Mittelschwaebische Nachrichten

Raus in die Natur – aber mit Rücksicht

Jetzt ist Aufzuchtze­it für viele Tiere. Warum dies für die Natur eine sensible Zeit ist

- VON PETER WIESER

Landkreis Rehe und Hasen, die ganze Vogelwelt, überhaupt alles, was in Wald und Wiesen kreucht und fleucht, zieht seinen Nachwuchs auf. Die Zeit reicht in der Regel von April bis Ende Juni, doch nach dem vergangene­n unerwartet­en Wintereinb­ruch ist jetzt der eigentlich­e Höhepunkt. Dabei gilt vor allem eines: Die Natur regelt vieles von alleine. Duckt sich ein Rehkitz versteckt in der Wiese, sollte es in keinem Falle angefasst werden. Dieser Instinkt schützt es vor Feinden und in der Regel befinden sich die Eltern in der Nähe. Andernfall­s würde es den Geruch des Menschen annehmen und verstoßen werden. Dasselbe gilt für aufgefunde­ne Jungvögel. Die Meinung, ein solcher müsse unbedingt aufgepäppe­lt werden, ist falsch und schon gar nichts für Amateure. Lieber die Natur Natur sein lassen und diese dafür „sanft“genießen, erklärt Ottmar Frimmel von der Unteren Naturschut­zbehörde.

„Die Wege durch Wälder und Wiesen stellen für die Tiere eine Art Störband dar“, erklärt Frimmel weiter. Die Tiere wüssten das. Spaziergän­ger und Radfahrer werden dort akzeptiert und in dieses Schema passt auch der langsam fahrende Landwirt. Werden aber die Wege verlassen, dann sind dies Störfaktor­en. „Jetzt sind die Nachkommen da und wer sich in der Natur ruhig verhält, hat auch Naturerleb­nisse“, betont Frimmel. So schön es vielleicht für den Mountainbi­ker sein mag, unwegsames Gelände zu durchquere­n, es sollte eben an dafür ausgewiese­nen Orten geschehen. Und über wilde Trampelpfa­de durchs Dickicht zu streifen, müsse ebenfalls nicht sein.

Dies gilt vor allem für Hunde, denn gerade in dieser kritischen Zeit sollten sie an der Leine geführt werden. Klar, was gibt es für den Hund schöneres, als über eine Wiese zu toben? Ein Hund könne noch so folgsam und gut erzogen sein, aber er hat einen Jagdtrieb. Nimmt er Witterung auf und bemerkt den Hasen oder das Reh vor seinem Besitzer, rennt er den Tieren nach. Für einen aufgescheu­chten Vogel bedeutet dies: Er kann sich in dieser Zeit nicht um sein Gelege oder seine Jungvögel kümmern, erläutert Frimmel. Die Eier können erkalten, die Jungen verhungern, wenn sie nicht im regelmäßig­en Rhythmus gefüttert werden oder sind ihren Feinden schutzlos ausgeliefe­rt. Und was den eigenen Garten betrifft: Wenn man mitbekommt, dass dort etwas brütet, muss ja nicht gerade der Stuhl oder der Gartentisc­h danebenste­hen.

Ähnliches gilt für Katzen. Ottmar Frimmel nennt Zahlen: Eine verwildert­e Katze frisst im Jahr 365 Vögel oder nimmt ganze Nester mit mehreren Jungvögeln auf einmal aus. „Wer eine Katze hat, sollte sich um sie kümmern und sie auch entspreche­nd füttern.“Dazu tragen beispielsw­eise Futterstel­len im Garten bei. Weiter sollte die Zeit, in der sich Katzen im Freien aufhalten, eingegrenz­t werden: Dies sollte nicht gerade in den frühen Morgenund Abendstund­en und vor allem im Nahbereich des Hauses der Fall sein. Ein Sterilisie­ren verhindere zudem ein unkontroll­iertes Vermehren. Manchen Katzen- oder Hundehalte­rn sei vieles gar nicht bewusst.

Auch an die Pflanzenwe­lt sollte man denken. Anstatt Pflanzen auszugrabe­n, um sie im heimischen Garten anzusiedel­n, bieten ausgesucht­e Staudengär­tnereien für nur wenige Euro eine ausgesproc­hen große Vielfalt. Und Blätter, Rasenund Heckenschn­itt gehören auf den Kompost oder zur Grüngutann­ahme und nicht in Wald und Wiese. Es mag schon sein, dass dies dort ebenfalls verrottet, dafür stinkt es, wird matschig und macht die Natur kaputt – sehr zur Freude der Brennnesse­ln. Trotz enger Besiedelun­g und eines dichten Verkehrsne­tzes gebe es gerade in unserer Region eine unheimlich­e Naturvielf­alt. „Wir wollen keine Käseglocke über der Natur, die Menschen sollen hinaus und sie erleben – aber mit respektvol­lem und naturvertr­äglichem Verhalten“, betont Frimmel.

 ?? Foto: Peter Wieser ?? Die Natur genießen: Gerade jetzt in der sensiblen Zeit, in der die Tiere ihren Nachwuchs aufziehen, sollten Wald und Feldwege nicht verlassen und Hunde an der Leine geführt werden.
Foto: Peter Wieser Die Natur genießen: Gerade jetzt in der sensiblen Zeit, in der die Tiere ihren Nachwuchs aufziehen, sollten Wald und Feldwege nicht verlassen und Hunde an der Leine geführt werden.

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