetzt ist Aufzuchtzeit für viele Tiere. Warum dies für die Natur eine sensible Zeit ist
Landkreis Rehe und Hasen, die ganze Vogelwelt, überhaupt alles, was in Wald und Wiesen kreucht und fleucht, zieht seinen Nachwuchs auf. Die Zeit reicht in der Regel von April bis Ende Juni, doch nach dem vergangenen unerwarteten Wintereinbruch ist jetzt der eigentliche Höhepunkt. Dabei gilt vor allem eines: Die Natur regelt vieles von alleine. Duckt sich ein Rehkitz versteckt in der Wiese, sollte es in keinem Falle angefasst werden. Dieser Instinkt schützt es vor Feinden und in der Regel befinden sich die Eltern in der Nähe. Andernfalls würde es den Geruch des Menschen annehmen und verstoßen werden. Dasselbe gilt für aufgefundene Jungvögel. Die Meinung, ein solcher müsse unbedingt aufgepäppelt werden, ist falsch und schon gar nichts für Amateure. Lieber die Natur Natur sein lassen und diese dafür „sanft“genießen, erklärt Ottmar Frimmel von der Unteren Naturschutzbehörde.
„Die Wege durch Wälder und Wiesen stellen für die Tiere eine Art Störband dar“, erklärt Frimmel weiter. Die Tiere wüssten das. Spaziergänger und Radfahrer werden dort akzeptiert und in dieses Schema passt auch der langsam fahrende Landwirt. Werden aber die Wege verlassen, dann sind dies Störfaktoren. „Jetzt sind die Nachkommen da und wer sich in der Natur ruhig verhält, hat auch Naturerlebnisse“, betont Frimmel. So schön es vielleicht für den Mountainbiker sein mag, unwegsames Gelände zu durchqueren, es sollte eben an dafür ausgewiesenen Orten geschehen. Und über wilde Trampelpfade durchs Dickicht zu streifen, müsse ebenfalls nicht sein.
Dies gilt vor allem für Hunde, denn gerade in dieser kritischen Zeit sollten sie an der Leine geführt werden. Klar, was gibt es für den Hund schöneres, als über eine Wiese zu toben? Ein Hund könne noch so folgsam und gut erzogen sein, aber er hat einen Jagdtrieb. Nimmt er Witterung auf und bemerkt den Hasen oder das Reh vor seinem Besitzer, rennt er den Tieren nach. Für einen aufgescheuchten Vogel bedeutet dies: Er kann sich in dieser Zeit nicht um sein Gelege oder seine Jungvögel kümmern, erläutert Frimmel. Die Eier können erkalten, die Jungen verhungern, wenn sie nicht im regelmäßigen Rhythmus gefüttert werden oder sind ihren Feinden schutzlos ausgeliefert. Und was den eigenen Garten betrifft: Wenn man mitbekommt, dass dort etwas brütet, muss ja nicht gerade der Stuhl oder der Gartentisch danebenstehen.
Ähnliches gilt für Katzen. Ottmar Frimmel nennt Zahlen: Eine verwilderte Katze frisst im Jahr 365 Vögel oder nimmt ganze Nester mit mehreren Jungvögeln auf einmal aus. „Wer eine Katze hat, sollte sich um sie kümmern und sie auch entsprechend füttern.“Dazu tragen beispielsweise Futterstellen im Garten bei. Weiter sollte die Zeit, in der sich Katzen im Freien aufhalten, eingegrenzt werden: Dies sollte nicht gerade in den frühen Morgenund Abendstunden und vor allem im Nahbereich des Hauses der Fall sein. Ein Sterilisieren verhindere zudem ein unkontrolliertes Vermehren. Manchen Katzen- oder Hundehaltern sei vieles gar nicht bewusst.
Auch an die Pflanzenwelt sollte man denken. Anstatt Pflanzen auszugraben, um sie im heimischen Garten anzusiedeln, bieten ausgesuchte Staudengärtnereien für nur wenige Euro eine ausgesprochen große Vielfalt. Und Blätter, Rasenund Heckenschnitt gehören auf den Kompost oder zur Grüngutannahme und nicht in Wald und Wiese. Es mag schon sein, dass dies dort ebenfalls verrottet, dafür stinkt es, wird matschig und macht die Natur kaputt – sehr zur Freude der Brennnesseln. Trotz enger Besiedelung und eines dichten Verkehrsnetzes gebe es gerade in unserer Region eine unheimliche Naturvielfalt. „Wir wollen keine Käseglocke über der Natur, die Menschen sollen hinaus und sie erleben – aber mit respektvollem und naturverträglichem Verhalten“, betont Frimmel.