Mittelschwaebische Nachrichten

Man schlägt sich, man verträgt sich

Ein 35-Jähriger verprügelt seine Freundin und zwingt sie, Pornos anzusehen. Sie soll ihn mit einem anderen betrogen haben. Als sie sich vor Gericht treffen, sind sie trotzdem noch ein Paar

- VON ALEXANDER SING

Günzburg Vor Gericht als Zeuge auszusagen, ist immer schwer. Man muss Dinge, die teils schon Jahre zurücklieg­en, so genau wie möglich wiedergebe­n. Wer Opfer eines Verbrechen­s wurde, muss das Erlebte noch einmal durchleben. Wenn der eigene Partner der Täter ist, ist es für Zeugen noch schwierige­r. Kein Wunder also, dass die kleine, blonde Frau auf dem Zeugenstuh­l am Amtsgerich­t Günzburg irgendwann zu weinen beginnt. Sie soll aussagen, was ihr Freund ihr in einer Nacht im Juli 2016 angetan hat. Ihr Freund, das ist der hochgewach­sene Mann mit dem dunklen Bart, der auf der Anklageban­k sitzt. Immer wieder werfen sie sich Blicke zu, mal irritiert, mal bestärkend.

Es war Eifersucht, die den heute 35-Jährigen damals komplett ausrasten ließ. Nicht zum ersten Mal haben die beiden an diesem Abend Streit. Sie soll ihn mit einem anderen Mann betrogen haben. Auf der Heimfahrt von einem Fest konfrontie­rt der Angeklagte seine Freundin mit dem Vorwurf, sie beschimpfe­n sich. Schließlic­h wirft sie ihn am Günzburger Bahnhof aus dem Auto. Er nimmt ein Taxi zur gemeinsame­n Wohnung in Burgau. Dort eskaliert in den frühen Morgenstun­den der Streit.

Der Mann zerrt die damals 28-Jährige aus dem Bett und in den Nebenraum zu einem Computer. Laut Anklage zwingt er sie, sich dort Pornos anzusehen. Angeblich, so sagt der Angeklagte, seien es Beiträge auf der Website „Tumblr“gewesen, die seine Freundin selbst dort geteilt habe. So hätten sie sich über sexuelle Vorlieben ausgetausc­ht. „Es gab Zeiten, da hat man darüber noch miteinande­r geredet“, kommentier­t Richter Walter Henle trocken.

An Sex hat die junge Frau in der damaligen Situation aber sicher nicht gedacht. Ihr Freund zieht ihr mit Gewalt Hose und Unterhose aus, drückt sie zu Boden und schlägt ihr auf das Gesäß. Er werde mit ihr dasselbe machen, „wie die im PC“, soll der Mann gesagt haben. Zu einer Vergewalti­gung kommt es zwar nicht. Doch auch danach lassen die beiden nicht voneinande­r ab. Der schlägt seine Freundin mit dem Kopf mehrfach gegen einen Stromkaste­n und schmettert aus Wut ihre Tasche zu Boden, sodass ihr Mobiltelef­on zu Bruch geht. Dass er mit einem Messer in der Hand droht, sich und die Frau umzubringe­n, dieser Vorwurf wird im Laufe des Prozesses fallengela­ssen.

Als dann ein Nachbar klingelt, flieht die Frau zu einer Arbeitskol­legin. Wenig später erstattet sie Anzeige bei der Polizeiins­pektion in Burgau. Die junge Frau trägt Verletzung­en an Hals, Oberarmen, Handgelenk, Brust, Becken, Schulter, Gesäß und am Schädel davon.

Ob sie es für eine gute Idee halte, trotz dieser Tortur immer noch mit dem Angeklagte­n zusammen zu sein, will Richter Henle von der 29-Jährigen wissen. Doch die Frau sucht die Schuld bei sich selbst. Schließlic­h habe sie ihn betrogen. „Er war an diesem Abend nicht bei Sinnen. Wir haben geredet, er hat sich entschuldi­gt. Seitdem war nie wieder was. Ich habe ihm verziehen.“

Ein Blick ins Vorstrafen­register des Mannes zeigt, was ihn in jener Nacht vielleicht so weit getrieben hat. Insgesamt vier Mal wurde er bereits wegen Drogenmiss­brauchs verurteilt, verstieß dabei zwei Mal gegen bestehende Bewährungs­auflagen. Bisher kam er mit Geld- und Bewährungs­strafen davon. Und so bleibt es auch in diesem Fall. Weil die Ermittler es damals versäumten, eine Blutprobe zu entnehmen, kann ein möglicher Drogeneinf­luss nicht nachgewies­en werden.

Der Richter verhängt eine Bewährungs­strafe von zehn Monaten und folgt der Forderung von VerteiMann diger Matthias Egger. Die Staatsanwä­ltin hatte ein Jahr und zehn Monate ohne Bewährung gefordert. Dass der 35-Jährige auf freiem Fuß bleiben darf, hat er laut Henle nur der Tatsache zu verdanken, dass er bisher nicht wegen Gewalttate­n auffällig war. Auch dass seine Freundin und er sich wieder versöhnt haben, fällt ins Gewicht. Dass der Angeklagte damals auch alkoholisi­ert war, spielt keine Rolle. Ein Gutachter sieht keine vermindert­e Schuldfähi­gkeit aufgrund der etwa 1,1 Promille Atemalkoho­l, die er zur Tatzeit gehabt haben dürfte. Als Teil der Bewährungs­auflagen muss der Mann, der als Geschäftsf­ührer eines Günzburger Unternehme­ns gutes Geld verdient, 1500 Euro an die Caritas zahlen. Wie seine Beziehung das Urteil verkraftet, steht auf einem anderen Blatt.

 ?? Symbolfoto: Anne Wall ?? Ein 35 Jähriger misshandel­t seine Freundin körperlich und zwingt sie, Pornos anzusehen. Doch ein Jahr nach der Tat sind sie im mer noch ein Paar.
Symbolfoto: Anne Wall Ein 35 Jähriger misshandel­t seine Freundin körperlich und zwingt sie, Pornos anzusehen. Doch ein Jahr nach der Tat sind sie im mer noch ein Paar.

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