Mittelschwaebische Nachrichten
Konflikte, Kontrollen und Katholizismus
Patrick Lindermüller war für ein Theologisches Studienjahr in Jerusalem und berichtet jetzt von seinen Erfahrungen auf dem Evangelischen Kirchentag in Berlin
Nattenhausen/Berlin K!ar.Texter Patrick Lindermüller aus Nattenhausen war acht Monate als Teilnehmer eines Theologischen Studienjahres in Jerusalem. Nun ist er wieder zurück. Mit den Erfahrungen, die er gemacht hat, geht er nun vom 24. bis 28. Mai auf den Evangelischen Kirchentag nach Berlin. An einem eigenen Infostand wird er dort mit anderen Teilnehmern des Theologischen Studienjahres von seiner Zeit dort berichten. „Alle sind in irgendeiner Weise von hier geprägt,“sagt er rückblickend. Auf dem Kirchentag möchte er vor allem über den Alltag in Israel und Palästina, der ständig von dem Konflikt begleitet ist, informieren. Ein Anliegen ist es ihm außerdem, die Ökumene weiter voranzutreiben. Für uns hat er seine Erfahrungen in Jerusalem zusammengefasst. Er schreibt zu den einzelnen Themen: Blick über den Tellerrand „Als ich hierherkam, war ich zunächst überfordert von der Lage. Überall sah man Polizisten, Militärs, Grenzzäune. Eine ungewohnte Situation, welche einem in Deutschland so nicht gegeben ist. Ebenso die ständigen Kontrollen, das Gefühl einer im- merwährenden Überwachung. Und daneben das Leid der Menschen, die teilweise nicht die Möglichkeit einer freien Bewegung haben. Und hier im Kontrast dazu die Beschwerden in Deutschland über Probleme, die natürlich im konkreten Einzelfall verständlich sind, aber in Relation zu dem Leid, dem Standard hier, doch gering erscheinen. Ich möchte damit nicht das Leid des jeweiligen nihilieren, aber ich habe gelernt, über den Tellerrand hinauszuschauen. Oftmals eröffnen sich dadurch ganz neue Perspektiven.“Katholizismus „Ich persönlich komme aus einer ländlich geprägten katholischen Pfarrei und gehöre dieser auch gerne an. Ich bin überzeugter Katholik. Aber, was ich zuvor schon wusste, und nun hier intensiv und dankbar erfahren durfte: Der bei uns zelebrierte Katholizismus ist nicht der einzige. Es ist nicht der einzig Richtige, wie es oft heißt. Es gibt eine immense Bandbreite an „Katholischem“, was in dem oft leider monolithisch erscheinenden Katholizismus unserer Regionen verloren geht. Katholizismus ist immer ein „et … et“, ein „sowohl … als auch“. Und die Grenze zum lutherisch-protestantischen erscheint, gerade im Jahr des Reformationsgedenkens, nicht so weit wie oft proklamiert. Sie ist auch nicht so weit. Ich bin hier sehr dankbar für alle meine protestantischen Kolleg/innen, die meinen Glauben immer wieder hinterfragt haben, und das auch noch tun. Ich glaube, das sollten wir auch immer wieder machen, da sonst unser Glaube leer, eine reine Hülse wird.“Gemeinschaft „Ein letztes Wichtiges: Natürlich lebt jeder von uns in Gemeinschaft. Wir sind darauf angewiesen. Doch mit 20 Menschen auf engstem Raum zu leben, zu studieren, das Leben zu teilen: Ich glaube, diese Erfahrung hat nicht jeder gemacht. Es ist eine Erfahrung, die immens herausfordert, aber auch bereichernd ist. Man lernt, mit seinen eigenen Macken umzugehen, aber auch mit den Ticks der anderen, die einem vielleicht zunächst als verrückt erscheinen, aber dennoch liebenswert. Man hört auf den anderen intensiv, man lernt, miteinander umzugehen und füreinander da zu sein. Ich glaube, diese Erfahrung ist eine der kostbarsten, die man mitnimmt, da dies oftmals in unserer Gesellschaft fehlt oder verloren geht. Wie es nun weitergeht, weiß keiner von uns ganz genau. Doch in jedem Fall: Es geht geprägt aus dieser Zeit weiter.“
Patrick Lindermüller